Abschluss der Verhandlungen zu einem internationalen Plastikabkommen
Verhandlungen um ein internationales Plastikabkommen führen nicht zu Einigung
auch in sechster Runde verhindern unvereinbare Interessen verhandelnder Staaten internationalen Vertrag zur Plastikproblematik
Expertinnen und Experten: Maßnahmen einzelner Staaten wie Mindestquoten für Rezyklate sinnvoll, globale Lösung des Problems aber nur durch internationalen Vertrag möglich, weitere Verhandlungen könnten folgen
Die sechste Verhandlungsrunde um ein internationales Plastikabkommen ist am 15.08.2025 in Genf ohne eine Einigung zu Ende gegangen. Der finale Text des Vorsitzenden [I] wurde in der Nacht auf Freitag um 0:48 Uhr vorgelegt, die finale Plenarsitzung begann morgens um 6:12 Uhr. Damit endet ein dreijähriger Verhandlungsprozess unter dem Mandat des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) ohne ein Abkommen. Aktuell ist noch offen, ob es weitere Verhandlungen geben wird. Denkbar wäre eine weitere Verhandlungsrunde – INC-5.3 – oder aber es braucht ein neues Mandat der UNEP, das im Dezember auf dem United Nations Environment Assembly [II] erteilt werden könnte.
Die Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), die Dänin Inger Andersen, nannte die Verhandlungen 2023 eine „once in a planet opportunity“ [III]. Am Ende sollte ein globales Abkommen auf dem Tisch liegen, das die wachsende Plastikverschmutzung in den Meeren und an Land aufhält und die damit einhergehenden Risiken für die menschliche Gesundheit [IV], Pflanzen, Tiere und Ökosysteme begrenzt. Wie so oft bei Verhandlungen zu internationalen Verträgen standen sich jedoch auch hier Positionen und Interessen gegenüber, die nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen sind. Und so war diese „INC-5.2“ genannte und nun beendete Verhandlungsrunde bereits die sechste [V], ursprünglich waren lediglich fünf Runden angesetzt.
Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Das Scheitern der Verhandlungen, selbst in der Verlängerung von INC-5.2, ist eine ökologische Katastrophe, da es ohne einen geeigneten globalen Rahmen nicht dazu kommen wird, Investitionen in Richtung einer nachhaltigeren Nutzung von Plastik zu lenken. Stattdessen werden wir den prognostizierten Anstieg der Produktionsmengen und damit auch der Abfallmengen sehen, mit denen auch ein verbessertes Recycling nicht Schritt halten können wird. Selbst weiten Teilen der Chemie- und Kunststoffindustrie ist bewusst, dass ein ‚Weiter so‘ kein tragfähiges Geschäftsmodell sein kann: Der Vertrag wäre notwendig gewesen, um die finanziellen Aufwendungen für die Transformation in Richtung zirkulärem Plastik zumindest halbwegs fair zu verteilen – und daran auch die Industrie zu beteiligen. Das krachende Scheitern der Verhandlungen ist jetzt aber das klare Signal, dass es für private Investitionen keine wirkliche Planungssicherheit geben wird – wir sind zurück in einer Situation, in der jeder darauf wartet, dass andere den ersten Schritt tun.“
Gründe für das Verhandlungsende ohne Vertrag
„Der notwendige ‚packagage deal‘ ist leider nicht gelungen: Obwohl sich die ganz überwiegende Mehrheit der Staaten immer wieder für ein ambitioniertes Abkommen eingesetzt hat, sind die Verhandlungen an den Egoismen einiger weniger Staaten gescheitert, die vor allem ihre Chemie- und Kunststoffindustrie schützen wollten. Das Scheitern war in dem Moment absehbar, als sich auch die USA klar gegen ein Abkommen positioniert haben, das über besseres Abfallmanagement hinaus gehen würde. Im aktuellen geopolitischen Kontext wäre ein erfolgreiches Plastikabkommen auf UN-Ebene nur vorstellbar gewesen, wenn diesen wenigen Ländern eine Zustimmung ‚abgekauft‘ worden wäre – speziell die europäische Delegation wollte sich hier aber erkennbar nicht erpressen lassen. Diese Erkenntnis beschränkt sich aber nicht nur auf das Plastikabkommen: Wenn selbst bei einem Thema, bei dem jeder die Katastrophe kommen sieht, keine Einigung möglich ist, wie sollen dann überhaupt noch multilaterale Verhandlungen möglich sein?“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Es wird jetzt zentral darauf ankommen, Leitmärkte für eine zirkuläre Nutzung von Plastik und dabei insbesondere den Einsatz recycelter Kunststoffe zu schaffen. Aktuell ist das häufig noch teurer als der Einsatz von neuem Plastik – das könnte sich aber ändern, wenn die gesamte Recyclingkette ähnlich effizient funktionieren würde wie in der chemischen Industrie. Ein wichtiger Ansatz sind Mindestrezyklatquoten, wie sie auch in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bundesregierung angekündigt wurden: Sobald Plastikabfall zu einem Wirtschaftsgut wird, weil man ihn braucht, um zukünftig noch Produkte auf dem EU-Markt verkaufen zu können, werden zirkuläres Produktdesign, KI-gestützte Sortierung oder auch eine Verringerung der Materialvielfalt zu selbsttragenden Geschäftsmodellen. Die Bundesregierung könnte hier ein Signal setzen und jetzt doch möglichst schnell ökologisch differenzierte Lizenzentgelte für Verpackungen in das Verpackungsgesetz aufnehmen: Wer sinnvolle Verpackungen auf den Markt bringt, zahlt weniger als derjenige, dessen Verpackung eigentlich nur verbrannt werden kann.“
