Bericht zur Ökonomie des Wassers
Abschlussbericht der „Global Commission on the Economics of Water“ schlägt globale Maßnahmen zum nachhaltigen Wassermanagement vor
Reformen könnten demnach Schäden durch klimabedingte Wasserknappheit verringern – besonders in ärmeren Ländern
Forschende sehen insbesondere die Methodik aber auch Empfehlungen des Berichts kritisch, betonen Bedeutung des Themas
Wie steht es um die weltweiten Wasserressourcen, und was muss geschehen, um sie nachhaltig zu bewirtschaften? Welche Kosten entstehen, wenn die Menschheit nicht handelt? Diese Fragen will die „Global Commission on the Economics of Water“ in ihrem Abschlussbericht beantworten, der am 17.10.2024 erschienen ist (siehe Primärquelle). Die Kommission wurde 2022 von der niederländischen Regierung ins Leben gerufen, mit Unterstützung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Ziel des Berichts ist es, ähnlich wie der bekannte Stern-Review zum Klimawandel [I] oder der Dasgupta-Review zur Biodiversität [II], eine Grundlage für die ökonomische Bewertung und nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen zu schaffen.
Leiter der Abteilung Pflanzenbau, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Fakultät für Agrarwissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen
Bewertung des Berichts
„Der Bericht der ‚Global Commission on the Economics of Water‘ beschreibt richtig, dass eine nachhaltigere und strategischere Nutzung unserer Wasserressourcen nötig ist, um den Wasserbedarf von Menschheit und Ökosystemen langfristig zu sichern. Er beschreibt auch richtig, dass Wassermanagement auf allen Skalen und damit weit über Einzugsgebietsgrenzen hinaus erfolgen muss. Dennoch hat der Bericht erhebliche Defizite in der verwendeten Methodik, die zu Fehlinterpretationen und falschen Schlussfolgerungen führen können.“
„Üblicherweise werden Studien, wie jene hier besprochene, vor der Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Begutachtung unterzogen. Die von mir im folgenden genannten Kritikpunkte wären sicherlich auch den meisten anderen Experten aufgefallen und hätten vor der Veröffentlichung korrigiert oder klargestellt werden können. Warum dies hier offensichtlich nicht erfolgt, kann ich wirklich nicht verstehen.“
Wasserknappheit
„Die Wasserknappheitsanalysen für blaues und grünes Wasser (Abbildungen 2.4 bis 2.6) berücksichtigen nur lokale Wasserressourcen und sind somit nicht mehr zeitgemäß. Dicht besiedelte Gebiete in Westdeutschland, in den Niederlanden sowie im Osten Englands werden in die Kategorie mit höchster Wasserknappheit eingestuft, obwohl die vielen Millionen Menschen, die dort leben, von der angeblichen Wasserknappheit bislang wenig mitbekommen haben. Gründe für die realitätsfernen Ergebnisse der Analyse sind Wassertransfers über große Entfernungen und die Handelsströme. So wird Trinkwasser über hunderte Kilometer aus der Eifel und dem Bergischen Land in die Ballungsräume um Köln und Düsseldorf transportiert. Die meisten Güter wie Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter, die in dieser Region konsumiert werden, werden weit weg in Regionen mit ausreichender Wasserverfügbarkeit produziert und über Handel und eine weit entwickelte Transportinfrastruktur zu den Konsumenten gebracht – sogenannte virtuelle Wasserströme. Obwohl die Wasserverfügbarkeit bezogen auf die Bevölkerungszahl in der Region gering ist, sind die Menschen von Wasserknappheit wenig betroffen. In manchen Gegenden der Welt, zum Beispiel einigen Städten im Westen der USA, beträgt die lokale Wasserverfügbarkeit – berechnet nach der im Anhang skizzierten Methodik – sogar null Kubikmeter pro Kopf und Jahr. Trotzdem können dort Menschen gut leben.“
„Daraus sollten wir lernen, dass nicht Klimawandel und die behaupteten Austrocknungstendenzen die größte Gefahr für die Wasserversorgung der Bevölkerung darstellen, sondern ein potenzielles Versagen der Wassernutzungsinfrastruktur – zum Beispiel durch fehlende Investitionen in Erhalt und Modernisierung des Wasser- und Abwassernetzes – oder Einschränkungen des Handels – zum Beispiel durch politische Embargos oder havarierte Schiffe im Suezkanal. Dann wären die Menschen gezwungen, mit lokal verfügbaren natürlichen Ressourcen an Boden, Wasser und Sonnenenergie auszukommen. In der wissenschaftlichen Literatur besteht Einigkeit, dass dies in der heutigen Zeit weitgehend unmöglich ist. Das zeigt etwa eine Studie zum Potenzial lokaler Nahrungsmittelerzeugung mit Fokus auf Wasserressourcenverfügbarkeit, an der ich selbst beteiligt war [1].“
Ökonomie des Wassers
„Die ökonomische Betrachtung der Wassernutzung verlangt eine Unterscheidung in Regenwasser, dass in seiner Nutzung kostenlos ist, und Trink- und Brauchwasser. Bei der Bereitstellung und Verteilung von Trink- und Brauchwasser entstehen Kosten, die entweder vom Nutzer oder über Subventionen von der Allgemeinheit bezahlt werden. Das in dieser Studie verwendete Konzept von blauem (Wasser in Seen, Flüssen und Grundwasser), grünem oder grauem Wasser verwischt diesen wichtigen Unterschied.“
