Aktuelle Belastung des Gesundheitssystems und künftige Beurteilung der Situation durch neue Indikatoren
Die Bundesregierung hat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht, die eine bundesweite Notbremse und entsprechende Maßnahmen verankern soll. Sie sollen die COVID-19-Pandemie eindämmen helfen, ohne das Gesundheitssystem zu überlasten. Die Notbremse soll demnach greifen, wenn ein Landkreis den Wert der Sieben-Tage-Inzidenz von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschreitet. Der zugehörige Gesetzentwurf [I] war am vergangenen Freitag bereits Gegenstand einer kontroversen Debatte im Bundestag [II]. Über einen Beschlussentwurf des Gesundheitsausschusses soll der Bundestag am 21.04.2021 und am 22.04.2021 anschließend der Bundesrat abstimmen.
Die geplanten Grenzwerte der regionalen Inzidenz als Indikator für Maßnahmen werden von einigen Fachleuten aus der Wissenschaft kritisiert. Die Aussagekraft der Inzidenz sei stark gekoppelt an die aktuellen Teststrategien in den Regionen und daher nicht länger geeignet, die relevante Infektionslage sinnvoll abzubilden. Gegenvorschläge verweisen auf mehrdimensionale oder gänzlich neue Indikatoren – so etwa die Anzahl an Neuaufnahmen auf den Intensivstationen in einem Zeitraum oder die Rate an positiven SARS-CoV-2-Tests. Bisher mangelt es jedoch an praktikablen Vorschlägen, welche konkreten Werte welcher Indikatoren als Äquivalent der regionalen Inzidenz einsetzbar und kurzfristig verfügbar wären. In einem aktuellen Bericht stellt die COVID-19 Data Analysis Group (CODAG) der LMU München die bestehenden Kritikpunkte an dem Entwurf scharf und präsentiert ein eigenes Schätzverfahren für einen neuen Schwellenwert, der aus regionalen Neuaufnahmen auf Intensivstationen errechnet wird [III].
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Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (13.04.2021): Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
[II] Deutscher Bundestag (16.04.2021): Heftiger Streit über neues Bevölkerungsschutzgesetz.
[III] Kauermann G et al. (16.04.2021): CODAG Bericht Nr. 13 – 16.04.2021. Siehe vor allem Kapitel 1: Neuaufnahmen auf Intensivstationen als Alternative zu den Meldeinzidenzen als gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zum Infektionsschutz.
Prof. Dr. Uta Gaidys
Professorin für Pflegewissenschaft (Ethik, Kommunikation) und Leiterin des Departments Pflege und Management, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Hamburg, und Mitglied des Wissenschaftsrat der Bundesregierung und der Länder
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.
Prof. Dr. Christian Karagiannidis
Geschäftsführender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Klinikum Köln-Merheim, und Professur für Extrakorporale Lungenersatzverfahren, Universität Witten/Herdecke, und Medizinisch-Wissenschaftlicher Leiter DIVI Intensivregister
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.
Prof. Dr. Gérard Krause
Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.
Prof. Dr. Helmut Küchenhoff
Professor am Institut für Statistik und Leiter des Statistischen Beratungslabors, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.