Meeresökologin, Senior Research Fellow in der Sektion Tiefsee-Ökologie und -Technologie, Fachbereich Biowissenschaften, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven, war vor Ort in Genf
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Der neueste Entwurf des Vorsitzenden enthält zwar einige Verbesserungen gegenüber dem gestrigen Entwurf, doch er setzt die von vielen Unternehmen geforderten klaren, globalen Verpflichtungen in Bezug auf Ausstiegsstrategien, Produktdesign und erweiterte Herstellerverantwortung nicht um. Dies könnte zu einer Fragmentierung der nationalen Politik führen und die wirtschaftlichen Vorteile einer harmonisierten Regulierung beeinträchtigen. An vielen Stellen ist der Text schwach formuliert, was dem rechtsverbindlichen Mandat der UN-Umweltversammlung von 2022 nicht gerecht wird.“
„Erfahrene Verhandler:innen haben von Anfang an gesagt, dass der Zeitrahmen ambitioniert ist. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass es auch im sechsten Anlauf noch zu keiner Einigung kam. Allerdings zeichnet sich ab, dass etwa 130 Länder Maßnahmen unterstützen würden, was eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen bildet.“
„Allerdings sollten die progressiven Länder die Zeit bis zur nächsten Verhandlungsrunde gut nutzen, um Bande zu schmieden und sich strategisch besser aufzustellen, um wirklich ein wirksames Abkommen zu bekommen. Auch in der Zeit zwischen den Verhandlungen könnte mit Diplomatie viel erreicht und zeitgemäßere Formate für Gespräche gefunden werden.“
Gründe für das Verhandlungsende ohne Vertrag
„Die geopolitische Lage erschwert internationale Einigungen. Hinzu kommt der zunehmende Druck auf die öl- und gasproduzierenden Länder: Da künftig weniger fossile Brennstoffe verbrannt werden dürfen, um die Pariser Klimaziele einzuhalten, sollen diese vermehrt als Rohstoff für Kunststoffe eingesetzt werden. Diesen Plan B werden sie verständlicherweise nicht kampflos aufgeben, auch wenn dies die Klimakrise weiter befeuern und zulasten der Umwelt und unserer Gesundheit gehen wird.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Momentan zeichnet sich offensichtlich noch kein Appetit für eine ‚Koalition der Willigen' ab, die außerhalb des UN-Prozesses ein eigenes ambitioniertes Abkommen auf den Weg bringt. Wir werden sehen, ob sich das in Zukunft ändern wird, wenn sich auch in einer weiteren Verhandlungsrunde vielleicht nichts bewegt.“
„Auch in den Verhandlungen zum Landminen-Abkommen – dem Ottawa Treaty – konnte kein Konsens erzielt werden. Die vertragswilligen Parteien setzten die Verhandlungen außerhalb des UN-Prozesses fort und kamen zu einer Einigung. Kurz darauf traten auch die wenigen vertragsunwilligen Länder wie die USA und Russland bei. Etwas in der Art könnte auch hier in Gang gesetzt werden, wobei das Thema Plastik natürlich viel vielschichtiger und komplizierter ist. Abgesehen davon müssen sich die Mitgliedstaaten überlegen, wann sie das Thema ausverhandelt haben und mehrheitlich statt im Konsens entscheiden. Das könnte auch den Verhandlungen selbst zugutekommen. Denn natürlich verhandeln Parteien anders, wenn nicht einfach ein Veto eingelegt werden kann, sondern mehrheitlich entschieden wird. So können Kompromisse erreicht werden.“
Assistenzprofessorin für Ocean Sustainability, Governance & Management, World Maritime University, Malmö, Schweden, war als Beobachterin vor Ort in Genf, Schweden
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Das vorläufige Scheitern der Verhandlungen ist ein Rückschlag für die internationale Umweltpolitik – insbesondere angesichts der wissenschaftlich eindeutig belegten Dringlichkeit. Trotz jahrelanger Vorarbeit, breiter Datenlage und technischer Lösungsansätze konnte kein verbindlicher Konsens erzielt werden. Diese Entwicklung verdeutlicht die wachsende Kluft zwischen wissenschaftlicher Evidenz und geopolitischer Handlungsfähigkeit. Es bleibt zu hoffen, dass die inhaltlichen Fortschritte der letzten Jahre nicht verloren gehen, sondern in anderen Formaten oder in einem weiteren Treffen des Verhandlungskomitees weiterverfolgt werden.“
„Trotz des ausgebliebenen Durchbruchs haben die Verhandlungen eine bemerkenswerte internationale Mobilisierung ermöglicht. Die Convening Power (Fähigkeit, verschiedene Parteien zusammenzubringen; Anm. d. Red.) dieses Prozesses hat starke wissenschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Netzwerke geschaffen, die weit über den Verhandlungstisch hinaus wirken. Diese Allianzen bieten eine wertvolle Grundlage, um künftig noch koordinierter und wirksamer gegen Plastikverschmutzung vorzugehen. Solche Strukturen sind essenziell, um langfristig kohärente Lösungen zu entwickeln – unabhängig vom formalen Ausgang einzelner Vertragsprozesse.“
Gründe für das Verhandlungsende ohne Vertrag