„Ein Landwirt, der Bewässerung betreibt, hat in seinem Boden sowohl kostenlos bereitgestelltes Regenwasser als auch Bewässerungswasser, für das Kosten anfallen. In dieser Studie wird beides als ‚grünes Wasser‘ vermischt. Zudem gibt es an vielen Stellen des Wasserkreislaufes Umwandlungen von blau nach grün oder grün nach blau. Appliziertes blaues Bewässerungswasser wird grün, sobald es den Boden erreicht. Wenn dieses Wasser im Boden in das Grundwasser versickert, wird es wieder blau. Das von den Pflanzen verdunstete grüne Wasser wird zunächst als Feuchtigkeit in der Luft gespeichert, in der Atmosphäre transportiert, und über Wolkenbildung wieder zu blauem Wasser. Diese ständigen Vermischungen und Konvertierungen in diesem Konzept machen in der Praxis eine ökonomische Analyse der Wassernutzung sowie eine Erhebung des Wertes der Wasserressourcen fast unmöglich.“
Empfehlungen der Kommission
„In der Wissenschaft besteht weitgehend Einigkeit, dass zur Entwicklung von Konzepten der nachhaltigen Ressourcennutzung alle Ressourcen gleichermaßen betrachtet werden müssen. Eine isolierte Betrachtung der Ressource Wasser hilft hier nicht weiter. Jede Maßnahme zur Verbesserung der Wassernutzung muss in ihrer Auswirkung auf andere Ressourcen wie Landnutzung, Energienutzung, Biodiversität, Nährstoffnutzung und so weiter überprüft werden. Sonst können unerwünschte Nebenwirkungen – trade-offs – auftreten, die jeglichen positiven Effekt zu Nichte machen. Ein Beispiel ist die im Bericht empfohlene, eigentlich positive Einsparung von Bewässerungswasser durch effiziente Tropfberegnung oder Anbau in Gewächshäusern. Hier wird Wasser gespart aber gleichzeitig große Mengen an Plastikmüll produziert. Mit der Lösung eines Problems wird ein anderes geschaffen. Die von den Autoren vorgeschlagenen Lösungen zum Management der Wasserkrise werden scheitern, wenn sie isoliert von anderen Problemen betrachtet werden.“
„Die vorgeschlagenen Lösungen und Missionen werden von den Autoren nicht priorisiert. Sie sind als zusätzlich zu dem zu betrachten, was zur Lösung anderer Krisen wie Klimawandel, Biodiversität, Hunger und so weiter gefordert wird. Ich halte nichts davon, die Öffentlichkeit durch ständig neue Forderungen in einem permanenten Alarmzustand zu halten, da Menschen dadurch leicht überfordert werden und in Inaktivität resignieren. Wichtig wäre, über Problemstellungen hinweg, eine Priorisierung nach klaren und transparenten Kriterien, zum Beispiel der Stärke einer möglichen Verbesserung einschließlich Betrachtung der Nebenwirkungen und der Frage, wie einfach etwas umsetzbar ist.“
„Bei der als Lösung vorgeschlagenen ‚angemessenen‘ Bepreisung der Wassernutzung bleiben Fragen und Unklarheiten: Soll nur blaues Wasser in Gewässern bepreist werden oder auch die Nutzung von Regenwasser zum Beispiel in Land- und Forstwirtschaft? Wer entscheidet was ‚angemessen‘ ist und wie sollen solche Preise festgelegt werden? Was passiert mit jenen, die diese Preise nicht zahlen können?“
„Soweit ich die im Bericht verwendete Methodik verstanden habe, geht die Behauptung der Pressemitteilung, dass 50 Prozent der Nahrungsmittelproduktion in Gefahr seien, von der völlig unrealistischen Annahme aus, dass landwirtschaftliche Bewässerung in Zukunft nicht mehr möglich ist (Anhang 3.2). Für eine solche Annahme gibt es keinerlei sinnvolle Erklärung. Hier wird den Leser:innen grundlos Angst gemacht und Panik verbreitet.“
Stellvertretender Institutsleiter Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Campus Alpin, Garmisch-Partenkirchen, und Lehrstuhlinhaber Regionales Klima und Hydrologie, Institut für Geographie, Universität Augsburg
Bedeutung von Wasser
„Wasser – zu viel, zu wenig oder zu schmutzig in vielen Teilen der Welt – muss die gleiche Aufmerksamkeit bekommen wie der globale Klimawandel. Die globale Erwärmung verändert den Wasserkreislauf und damit Starkregenrisiken ebenso wie Dürren und Hitzewellen. Mit einer zunehmenden Weltbevölkerung wird auch die pro Kopf verfügbare Wassermenge grundsätzlich weniger. Entsprechend kommt dem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Süßwasser eine enorme Bedeutung bei.“
Bewertung des Berichts
„Der Bericht ‚The Economics of Water‘ ist eine begrüßenswerte Initiative, aber im Bereich der Hydrologie methodisch angreifbar. Dies stellt auch die Belastbarkeit der ökonomischen Schlussfolgerungen in Frage.“
Wasserknappheit
„Die Ergebnisse haben vor der Veröffentlichung nicht das in der Wissenschaft übliche peer-review Verfahren durchlaufen. Sonst wären methodische Schwächen bestimmt erkannt worden. Exemplarisch kann das an der Abbildung 3.3. gezeigt werden. Dort werden Trends im Wasserspeicher dargestellt, die einen beschleunigten Verlust in vielen Teilen der Welt belegen sollen. Die Daten werden aus ERA5 Reanalysedaten abgeleitet.“