„Internationale Verhandlungen zu komplexen Umweltproblemen benötigen mehr als wissenschaftliche Klarheit – sie brauchen Vertrauen, faire Beteiligung und politisch tragfähige Kompromisse. Differenzierte Verpflichtungen, wirtschaftliche Anreize und sektorale Übergangsstrategien könnten dazu beitragen, Blockaden zu überwinden. Auch eine stärkere Rolle informeller Allianzen innerhalb der Verhandlungen kann Fortschritte ermöglichen. Entscheidend ist ein transparenter, inklusiver Prozess, der das gemeinsame Interesse in den Vordergrund stellt.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Auch ohne einen internationalen Vertrag bestehen vielfältige Möglichkeiten, das Plastikproblem global zu adressieren. Staaten, die bereit sind, ambitioniert voranzugehen, können Standards setzen, Märkte beeinflussen und damit eine Vorreiterrolle einnehmen. Durch freiwillige Initiativen, regionale Bündnisse und sektorale Regulierung könnten sich wirksame Hebel in Bewegung setzen – die ersetzen allerdings keine globalen Lösungen. Die wissenschaftliche Begleitung solcher Ansätze kann helfen, Wirkung und Übertragbarkeit sicherzustellen. Diese Dynamiken können später die Grundlage für neue multilaterale Prozesse bilden.“
„In konsensbasierten Verhandlungsprozessen können einzelne Staaten Blockaden verursachen – ein bekanntes Muster der internationalen Umweltpolitik. Dennoch existieren rechtliche und politische Spielräume: Freiwillige Vereinbarungen, Soft-Law-Instrumente oder plurilaterale Abkommen können Fortschritte ermöglichen, auch wenn nicht alle mitziehen. Staaten, die bislang blockieren, könnten über gezielte Anreize wie Technologietransfer, finanzielle Unterstützung oder politische Partnerschaften eingebunden werden. Ein langfristiges Ziel sollte bleiben, Blockierer in konstruktive Prozesse zu integrieren, ohne den Fortschritt der Gesamtgemeinschaft zu gefährden.“
Wissenschaftlicher Geschäftsführer, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung GmbH (ZMT), Bremen
Weiteres Vorgehen nach Verhandlungsabschluss
„Wichtig ist jetzt eine Verständigung mit China und Indonesien als Hauptproduzenten von Plastik und Plastikabfällen und als Länder mit langen verschmutzten Küstenlinien. Beide haben hohe Ambitionen signalisiert und betreiben eine engagierte Politik. Mit der EU und anderen der ‚High Ambition Coalition’ wäre das eine Mehrheit, die den Vertrag in Kraft treten lassen könnte und wirksam wäre.“
Leiterin des Departments Exposure Science, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, war als unabhängige Beraterin vor Ort in Genf
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„In eine weitere Verhandlungsrunde zu gehen, ist aus meiner Sicht eine bessere Lösung als ein schwaches, wirkungsloses Abkommen oder das vollständige Scheitern des Prozesses. Für ein grenzüberschreitendes Problem wie die Verschmutzung durch Plastik und die darin enthaltenen Chemikalien – das Prognosen zufolge weiterhin rapide zunimmt, wenn es nicht gestoppt wird – braucht es eine globale Regelung. In Genf hat es zuletzt offen in einem neuen Verfahren deutliche Fortschritte gegeben, da über Inhalte gesprochen wurde. Die Zeit hat wieder nicht gereicht, aber ein starres, schwaches Abkommen, das nicht wachsen und dem Stand der Wissenschaft angepasst werden kann, wäre keine gute Lösung gewesen. Nun braucht es neue Ansätze, um im neu aufgenommenen Verfahren INC-5.3 zum Abschluss zu kommen.“
„Die geopolitischen Bedingungen machen Einigungen zukünftig vermutlich nicht einfacher, aber auch die fortschreitende Plastikverschmutzung erfordert, dass die Weltgemeinschaft so bald wie möglich ins Handeln kommt. Wir müssen verhindern, dass immer mehr Plastik in immer größeren Mengen in die Umwelt gelangt, denn es ist langlebig, aber nicht unveränderlich. Über die Zeit werden durch Verwitterung kleine Partikel, das sogenannte Mikro- und noch kleinere Nanoplastik abgeschieden, und im Plastik enthaltene Chemikalien an die Umgebung abgegeben. Das geschieht schon mit dem jetzt irreversibel in der Umwelt befindlichen Plastik, und wir müssen baldmöglich verhindern, dass mehr hinzukommt.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Da die Verschmutzung mit Plastik und den zugehörigen Chemikalien von globalem Transport und Handel abhängt und nicht an Ländergrenzen Halt macht, sehe ich ein globales Abkommen als unabkömmlich an. Vorstellbar wäre, dass man einen weltweit gültigen Sockel für alle Mitgliedsstaaten festlegt, und diesen durch optionale zusätzliche Maßnahmen ergänzt, die den Ansprüchen der ambitionierteren Staaten – immerhin deutlich mehr als 100 an der Zahl – entsprechen. Das würde auch einen Flickenteppich verhindern, der aus nationalen und regionalen Maßnahmen entstehen und Innovation und Planungssicherheit für die Industrie behindern würde. Ein solches zweistufiges Verfahren könnte zielführend sein.“
„Für globale Umweltprobleme wie die dreifache planetare Krise (Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung; Anm. d. Red.) sind aus meiner Sicht nur weltweit gültige Regelungen zielführend. Man sollte aber das Gesamtkonstrukt in einem flexibleren Rahmen verhandeln, statt sich isoliert in Einzelaspekte zu vertiefen, also das ‚Gesamtpaket‘ betrachten. Dies ist in Genf erst kurz vor Ablauf der Zeit erfolgt, sollte aber unbedingt in einer zukünftigen Verhandlungsrunde früh berücksichtigt werden, um eine Einigung zu ermöglichen. Zudem könnte ein modulares Abkommen globale Mindestanforderungen sichern und auch die hohen Ambitionen anderer Mitgliedsstaaten fördern. Deren Innovationskraft kann im Anschluss auch anderen Staaten nutzen.“
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS), Universität Greifswald, und Referentin beim Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Der Ausgang der Verhandlungen – zum jetzigen Zeitpunkt voraussichtlich ohne verbindliches Abkommen – ist auch vor dem Hintergrund tragisch, dass die Verhandlungen zur Eindämmung der Plastikverschmutzung nicht isoliert von Bemühungen um den Schutz unserer Lebensgrundlagen in anderen internationalen Verhandlungsforen betrachtet werden können. So wurden etwa auf der UN-Ozeankonferenz in Nizza im Juni dieses Jahres, die der Umsetzung des UN-Nachhaltigkeitsziels 14 ‚Leben unter Wasser‘ diente, von einigen Staaten große Hoffnungen in die Verhandlungen um ein verbindliches Plastikabkommen gesetzt. Der Schutz der Meere und der gesamten terrestrischen Umwelt ist ohne eine Verhinderung weiterer Plastikverschmutzung nicht zu erreichen. Das Scheitern der Verhandlungen bedeutet zunächst, dass weiter international unreguliert Plastik produziert wird und in die Umwelt gelangt. Ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen wäre wichtig gewesen, um den Willen der Staaten zu erkennen, die dreifache planetare Krise – Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung – insgesamt zu adressieren.“
„Selbst bei einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, der zu einer Einigung über die Verringerung der Herstellung von Plastikprodukten geführt hätte, wäre es noch ein langer Weg bis zur Ratifizierung durch die Vertragsstaaten und das daran geknüpfte Inkrafttreten des Abkommens gewesen. Über den Zeitraum und die Anzahl der notwendigen Ratifizierungen war man sich bis zuletzt auch uneinig. Und bis dann verbindliche Vorgaben umgesetzt werden, vergeht viel Zeit. Ein Abkommen als solches hätte also womöglich ohnehin keine schnelle Trendumkehr geschaffen, was die Produktion von Plastik und die Verschmutzung unserer Umwelt durch Plastikprodukte betrifft – aber es wäre international ein wichtiges Signal gewesen. Solch ein internationales Signal wäre gerade zu einer Zeit wichtig, in der mit der Umsetzung des globalen Biodiversitätsrahmens, dem UN-Hochseeschutzabkommen und dem Klima-Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vielleicht hinsichtlich des Schutzes unserer Lebensgrundlagen ein Momentum gegeben ist, das der Schwächung des Multilateralismus in anderen Bereichen etwas entgegenzusetzen vermag.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Die Stärke von multilateralen Umweltabkommen unter dem Dach der Vereinten Nationen liegt gerade in ihrem quasi universellen Geltungsanspruch, auf den sich die globale Staatengemeinschaft geeinigt hat. Das heißt aber nicht, dass sich nicht einzelne Staaten oder Staatengemeinschaften als ‚Allianz der Willigen‘ auf Beschränkungen, etwa der Produktion von Plastikartikeln, einigen können und damit gegebenenfalls eine Zugkraft schaffen. Denkbar sind auch regional verbindliche Vereinbarungen, die Vorgaben für den jeweiligen Wirtschaftsraum schaffen. Ein Beispiel hierfür wäre die auf EU-Ebene 2019 verabschiedete Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt, die es seit 2021 verbietet, Einwegplastikartikel weiter in Verkehr zu bringen.“
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Australian National Center for Ocean Resources and Security (ANCORS), University of Wollongong, Australien
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Die formellen Verhandlungen zogen sich über drei Jahre, aber viel Arbeit wurde bereits davor geleistet. WissenschaftlerInnen und ExpertInnen aus aller Welt haben kontinuierlich zu diesem Prozess beigetragen und viele Ideen und Ansätze wurden über die letzten Jahre hervorgebracht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ein Vertragstext nicht auf Zustimmung gestoßen ist, in dem einige Aspekte fehlten, die für viele Staaten einen wichtigen Bestandteil darstellten.“
„Ein Aufschieben des Abschlusses der Verhandlungen war in diesem Fall notwendig, denn einerseits stellt ein globales Abkommen eine Möglichkeit für ein robustes Regelwerk in der Zukunft dar, aber im Gegensatz dazu kann ein schwaches Abkommen juristische Schlupflöcher schaffen und somit nicht-nachhaltige Praktiken legalisieren.“
Bedeutung eines internationalen Abkommens
„Der Mehrwert dieses Abkommens liegt nicht allein darin, nationale Bemühungen anzukurbeln – dafür braucht es keinen globalen Vertrag. Der Mehrwert liegt vielmehr darin, sich auf internationale Regeln zu einigen, um dieses Problem anzugehen – dies erfordert einen adäquaten Umfang des Vertrags, auf welchen WissenschaftlerInnen schon seit vor Beginn der Verhandlungen hinweisen: Dieser Vertrag sollte alle Phasen des Lebenszyklus von Plastik adressieren.“
„Der Erfolg eines Abkommens sollte nicht durch den Abschluss der Verhandlungen definiert werden, sondern vielmehr dadurch, dass das Problem aufgrund dessen die Verhandlungen stattfanden gelöst wird. Um das zu tun, müssen gewisse Parameter im Vertragstext festgeschrieben sein – die Wichtigkeit der Formulierungen im Vertragstext internationaler Abkommen sollte also nicht unterschätzt werden. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass Verhandlungen langsam voranschreiten und nicht selten zusätzliche Verhandlungsrunden benötigen, um das erwünschte Ziel zu erreichen.“