„Wie aus einer kurzen Analyse ersichtlich, sind die in der Abbildung 3.3 gezeigten abnehmenden Trends aus zweierlei Hinsicht nicht belastbar: Erstens unterscheidet sich der ERA5 Datensatz in seinem Verhalten deutlich von anderen Datensätzen, beim Niederschlag zum Beispiel gegenüber CRU, VASCLIMO, GPCC, ISIMIP oder MSWEP. Nimmt man den ‚Standardized Precipitation Index‘ (Einen Index, mit dem Dürre auf Basis eines Wertes für Niederschlag dargestellt und über klimatisch unterschiedliche Regionen hinweg verglichen wird; Anm. d. Red.) hat nur ERA5 einen abnehmenden Trend im globalen Niederschlag, alle anderen Datensätzen zeigen eine Zunahme. Zweitens gilt: Wenn Trends abgeleitet werden, dann muss die Sensitivität des Trends auf die insgesamte Länge der Zeitreihe untersucht sein, um die Robustheit des Trends einschätzen zu können. Dies findet hier nicht statt.“
„Studien zur globalen Hydrologie, wie die hier vorgestellte, werden von vielen Hydrologen sehr kritisch gesehen, weil hier keine wirkliche Validierung von Modellergebnissen mit den unterschiedlichsten Beobachtungen zum Beispiel an Abflussmessstellen oder Niederschlagstöpfen stattfindet. Wie gezeigt wurde [2], haben wir großskalig und global große Probleme – selbst mit der Vielfalt der mittlerweile zur Verfügung stehenden Modelle, Satelliten, interpolierten Stationsdaten oder Abflussmessungen – die Massenbilanz des Wassers auf Einzugsgebietsebene zu schließen. Es bleiben Residuen von häufig mindestens 25 Prozent des mittleren Jahresabflusses. Die Spannbreite von unterschiedlichen Reanalyse- und interpolierten Beobachtungsdatensätzen und die damit verbundenen Unsicherheiten sind spätestens seit 2012 bekannt [3]. Der Rückgang der Anzahl der Beobachtungstationen, auf denen interpolierte Beobachtungsdatensätze beruhen, macht ihre Anwendung zur Trendanalyse besonders problematisch. Entsprechend müssen zumindest immer mehrere Datensätze vergleichend berücksichtig werden, um die Verlässlichkeit einer Schlussfolgerung – wie hier zum Rückgang des totalen Wasserspeichers – belastbar zu machen. Da dies in der Studie nicht geleistet wurde, sind auch ihre Schlussfolgerungen angreifbar.“
Leiter des Themenbereiches Wasserressourcen und Umwelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Magdeburg, und Professor für Aquatische Ökosystemanalyse und Management an der Technischen Universität Dresden
Bewertung des Berichts
„Aus meiner Sicht greift der Bericht aus ökonomischer Sicht eine Perspektive auf, die in den hydrologischen und ökologischen Wissenschaften schon lange gefordert wird, nämlich das Denken in den Dimensionen des Wasserkreislaufes von der regionalen bis zur globalen Skala. Die Forderung, den Wasserkreislauf mit seinen Komponenten ‚blaues Wasser‘ und ‚grünes Wasser‘ sowie in seinen Aufteilungskomponenten Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und Versickerung beziehungsweise Grundwasserneubildung als gemeinschaftliches oder öffentliches Gut zu verstehen, ist deshalb folgerichtig und aus meiner Sicht zu begrüßen.“
„Was mir im Bericht aber zu kurz kommt, auch wenn es angesprochen wird, ist das Problem der Wasserqualität. Denn die Nutzung von Wasser für den Menschen und in seinen Auswirkungen auf den Naturhaushalt einschließlich der Biodiversität wird durch mangelnde Qualität in vielen Regionen der Welt stärker eingeschränkt als durch die Quantität.“
„Dasselbe gilt für die Ausschläge auf der anderen Seite der Skala, nämlich zu viel Wasser in zu kurzer oder zur falschen Zeit. Dabei gilt: Hochwasser gibt es aus Sicht des Naturhaushaltes eigentlich nicht. Es wird für den Menschen, die Gesellschaften und Staaten nur dadurch zum Problem, dass der Mensch seit jeher in Gebieten siedelt und wirtschaftet, vielfach immer noch mit zunehmender Intensität und Ausdehnung, die von Natur aus zeitweise überflutet werden. Dafür ist er schon immer Risiken eingegangen, die jetzt im Lichte des Klimawandels und den humanitären sowie ökonomischen Dimensionen von Hochwasser neu bewertet werden müssen. Diese Perspektive habe ich im Report nicht gefunden, möglicherweise aber auch übersehen.“
Auf die Frage nach der Qualität der ökonomischen Modellierung:
„Diese Frage kann ich nicht kompetent beantworten, auch wenn mir die wichtigsten ökonomischen Folgen plausibel erscheinen. Vermutlich sind die im Bericht genannten Kosten sogar eher konservativ, weil es nach wie vor keine mir bekannte und wissenschaftlich konsensfähige Methode gibt, die Umwelt- und Ressourcenkosten der genutzten Wasserdienstleistungen gesamthaft und vergleichbar zu ermitteln.“
Wasserknappheit
„Ich stehe dem gewählten Ansatz, die Wasserknappheit an einem absoluten Wert für die Wassermenge und einem fixen Pro-Kopf-Bedarf festzumachen, kritisch gegenüber. Entscheidend ist aus meiner Sicht vielmehr das Verhältnis zwischen dem Bedarf und dem sich aus dem Wasserkreislauf in Quantität und Qualität nachhaltig erneuernden Dargebot. In Deutschland werden beispielsweise aktuell im Mittel nur circa 11 bis 14 Prozent des sich jährlich erneuernden Wasserdargebotes genutzt. Ein international vergleichsweise geringer Wert und deutlich unterhalb der Schwelle für Wasserstress von circa 20 Prozent.“