„Das Hauptziel bei der Ausarbeitung eines Vertrags ist es, sicherzustellen, dass Staaten Anreize haben, diesem beizutreten und dessen Ziele einzuhalten, während sie gleichzeitig ihr Verhalten in die beabsichtigte Richtung verändern. Erfolg eines globalen Abkommens ist daher auch maßgeblich abhängig vom Design des Vertrags.“
Gestaltung eines möglichen Vertrags
„Meine Forschung identifizierte sieben Gestaltungselemente, die bei der Ausarbeitung eines erfolgreichen globalen Plastikabkommens berücksichtigt werden müssten: erstens das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten, zweitens einen angemessenen Umfang zur Problembewältigung, drittens die Verknüpfung mit dem internationalen Plastikhandel, viertens einen finanziellen Mechanismus zur Unterstützung von Entwicklungsländern, fünftens die Flexibilität zur Anpassung an Veränderungen, sechstens effektive Berichts-, Überwachungs- und Überprüfungsverfahren und siebtens die Durchsetzung durch Anreize zur Einhaltung und Abschreckung vor Nichteinhaltung.“
„Wertvolle Erfahrungen aus den letzten Verhandlungsrunden sollten eine Basis für weitere Diskussionen bilden. Allerdings können auch Lehren aus anderen Verhandlungen auf internationaler Ebene gezogen werden. Obwohl sich die Themen unterscheiden, kann man viele Parallelen zwischen internationalen Verhandlungen erkennen – wie zum Beispiel zu den 2023 erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen zur Meeresbiodiversität (BBNJ).“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Zusätzliche Bemühungen und Verpflichtungen auf nationaler Ebene, sowie Verträge zwischen ‚ambitionierten‘ Staaten auf bi- oder multilateraler Ebene sind generell sinnvolle Ansätze, wie dem Problem der Plastikverschmutzung entgegengewirkt werden kann. Diese sind auch bei Existenz eines globalen Abkommens zu begrüßen. Ich würde dies allerdings gerne eher vorsichtig formulieren, denn diese Ansätze stellen keine Alternative zu einem globalen Plastikabkommen dar. Das Problem der Plastikverschmutzung lässt sich nicht ausschließlich auf lokaler Ebene oder zwischen einzelnen Akteuren beheben, da die Herstellung, Verarbeitung, Konsum und Entsorgung von Kunstoffen und deren Produkten geografisch weit verstreut sind. Dieses globale Problem erfordert demnach einen globalen Lösungsansatz.“
Voraussetzungen für ein faires Abkommen
„Internationale Abkommen funktionieren nur dann, wenn sich alle Parteien im Vertragstext wiederfinden. Es ist wichtig, dass der Prozess und das Ergebnis der Verhandlungen von allen Parteien als fair empfunden werden. Hierbei ist es wichtig, auf spezielle Situationen der Länder und deren Kulturen einzugehen und historische Ungerechtigkeiten nicht unbeachtet zu lassen.“
„Länder, die am meisten unter den Folgen der Plastikverschmutzung leiden, sind nicht die, in denen sich Produktion oder Konsum konzentrieren. Auch verschiedene finanzielle Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen dürfen bei einer Verhandlung eines gerechten Abkommens nicht außer Acht gelassen werden.“
Senior Fellow und Koordinatorin der Arbeitsgruppe Plastik, Ecologic Institute, Berlin
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Die Verhandlungen sind noch nicht zu Ende, sondern es ist ein Zwischenstand. Es war klar, dass die Verhandlungen nicht einfach werden. Beim Abschlussplenum hat man deutlich gesehen, dass die Luft für diese Runde raus ist. Die Länder der High Ambition Coalition müssen sich jetzt sammeln und auf das Wesentliche konzentrieren.“
„Kein Abkommen ist besser als ein unzureichendes Abkommen. Ein Abkommen ohne die zentralen Punkte wäre wie eine Rettungsweste ohne Luft darin: Vielleicht gut gemeint, aber keine Lösung für das gesamte Problem.“
Gründe für das Verhandlungsende ohne Vertrag
„Wir haben bei dieser Verhandlungsrunde gesehen, dass nicht von allen Seiten gleichermaßen Kompromissbereitschaft besteht. Wenn immer nur eine Seite nachgibt, ist es kein Kompromiss mehr, sondern dann ergibt man sich, wie es der Verhandler aus Panama ausdrückte. Es gibt im UN-System die Möglichkeit, nach Zweidrittelmehrheit zu entscheiden, wenn alle Möglichkeiten, einen Konsens zu finden, ausgeschöpft sind. Hier braucht es jetzt Durchhaltevermögen und Mut derjenigen Staaten, die ein ambitioniertes Abkommen wollen – und das ist die Mehrheit. Wichtig ist jetzt, dass die nächste Runde bald stattfindet und nicht mit so einem großen Abstand wie zwischen INC-5.1 und INC-5.2 – aber natürlich muss auch alles erst noch organisiert werden.“
Fachbereichsleiter Industrie und Produkte, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
Kunststoff als globales Problem
„Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sehen wir einen starken Anstieg der Kunststoffproduktion. In Europa war diese Entwicklung über Jahrzehnte eng an steigende Wirtschaftsleistungen gekoppelt: mehr Produkte und mehr Verpackungen.