„Es gibt deshalb meines Erachtens bessere Indikatoren, die differenzieren, wofür und wie diese Wassermengen genutzt werden – Industrie, Bergbau, Energiegewinnung, Trinkwasser und so weiter –, wieviel durch den Menschen ‚ungenutztes Wasser‘ dem Naturhaushalt verbleibt, welche Einschränkungen durch mangelnde Wasserqualität gegeben sind, wer dafür verantwortlich und wer davon betroffen ist.“
„Deshalb stehe ich auch dem Konzept des ‚virtuellen Wassers‘ kritisch gegenüber, das allein auf genutzte Wassermengen für ein Produkt abstellt. Wassernutzung ist beispielsweise regional so lange kein Problem, wie die dort für die Erzeugung oder Produktion zur Verfügung stehenden Wasserressourcen hinsichtlich Qualität und Quantität nicht übernutzt werden. Solange beispielsweise die wasserintensive Baumwolle in Regionen angebaut wird, die über genügend, sich nachhaltig regenerierende Wasserressourcen verfügen, ist das kein Problem. Wenn dafür aber ein Gewässer in den Dimensionen des Aral-Sees, der ehemals fünftgrößte See der Erde, durch Bewässerungslandwirtschaft praktisch verschwindet, sieht die Sache anders aus. Das wiederum ist aber kein ökonomisches Problem, sondern in einer ideologiegetriebenen Planwirtschaft begründet.“
„Deshalb sind absolute Zahlen oder undifferenzierte Vergleiche des ‚virtuellen Wassers‘ problematisch und können in die Irre führen.“
„Dasselbe gilt für den Terminus ‚Wasserverbrauch‘. Der ist irreführend, weil Wasser durch Nutzungen nicht ‚verbraucht‘ wird. Die Wassermenge im Wasserkreislauf bleibt gleich, es geht kein Wasser auf der Erde verloren. Sondern die Frage ist, wie es in seinen physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften verändert und damit zu ‚Abwasser‘ wird und ob seine natürlichen Aufteilungspfade – Verdunstung, Versickerung, Abfluss – verschoben werden.“
Empfehlungen der Kommission
„Mir erscheint die Forderung nach einer Bepreisung des ‚grünen Wassers‘ missverständlich und wenig realistisch. Es ist bisher nicht einmal gelungen, das besser quantifizierbare ‚blaue Wasser‘ in allen relevanten Nutzungssektoren adäquat zu bepreisen, weder innerstaatlich noch zwischenstaatlich. Wenn mit der Bepreisung aber gemeint sein sollte, dass die Beiträge der Land- und Forstwirtschaft oder die Beiträge von Schutzgebieten zur Sicherung eines nachhaltig funktionierenden natürlichen Wasserkreislaufs einen ökonomischen Wert erhalten sollten, dann wäre das innovativ.“
„So, wie ich den Bericht verstanden habe, geht es aber um die Wassernutzung in der Land- und Forstwirtschaft für die Erzeugung ihrer Güter, die einen ökonomischen Wert haben – etwa Nahrungsmittel, Holz und Rohstoffe – und für die bisher keine Gebühren oder Preise, wie in der verarbeitenden Industrie oder den Haushalten, gezahlt werden. Das greift viel zu kurz und wird kaum durchsetzbar sein, weder in Nationalstaaten, noch international.“
Zusammenhang mit Klimawandel und Biodiversität
Auf die Frage, inwiefern die Wasserkrise in eine Reihe mit Klimawandel und Biodiversität gestellt werden sollte:
„Das ist meines Erachtens mehr als gerechtfertigt und ebenso überfällig wie das Einnehmen der Perspektive ‚Wasserkreislauf‘ aus ökonomischer Sicht. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Die Lösung der Klimakrise ist sowohl auf der Vermeidungs-, noch mehr aber auf der Anpassungsseite im Wesentlichen eine Wasserfrage, egal ob es um die Treibhausgasminimierung mit ‚natural carbon capture and storage‘ in Feuchtgebieten, Mooren und Wäldern geht, die blau-grüne Städtentwicklung und so weiter, oder bei der Klimaanpassung um Dürre, Hitzewellen oder Hochwasser. Und von der Biodiversitätskrise sind die Süßgewässer überproportional betroffen, denn das Artensterben ist hier vergleichsweise größer und verläuft schneller als in den Landökosystemen oder der marinen Umwelt.“
Leiterin der Arbeitsgruppe Wasserproduktivität in der Landwirtschaft, Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB)
Bewertung des Berichts
„Der Bericht ist sinnvoll, um das weltweite Bewusstsein der Politik für ein länderübergreifendes Wassermanagement zu schärfen. Allerdings erscheint es problematisch, die vorgeschlagenen Empfehlungen mit den vorgeschlagenen Mitteln umzusetzen. Der Bericht vermischt die beiden wichtigen Ansätze Effizienz des Wassereinsatzes und Umweltwirkung des Wassereinsatzes. Er benennt nicht die Problematik, dass beide Ansätze einander benötigen, aber auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführt werden müssen: Die Umweltwirkung auf Ebene der Einzugsgebiete, die Effizienz auf Betriebsebene.“