Seit der Jahrtausendwende wächst der Bedarf an Kunststoffen auch in vielen anderen Weltregionen deutlich – getrieben von mehr oder weniger identischen Faktoren. Um global zu einer Reduzierung zu kommen, muss es zukünftig stärker gelingen, Wirtschaftswachstum und Wohlstand vom Kunststoffkonsum zu entkoppeln.“
„Ein besonderes Problem stellen kurzlebige Kunststoffprodukte dar, allen voran Verpackungen. Die Lösungen sind seit Langem bekannt und weltweit im Kern ähnlich: Erstens Verpackungen vermeiden, wo immer möglich, zweitens Materialeinsatz minimieren, drittens Verpackungen wiederverwenden und viertens konsequentes Sammeln und Verwerten, wobei das Material schnell in den Kreislauf zurückgeführt werden muss. Nur so lässt sich der Bedarf an Neumaterial wirksam senken. Reines Sammeln und Verwerten reicht nicht – Vermeidung, Wiederverwendung und geschlossene Kreisläufe sind die Schlüssel für einen zeitgemäßen Umgang mit Kunststoffverpackungen.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Das globale Abkommen hätte diese bekannten Grundprinzipien auf einer höheren, supranationalen Ebene verankern können. Selbst ohne verbindliche Regeln wäre es ein wichtiger Orientierungsrahmen für nationale Gesetzgebungen gewesen.
Nun liegt es an den einzelnen Staaten – und ebenso an Unternehmen –, aus eigener Motivation zu handeln. Sei es, weil sie Verantwortung übernehmen wollen, oder weil sie tagtäglich mit den Umweltauswirkungen konfrontiert sind.“
„Folgendes ist meiner Ansicht nach jetzt zu tun. Erstens: Zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützen, um Regierungen in die Verantwortung zu bringen. Zweitens: Global agierende Unternehmen kritisch begleiten und darauf achten, ob sie in verschiedenen Weltregionen unterschiedlich mit dem Thema Kunststoff und Verpackungen umgehen, und dies mit Konsumentscheidungen beeinflussen. Drittens: Wissenschaftliche Aufklärung fördern, um zu verdeutlichen, dass das Kunststoffproblem die gesamte Wertschöpfungskette betrifft.“
„Einzelne Maßnahmen – etwa der Ersatz fossiler Rohstoffe durch biobasierte oder synthetische Alternativen oder die Einführung teilweiser Kreislaufwirtschaft – werden das Problem nicht vollständig lösen. Es braucht ein integriertes Maßnahmenkonzept, das vorrangig auf Vermeidung und Reduktion setzt. Alles, was dann noch an Produkten und Verpackungen übrig bleibt, muss konsequent im Kreislauf geführt werden.“
Leiterin der Departments Umweltpolitik, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, und Professorin für Umweltpolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Gründe für das Verhandlungsende ohne Vertrag
„Globale Umweltverhandlungen scheitern nicht nur an Interessen, sondern an unversöhnten Narrativen über Verantwortung, Entwicklung und Kooperation. Solange wir nicht bereit sind, diese Narrative offen zu legen und aushandlungsfähig zu machen, bleibt echte Kooperation Illusion. Wenn wir Narrative nicht nur als Spiegel politischer Interessen sehen, sondern als verhandelbare Infrastruktur für Kooperation, dann können wir künftige Prozesse anders gestalten: dialogischer, pluraler und gerechter.“
„Der Abbruch der Verhandlungen zeigt nicht nur politische Uneinigkeit – er legt tiefere tektonische Brüche in der Architektur internationaler Umwelt-Governance offen. Unsere Forschung zeigt eindrücklich, dass gemeinsame Interessen wie Ressourcenschonung, Innovationsförderung und Abfallvermeidung nicht ausreichen, wenn die zugrundeliegenden Narrative inkompatibel sind. Zwischen einem ‚Wir wollen das Gleiche‘ und einem ‚Wir meinen etwas völlig anderes‘ klafft ein politisches Vakuum.“
„Am Beispiel der Verhandlungen zur Kreislaufwirtschaft zwischen der EU und China wird deutlich, wie unterschiedlich der Pfad gedacht wird: Während die EU Kreislaufwirtschaft als Win-win-Wirtschaftsprojekt erzählt, steht für China ein Projekt der Souveränität und ökologischen Gerechtigkeit im Vordergrund – ein Abnabeln vom Westen.“
„Zukünftige globale Verhandlungen sollten sich nicht nur auf technische Harmonisierung konzentrieren. Sie brauchen Formate des gemeinsamen Erzählens – zum Beispiel über ‚co-narrating‘ oder ‚policy storytelling‘. Unterschiede im Verständnis des ‚Wozu?‘ dürfen dabei nicht geglättet, sondern sollten produktiv gemacht werden.“
„Die Forschung zeigt, dass Vertrauensprobleme wie etwa Misstrauen in Umsetzung, in Motive und in Ehrlichkeit zentrale Blockadefaktoren sind. Diese wurden nie systematisch adressiert. Es fehlt an diplomatischen Prozessen, in denen gegenseitige Verletzlichkeit, Unsicherheit und Sichtweisen zur Sprache kommen. Erfolgversprechend wäre eine dialogorientierte Verhandlungsarchitektur, die nicht auf den einen großen Wurf setzt, sondern auf modulare, plurale Formate mit regionaler Verankerung – aber mit globalem Blick. Entscheidend ist, gegenseitiges Vertrauen gezielt aufzubauen: durch gemeinsame Pilotprojekte, durch geteilte Standards, durch Kooperation auf Augenhöhe.“
„Solange das Konsensprinzip gilt, bleiben die völkerrechtlichen Hebel begrenzt. Doch Blockaden sind selten rein strategisch – oft wurzeln sie in tieferem Misstrauen und der Sorge, durch Umweltregulierung geopolitisch ins Hintertreffen zu geraten. Einbindung gelingt nicht allein über Geld, sondern über Anerkennung unterschiedlicher Entwicklungspfade, verschiedener institutioneller Logiken und historischer Erfahrungen. Kooperation braucht differenzierte, aber konvergierende Verpflichtungen – shared responsibility with contextualized implementation, wie es in der Forschung heißt.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Ein globaler Vertrag wäre ohne Zweifel ein Meilenstein – aber kein Allheilmittel. Der Blick auf Chinas ‚Waste Ban‘ zeigt, dass auch einseitige Maßnahmen als konstruktive Disruption wirken können. Sie brechen bestehende Abhängigkeiten auf, setzen Impulse, schaffen neue Handlungsräume. Eine Koalition der Willigen könnte Standards setzen, Märkte gestalten, Innovationen fördern – und so trotz politischer Blockaden global prägend werden. Entscheidend ist, dass solche Allianzen nicht bloß neue Machtzentren schaffen, sondern offen bleiben für Diversität, Verantwortungsteilung und lokale Kontexte.“
Leiter des Lehrstuhls für Ökotoxikologie und Umweltrisikobewertung, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), und assoziierter Professor am Centre for Future Chemical Risk Assessment and Management Strategies (FRAM), Universität Göteborg, Schweden
Bedeutung eines Verhandlungsabschlusses ohne Vertrag
„Am frühen Morgen des 15. August sind die Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen (INC 5.2) gescheitert. Die Positionen der ‚High Ambition‘- und der ‚like-minded‘-Staaten lagen zu weit auseinander. Ob eine weitere Verhandlungsrunde stattfindet, ist derzeit unklar.“
„Es ist schmerzhaft offensichtlich, dass die Herstellung, Verarbeitung, Nutzung und Entsorgung von Plastik erhebliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben. Auf zusätzliche Forschungsergebnisse zu warten, rechtfertigt daher kein Aufschieben politischer und gesellschaftlicher Maßnahmen. Zwar bin ich nach wie vor skeptisch, ob Mikro- und Nanoplastik nicht nur ein Mikro- oder Nanoproblem darstellen. Unstrittig sind jedoch die toxikologischen Risiken vieler kunststoffassoziierter Chemikalien, der derzeitige Mangel an adäquatem Arbeitsschutz, die fossile Basis der Kunststoffproduktion und der daraus folgende Widerspruch zu ambitionierten Klimazielen, sowie die Umweltschäden durch Makroplastik.“
Lösungsansätze für das Plastikproblem ohne Vertrag
„Es ist ebenso offensichtlich, dass wir uns aus dem Problem nicht heraus recyceln können. Dazu sind Plastikmaterialien zu komplex und das Recycling deshalb zu energieaufwendig, zu teuer oder beides. Plastikrecycling kann ein Element auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Plastikwirtschaft sein, aber nicht mehr. Erforderlich ist vielmehr eine Kombination aus Produktionsbegrenzung, abfallwirtschaftlichen Strategien mit Priorität auf Vermeidung und Zirkularität sowie einer systematischen Minimierung der Toxizität von Plastikmaterialien und -Produkten. Auch der Frage nach der Sinnhaftigkeit etlicher Plastikprodukte und -anwendungen wird man sich stellen müssen.“
„Die Analyse der Auswirkungen von Plastikproduktion und -verwendung führt schnell zu der Realisierung, dass wir es hier mit einem sogenannten ‚wicked problem‘ zu tun haben. Solche Probleme haben keine einfachen, eindeutigen und abschließend überprüfbaren Lösungen und die Wirksamkeit von Maßnahmen ist stark kontextabhängig. Gleichzeitig ist ‚Learning by Doing‘ durch schrittweises Handeln kostspielig und teilweise irreversibel. Die Parallelen zur Diskussion über Lösungsansätze zum Klimawandel sind unübersehbar.“
„Wir haben eben nicht nur die oben skizzierten negativen Auswirkungen von Plastikmaterialien. Es ist ebenso offensichtlich, dass ohne Plastikmaterialien und -produkte weder moderne Lieferketten und Infrastrukturen noch eine moderne Medizin und Lebensmittelproduktion möglich wären. Am Ende haben wir es mit einem klassischen multifaktoriellen Optimierungsproblem zu tun. Dessen Lösung ist nicht nur inhaltlich herausfordernd, sondern wird durch die verschiedenen wirtschaftlichen und zunehmend auch kulturpolitisch aufgeladenen Konflikte nicht einfacher.“
Gründe für das Verhandlungsende ohne Vertrag
„Das in vielen multilateralen Prozessen wie Plastikverhandlungen oder UN-Klimakonferenzen vorherrschende Konsensprinzip erweist sich unter diesen Bedingungen als wenig zielführend. ‚Wicked problems‘ erfordern adaptive Governance, iterative Entscheidungen und laufende Nachsteuerung, was mit starren Konsensregeln praktisch unmöglich ist. Auf internationaler Ebene mit heterogenen Staatengruppen skaliert Konsens auch nur begrenzt und Verantwortlichkeit wird intransparent. Zusätzlich leidet die Fairness, weil (Nicht-)Entscheidungen nur den kleinsten gemeinsamen Nenner repräsentieren – der eben auch gegen null gehen kann, wenn wenige Akteure eine Mehrheit blockieren. Die Kosten der Entscheidungsfindung steigen, ihre Geschwindigkeit sinkt. Angesichts komplexer planetarer Krisen mit immer deutlicheren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ist dies zunehmend inakzeptabel.“
„Ich habe in Bezug auf diese Themen keinerlei Interessenkonflikte.“