„Zur Effizienz des Wassereinsatzes: Die Förderung wassersparender Technologien ist eine sehr gute Idee, aber die Umsetzung bedarf einer Anpassung auf Betriebsebene – nicht auf globaler Ebene. Eine sinnvolle Bewertungsmethodik verschiedener Techniken, die den Wassereinsatz auf Betriebsebene effizienter gestalten könnten, wird nicht genannt. Es werden die Ansätze ‚Wasserproduktivität‘ (Ernteertrag pro genutztem Wasser; Anm. d. Red.) und ‚Transpirationseffizienz‘ (Biomasse pro über Pflanzen verdunstetes Wasser; Anm. d. Red.) genannt, ohne eine bestimmte Vorgehensweise zur Bestimmung zu empfehlen (siehe Tabelle 2 im Appendix), was problematisch ist. Bei der Vorstellung des Indikators zur Verfügbarkeit von grünem Wasser – ‚green water availability index‘ (GWAI) – wird auf eine benötigte höhere Transpirationseffizienz hingewiesen, wenn der Indikator niedrig ist. Weiter wird auf die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung ‚sustainable development goals‘ (SDGs) verwiesen, aber zum Beispiel SDG 6.4.1 (Ziel zur effizienten Wassernutzung; Anm. d. Red.) ist dafür zu grob. Außerdem wird das Niederschlagswasser nur ansatzweise einbezogen.“
„Zur Umweltbewertung des Wassereinsatzes: Die Umweltbewertung des Wassereinsatzes erfolgt im Bericht über den Indikator zur Verfügbarkeit von blauem Wasser – ‚blue water availability indicator‘ (BWAI) –, auf Landesebene. Das ist so in Ordnung, denn der BWAI kann einem bestimmten Stressniveau zugeordnet werden.“
„Ein weiterer wichtiger Vorschlag im Bericht ist, dass die grünen Wasserströme im Wassernutzungsinventar quantifiziert werden sollten. Innerhalb einer landwirtschaftlichen Nutzung sind diese Ströme jedoch mehr oder weniger Teil des natürlichen Wasserkreislaufs und dürfen daher nicht automatisch als Wassernutzung des Systems betrachtet werden. Diese Einordnung fehlt im Bericht.“
„Schlussfolgerung: Der Bericht ist sehr interessant. Es existiert aber die hohe Gefahr einer Verunsicherung, wenn die Ergebnisse der Bewertung mit dem GWAI und dem aus GWAI und BWAI kombiniertem Indikator zur Verfügbarkeit von grünem und blauem Wasser (GBWAI) ohne die nötige Sachkenntnis öffentlich kommuniziert werden.“
Wasserknappheit
„Der Indikator BWAI ist stark vereinfacht – das kann aber als Orientierung auf dieser groben Skala sinnvoll sein. Die 1000-Kubikmeter-Grenze pro Kopf und Jahr an verfügbarem Wasser als Grenze unterhalb derer Wasser als knapp gilt, wurde ehemals von der Weltbank und anderen Analytikern als ein allgemeiner Indikator des Wassermangels anerkannt. Hier wird zudem noch ein ökologischer Faktor abgezogen, den aquatische Ökosysteme benötigen. Das sieht auf den ersten Blick gut gemacht aus.“
„Wendet man die Indikatoren beispielhaft auf Deutschland an, kommt man zu folgenden Ergebnissen:“
„Für den BWAI käme man zur Bewertung ‚kein Stress‘ (gelber Bereich nach Abbildung 2.4). Nach eigener Berechnung im Rahmen eines aktuellen Auftrags für das Jahr 2019 kommen wir auf einen Wert von 2548 Kubikmetern pro Person und Jahr an verfügbarem blauem Wasser. Bei der Verwendung des mittleren jährlichen Wasserdargebots anderer Studien kommt man auf höhere Werte von zwischen 3000 und etwas über 4000 Kubikmetern für die Durchschnittswerte der vergangenen Jahrzehnte [4] [5] [6].“
Anmerkung - der folgende Absatz wurde im Nachhinein aufgrund eines entdeckten Rechenfehlers geändert. Im folgenden steht die berichtigte Version:
„Für den GWAI käme man für Deutschland zur Bewertung ‚absoluter Mangel‘ (tiefroter Bereich nach Abbildung 2.5). Nach Berechnung für das Jahr 2019 kommen wir auf einen Wert von 471 Kubikmetern pro Person und Jahr an verfügbarem grünem Wasser [7]. Eigene Modellierungen ergeben einen Wert von 2120 Kubikmetern pro Person und Jahr an verfügbarem grünem Wasser.“
Aus Gründen der Transparenz können Sie die ursprüngliche Aussage weiterhin lesen:
„Für den GWAI käme man für Deutschland zur Bewertung ‚absoluter Mangel‘ (tiefroter Bereich nach Abbildung 2.5). Nach eigener Berechnung für das Jahr 2019 kommen wir auf einen Wert von 374 Kubikmetern pro Person und Jahr an verfügbarem grünem Wasser. Bei Verwendung der landwirtschaftlichen Transpiration einer anderen Quelle kommt man auf einen niedrigeren Wert von 83 Kubikmetern für das Jahr 2019 [7].“
„Allerdings scheint die Aussagekraft des GWAI (und deswegen auch des GBWAI) für Länder, die viele landwirtschaftlich produzierte Güter aus dem Ausland beziehen, stark eingeschränkt zu sein. Der Indikator GWAI bezieht die Verdunstung der landwirtschaftlichen Nutzung ein und bewertet dann, ob für die gesamte Bevölkerung ausreichend Wasser aus Niederschlag zur Produktion landwirtschaftlicher Güter zur Verfügung steht. Da aber beispielsweise in Deutschland viele Güter aus dem Ausland zugekauft werden, kommt auch ‚indirektes‘ Wasser zum Tragen. Dieses wird bei der Herstellung von Gütern verwendet. Im vorliegenden Bericht werden die verfügbaren Wasserressourcen unter der Prämisse bewertet, dass alles im eigenen Land produziert wird. Wenn viele Güter zugekauft werden, ist die Relevanz dieses Indikators nicht gegeben.“
„Der GWAI scheint besonders relevant für Länder, in denen ein bedeutender Anteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. In solchen Ländern ist die landwirtschaftliche Produktion oft ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft und der Ernährungssicherheit. Der Indikator kann daher wertvolle Einblicke dafür liefern, ob ausreichend Wasser für die landwirtschaftliche Produktion zur Verfügung steht, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken. Es gibt die hohe Gefahr einer Verunsicherung, wenn die Ergebnisse der Bewertung mit dem GWAI (und dem GBWAI) ohne die nötige Sachkenntnis kommuniziert werden. Die Sinnhaftigkeit des GBWAI scheint für Deutschland stark eingeschränkt, durch die Einschränkungen des GWAI.“
Empfehlungen der Kommission
„Die Missionen – ‚five critical water missions‘ – lesen sich gut, aber der Teufel sitzt wie so oft im Detail.“
„Grundsätzlich sind die Missionen okay, inklusive der Reform der Ernährungssysteme. Aber etwa auf Bauern fokussierte Lösungen (‚farmer centered solutions‘) sind eher nicht mit SDGs möglich, da zum Beispiel SDG 6.4.1 zur effizienten Wassernutzung zu grob ist und das Niederschlagswasser nur ansatzweise einbezieht. Die Förderung wassersparender Technologien ist eine löbliche Idee, doch die Umsetzung ist anspruchsvoll. Die SDGs helfen bei der Bewertung wassersparender Technologien nicht, da diese Techniken auf Betriebsebene umgesetzt werden müssen. Wir benötigen integrierte Techniken, Verfahren und Managementstrategien, um die hochdiversen landwirtschaftlichen Produktionssysteme intelligent zu vernetzen und wissensbasiert, adaptiv und weitgehend automatisiert zu steuern. Die Empfehlungen können nur nach einer einheitlichen Bewertung auf Betriebsebene erfolgen.“
„In Deutschland müssen wir also andere Bewertungen als die SDGs nutzen. Es wäre schön, wenn die Politik ein Bewusstsein dafür hätte, dass die bessere Ausnutzung des Niederschlagswassers stärker gefördert werden sollte.“
„Der Vorschlag, den Wert des grünen Wassers systematisch in Entscheidungen über Landnutzung miteinzubeziehen und so Hotspots wie Wälder, Feuchtgebiete oder Wassereinzugsgebiete besser zu schützen, ist in Ordnung.“
„Der Bericht fordert, Einflüsse von industrieller, nationaler und globaler Entwicklung auf blaues und grünes Wasser zu berücksichtigen. Es ist richtig, dass die grünen Wasserströme im Wassernutzungsinventar quantifiziert werden sollten. Innerhalb einer landwirtschaftlichen Nutzung sind diese Ströme jedoch mehr oder weniger Teil des natürlichen Wasserkreislaufs und dürfen daher nicht automatisch als Wassernutzung des Systems betrachtet werden. Man sollte nicht das gesamte grüne Wasser der landwirtschaftlichen Produktion für die Zwecke der Folgenabschätzung der Wassernutzung zurechnen [8]. Stattdessen muss davon abgezogen werden, wie viel ansonsten bei einer natürlichen Vegetation verdunstet wäre. Wenn ein landwirtschaftliches Produktionssystem im Vergleich zu einer alternativen Landnutzung zu veränderten grünen Wasserströmen führt, kann eine Bewertung der Auswirkungen des Wasserbedarfs für diesen Unterschied in Betracht gezogen werden.“
Erste Ansätze zur Erhebung des grünen Wassers in Deutschland
„Einen ersten Ansatz, das Bodenwasser in der Datenerhebung des Statistischen Bundesamts zu berücksichtigen, gibt es in der umweltökonomischen Gesamtrechnung (UGR) [7]. Darin wird im Rahmen der Wirtschaftszweige der Landwirtschaft das gesamte Bodenwasser ‚angelastet‘. Im Gegensatz dazu wird zum Beispiel der Energieversorgung, dem Verarbeitenden Gewerbe, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, der Wasserversorgung und den privaten Haushalten nur Oberflächen- und Grundwasser (und im geringem Maße Niederschlagswasser) zugeordnet. Das ist aus den folgenden Gründen kritisch zu sehen:“
„Die Methode der UGR betrachtet die Verdunstung aus Niederschlägen als Wasserbedarf für die Landwirtschaft. Sie berücksichtigt nicht, dass ein gewisser Teil des Niederschlags auch in natürlichen Ökosystemen am gleichen Ort der Evapotranspiration (Gesamtverdunstung aus Pflanzen und Böden von einer natürlich bewachsenen Bodenoberfläche; Anm. d. Red.) unterliegen würde. In der reinen oder überwiegenden Regenlandwirtschaft macht jedoch die Verdunstung aus dem Niederschlag den weitaus größten Anteil am Wasserbedarf aus. Eine Referenzwassermenge einer potenziellen natürlichen Vegetation müsste davon abgezogen werden.“
„Bei einer Bewertung des Bodenwassers als Wasserentnahme müsste in der Konsequenz die Verdunstung durch die Pflanzen und vom Boden theoretisch als Wasserrückgabe an die Umwelt einbezogen werden. Auch andere Nutzer, zum Beispiel im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten wie Golfplätzen, verwenden Bodenwasser.“
„Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist, dass die dargestellte Wassernutzung als ‚Wasserentnahme‘ bezeichnet wird. Dies passt nicht mit der genormten Definition dessen zusammen, wonach Wasserentnahme die anthropogene Entnahme von Wasser aus einem beliebigen Wasserkörper oder Einzugsgebiet, entweder dauerhaft oder zeitweise, ist [9].“