„Frau Bergmann hat Keine Interessenkonflikte. Sie ist Teil der deutschen Delegation und der ‚Scientists‘ Coalition for an Effective Plastics Treaty'. Sie tritt mit ihren Statements allerdings nicht als Sprecherin für die Delegation oder die Coalition auf.“
„Ich habe an den Verhandlungen als Beobachterin in der Delegation der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation teilgenommen und bin der Neutralität verpflichtet.“
„Ich kann mich zu diesem Thema ohne Interessenkonflikte äußern.“
„Ich war vor Ort in Beratungsfunktion der deutschen Delegation, aber als unabhängige Wissenschaftlerin. Entsprechend habe ich keinen Interessenkonflikt.“
„Bei mir liegen keine Interessenkonflikte vor.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich sehe keinen Interessenkonflikt.“
„Ich sehe da keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Weiterführende Recherchequellen
Earth Negotiations Bulletin (2025): 2nd Part of the 5th Session of the Intergovernmental Negotiating Committee to Develop an International Legally Binding Instrument on Plastic Pollution, Including in the Marine Environment (INC-5.2).
ausführliche, tägliche Beschreibungen des Verhandlungsverlaufes.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Umweltprogramm der UN (15.08.2025): Chair’s Revised Text Proposal. Textvorschlag des Verhandlungsleiters vor der abschließenden Plenarsitzung. Abgerufen am 15.08.2025.
[II] UN Environment Assembly: Seventh session of the United Nations Environment Assembly (UNEA-7). Webseite. Abgerufen am 15.08.2025.
[III] Umweltprogramm der UN (29.05.2023): "A once in a planet opportunity" UNEP Chief Inger Andersen at INC-2. Abgerufen am 14.08.2025. dazugehöriges Video.
[IV] Science Media Center (2025): Gesundheitliche Auswirkungen von Mikroplastik. Press Briefing. Stand: 24.07.2025.
[V] Umweltprogramm der UN: Second Part of the Fifth Session (INC-5.2).
offizielle UNEP-Webseite zu den Verhandlungen.
[VI] Science Media Center (2024): Finale Verhandlungsrunde für ein internationales Plastikabkommen. Press Briefing. Stand: 21.11.2024.
[VII] Science Media Center (2023): UN-Plastikabkommen: Muss die Produktion gedrosselt werden? Statements. Stand: 02.06.2023.
Prof. Dr. Henning Wilts
Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe in Bezug auf diese Themen keinerlei Interessenkonflikte.“
Dr. Melanie Bergmann
Meeresökologin, Senior Research Fellow in der Sektion Tiefsee-Ökologie und -Technologie, Fachbereich Biowissenschaften, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven, war vor Ort in Genf
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Frau Bergmann hat Keine Interessenkonflikte. Sie ist Teil der deutschen Delegation und der ‚Scientists‘ Coalition for an Effective Plastics Treaty'. Sie tritt mit ihren Statements allerdings nicht als Sprecherin für die Delegation oder die Coalition auf.“
Prof. Dr. Aleke Stöfen-O'Brien
Assistenzprofessorin für Ocean Sustainability, Governance & Management, World Maritime University, Malmö, Schweden, war als Beobachterin vor Ort in Genf, Schweden
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe an den Verhandlungen als Beobachterin in der Delegation der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation teilgenommen und bin der Neutralität verpflichtet.“
Prof. Dr. Raimund Bleischwitz
Wissenschaftlicher Geschäftsführer, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung GmbH (ZMT), Bremen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich kann mich zu diesem Thema ohne Interessenkonflikte äußern.“
Prof. Dr. Annika Jahnke
Leiterin des Departments Exposure Science, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, war als unabhängige Beraterin vor Ort in Genf
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich war vor Ort in Beratungsfunktion der deutschen Delegation, aber als unabhängige Wissenschaftlerin. Entsprechend habe ich keinen Interessenkonflikt.“
Catharina Caspari
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS), Universität Greifswald, und Referentin beim Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Bei mir liegen keine Interessenkonflikte vor.“
Dr. Ina Tessnow-von Wysocki
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Australian National Center for Ocean Resources and Security (ANCORS), University of Wollongong, Australien
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Doris Knoblauch
Senior Fellow und Koordinatorin der Arbeitsgruppe Plastik, Ecologic Institute, Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Benedikt Kauertz
Fachbereichsleiter Industrie und Produkte, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich sehe keinen Interessenkonflikt.“
Prof. Dr. Sina Leipold
Leiterin der Departments Umweltpolitik, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, und Professorin für Umweltpolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich sehe da keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Thomas Backhaus
Leiter des Lehrstuhls für Ökotoxikologie und Umweltrisikobewertung, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), und assoziierter Professor am Centre for Future Chemical Risk Assessment and Management Strategies (FRAM), Universität Göteborg, Schweden