„Es ist insgesamt sehr ungünstig für die Außenwirkung der Landwirtschaft, falls die Daten der UGR ohne die nötige Sachkenntnis kommuniziert werden.“
Inhaberin des Lehrstuhls für Ingenieurhydrologie und Wasserwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
Bewertung des Berichts
„Ein Aufruf wie dieser ist nicht neu, auch wird das Rad nicht neu erfunden. Jedoch ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass unsere Frischwasserressourcen und die Verbindungen mit der Atmosphäre und Pedosphäre (Trennschicht zwischen Erdkruste und Atmosphäre, also die Böden; Anm. d. Red.) von wesentlicher Bedeutung sind. Wasser ist Leben. Die Gesellschaft, Industrie, Landwirtschaft und die Natur benötigen Wasser zum Leben und für ihren Wohlstand. Jedoch werden die komplexen Zusammenhänge nicht immer mitgedacht. Die Probleme, die zukünftig auf uns zukommen, werden leider unterschätzt. Naturkatastrophen werden häufiger auftreten und wir ändern nichts in unserem Tun und Handeln. Transformationen werden angedacht, jedoch die Wassernutzung ignoriert. Insbesondere die Fernauswirkungen werden oft übersehen. Ein Beispiel sind die Auswirkungen erneuerbarer Energien auf Wasserressourcen anderer Länder durch den Abbau von Erz für Stahl oder Lithium für Batterien.“
„Die Methodik der Modellierung ist State-of-the-art, jedoch haben die globalen Modelle keine hinreichend genaue Aussagekraft auf der Ebene der Gridzelle, also für 0,5 mal 0,5 Grad auf der Landkarte. Bei den Berechnungen auf nationaler Ebene sind für blaues Wasser vermutlich die Zuflüsse über Ländergrenzen hinweg nicht eingerechnet. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Vergleich mit vorindustriellen Bedingungen erfolgt. Der Blauwasserindex überrascht mich ein wenig und hier wird nicht deutlich, welche Gridzellwerte verwendet wurden, das heißt ob ein ‚river routing‘ (Berechnung der Auswirkungen von ‚Runoff‘ – also Wasser, dass in einer Gridzelle gebildet wird und dort in den Fluss gelangt – auf den Abfluss entlang des Flusses; Anm. d. Red) stattgefunden hat. Die Abfolge von Gridzellen stellt einen Flusslauf dar. Von Gridzelle zu Gridzelle akkumuliert sich der Abfluss. Wie die Berechnungen erfolgt sind, kann ich leider nicht sagen.“
„Die globale Perspektive des Berichts ist eine wichtige, jedoch helfen globale Zahlen nicht, die Menschen zu überzeugen. Die Zahlen sind in ihrer Größenordnung oft nicht gut zu begreifen und zu abstrakt. Zudem sind die meisten Probleme lokaler oder regionaler Natur. Für Wasserressourcen gilt das Flusseinzugsgebiet oder der Grundwasserleiter, auch Aquifer genannt, als Begrenzung für das Wassermanagement. Überregionale Wasserversorgung beziehungsweise Transfers zwischen Einzugsgebieten sind heutzutage die Lösung, um wasserknappe Regionen mit Wasser zu versorgen. Wasser wird aus Regionen mit einem Überschuss in wasserknappe Regionen transportiert. Integriertes Wasserressourcen-Management (Ganzheitliche Betrachtung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Ökosystem, auch überregional; Anm. d. Red.) ist nach wie vor ein wichtiges Instrument zur Wasserversorgung.“
Empfehlungen des Berichts
„Die Autor:innen der Studie schreiben, es gebe ein absolutes, globales Limit, wie viel Wasser sicher und nachhaltig weltweit konsumiert werden könne (‚There are absolute limits to the total amount of water that can be safely and sustainably consumed globally.‘). Ich halte globale Zahlen in diesem Kontext für nutzlos. Wasser ist eine erneuerbare Ressource. Das Management dieser Ressource kann nicht global, sondern muss regional oder auf dem Level von Wasser-Einzugsgebieten oder Grundwasserleitern passieren. Es gibt Regionen, wo Wasser knapp ist und andere, wo es genügend nutzbares Wasser gibt.“
„Laut dem Bericht benötigt jede Person etwa 4000 Liter Wasser am Tag für ein Leben in Würde (‚Every human being needs water for a dignified life, estimated at 4000 litres per person per day.‘). Theoretische Ansätz wie dieser weisen nicht in die richtige Richtung. Denn für die meisten Menschen klingt eine solche Zahl willkürlich und sie schlussfolgern, dass alles in Ordnung ist, solange sie selbst nicht so viel Wasser verbrauchen. Es steht aber mehr dahinter, nämlich das Wasser, welches in konsumierten Gütern und Dienstleistungen steckt – virtuelles Wasser. Das zu kommunizieren ist schwierig.“
„Greifbare Instrumente werden nicht genannt. Diese sind aber für ein Verständnis unabdingbar. Die Gesellschaft muss die Vorschläge mittragen. Unsere Erwartungshaltung ist groß, wenn es um die Wasserversorgung geht. Wir erwarten beste Wasserqualität, wenn wir den Wasserhahn aufdrehen. Sauberes Wasser hat einen Preis, den die Gesellschaft zahlt, auch wenn die Verschmutzung durch die Industrie oder Landwirtschaft erfolgt. Viele Menschen wissen dies nicht, sorgen sich aber immer dann, wenn es ‚schlechte Nachrichten‘ gibt. Um die Menschen mitzunehmen, ist es wichtig, die kleinen Schritte zu erläutern. Wo kommt das Trinkwasser her? Wie viel Wasser wird genutzt und wofür? Welche Schadstoffe sind darin enthalten? Wo kommen diese Schadstoffe her? Wird das Wasser aufbereitet? Der Bericht setzt auf nachhaltige und effiziente Nutzung, die Ansätze sind großskaliger Natur. Ich denke, Wasser muss regional gemanaged werden, selbst wenn die Beeinflussung der Wasserressourcen durch globale Änderungen getrieben ist. Also sind die Instrumente auch regional zu entwickeln, das heißt Flusseinzugsgebiet und gegebenenfalls darüber hinaus. Systemische Ansätze sind zu bevorzugen.“
Auf die Frage, inwiefern Wasser bepreist werden sollte:
„Wasser muss bezahlt werden! Nicht nur von Haushalten, sondern auch von allen anderen Wassernutzern wie Industrie und Landwirtschaft.“
Nötige Reformen des Wassermanagements
„Neue Industrieansiedlungen sollten nicht nur unter dem Aspekt der Wirtschaftskraft einer Region betrachtet werden, sondern auch unter dem Aspekt der Wasserverfügbarkeit.“
„Die Priorisierung von Wasserressourcen kann ein Aspekt bei der Wasserversorgung sein. Haushalte gilt es dabei immer prioritär zu versorgen. Das Thema Priorisierung fehlt in dem Bericht.“
„Wasserqualität ist unsere größte Herausforderung. Sie schränkt die Wasserverfügbarkeit deutlich ein. Zudem ist eine mangelnde Wasserqualität ein Problem für aquatische Ökosysteme. Hunderttausende von Schadstoffen befinden sich in der Umwelt und auch im Wasser. Nicht alle werden gemonitort beziehungsweise gemessen. Das Verursacherprinzip, wonach Kosten der Verschmutzung vom Verursacher getragen werden, kommt nicht zur Anwendung. Diese Aspekte kommen im Text nicht zum Tragen.“
„Transformationen müssen Remote-Auswirkungen etwa auf andere Länder und Rebound-Effekte berücksichtigen. Rebound-Effekte treten zum Beispiel auf, wenn durch ein neues Bewässerungssystem Wasser eingespart werden kann, jedoch dann die Fläche erweitert wird, um das eingesparte Wasser doch noch zu nutzen.“
„Es bestehen meinerseits keine Interessenkonflikte.“
„Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Global Commission on the Economics of Water (2024): The Economics of Water. Valuing the Hydrological Cycle as a Global Common Good.
Weiterführende Recherchequellen
Europäische Umweltagentur (2024) Europe’s state of water 2024: the need for improved water resilience. Bericht.
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (2024): Wasser in einer aufgeheizten Welt. Bericht.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Kinnunen P et al. (2020): Local food crop production canfulfil demand for less than one-third of the population. Nature Food. DOI: 10.1038/s43016-020-0060-7.
[2] Lorenz C et al. (2014): Large-scalge runoff from landmasses: A global assessment of the closure of the hydrological and atmospheric water balances. Journal of Hydrometeorology. DOI: 10.1175/JHM-D-13-0157.1.
[3] Lorenz C et al. (2012): The hydrological cycle in three state of the art reanalyses: Intercomparison and Performance Analysis. Journal of Hydrometeorology. DOI: 10.1175/JHM-D-11-088.1.
[4] Krahe P et al. (2021): Deutschlands Wasserbilanz. Umweltmagazin. DOI: 10.37544/0173-363X-2021-07-08-32.
[5] Umweltbundesamt (2022): Wasserressourcen und ihre Nutzung. Webseite.
[6] Bundesanstalt für Gewässerkunde (1990): Internationales Hydrologisches Programm/OHP, Jahrbuch Bundesrepublik Deutschland, Kalenderjahr 1990. Die Publikation findet man online leider nicht mehr.
[7] Statistisches Bundesamt (2024): Umweltökonomische Gesamtrechnung. Wassergesamtrechnung. Bericht.
[8] Rost S et al. (2008): Agricultural green and blue water consumption and its influence on the global water system. Water Resources Research. DOI: 10.1029/2007WR006331.
[9] Deutsches Institut für Normung (2021): Umweltmanagement – Begriffe.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Stern N (2007): The Economics of Climate Change. Bericht.
[II] Dasgupta P (2021): The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review. Bericht.
Prof. Dr. Stefan Siebert
Leiter der Abteilung Pflanzenbau, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Fakultät für Agrarwissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es bestehen meinerseits keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Harald Kunstmann
Stellvertretender Institutsleiter Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Campus Alpin, Garmisch-Partenkirchen, und Lehrstuhlinhaber Regionales Klima und Hydrologie, Institut für Geographie, Universität Augsburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“
Prof. Dr. Dietrich Borchardt
Leiter des Themenbereiches Wasserressourcen und Umwelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Magdeburg, und Professor für Aquatische Ökosystemanalyse und Management an der Technischen Universität Dresden
Dr. Katrin Drastig
Leiterin der Arbeitsgruppe Wasserproduktivität in der Landwirtschaft, Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB)
Prof. Dr. Martina Flörke
Inhaberin des Lehrstuhls für Ingenieurhydrologie und Wasserwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum