Chemisches Recycling der beiden meist verwendeten Kunststoffe
neue Methode zum chemischen Recycling der meist hergestellten Kunststoffe vorgestellt
bisherige Methoden scheitern oft an vielfältiger Zusammensetzung von Plastikabfällen
Forschende: eine sehr gute Studie, deren Ansatz interessant ist, aber nur schwer auf industriellen Maßstab skalierbar sein dürfte
Die beiden am meisten genutzten Kunststoffe – Polyethylen und Polypropylen – lassen sich mit einer neuartigen Methode effektiv und selektiv chemisch recyclen. Auch Gemische beider Polymere können mit der bisher im Labormaßstab funktionierenden Reaktion gezielt zu Ausgangsstoffen für die Herstellung neuer Kunststoffe umgewandelt werden. Ein Team der University of California hat eine neue Methode entwickelt, die am 29.08.2024 im Fachjournal „Science“ veröffentlicht wurde (siehe Primärquelle). Sollte die Skalierung auf industrielle Maßstäbe gelingen, könnte dies ein wichtiger Beitrag gegen die steigende Menge Plastikabfälle sein.
Professur für Verfahrenstechnik/Technische Reaktionsführung, Fachbereich Ingenieur- und Naturwissenschaften, Hochschule Merseburg
Methodik
„Die aktuelle Studie ist ein sehr gelungener Beitrag der Ethenolyse (chemischer Prozess zur Herstellung bestimmter ungesättigter organischer Kohlenstoffverbindungen; Anm. d. Red.), bei dem unter Zuhilfenahme von Ethen und einem Katalysator Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) vor allem zu den Monomeren Propen und Isobuten umgesetzt werden. Die Umsetzung erfolgte im Labor mit reinem PE und PP, mit Beimischungen von Polystyrol, PVC und PET und in Form von Abfällen, die vorher aber mit Hilfe solvolytischer Verfahren (Verfahren, bei denen es zu einer Reaktion mit dem genutzten Lösungsmittel kommt; Anm. d. Red.) aufgereinigt wurden.“
„Reines PE und PP können sehr gut umgesetzt werden, auch wenn die genannten Ausbeuten schwer nachzuvollziehen sind, weil Ethen (die Reaktion wird in einer Atmosphäre aus Methan und Ethen durchgeführt; Anm. d. Red.) bei der Reaktion verbraucht, aber nicht in die Ausbeutekalkulation mit einbezogen wird.“
„Beimischungen von PVC und PET stören die Umsetzung erheblich. Reale Kunststoffabfälle können nach einer solvolytischen Reinigung – es wird vor allem nur PE und PP erhalten – gut umgesetzt werden.“
„Die Studie baut auf dem Stand des Wissens auf und führt diesen insbesondere durch die Untersuchung von Störstoffen und der Katalysatordeaktivierung konsequent fort. Die Methodik scheint – bis auf die Beschreibung der Ausbeuten – schlüssig zu sein. Wie viel Ethen für die Umsetzung verbraucht wurde, geht nicht schlüssig hervor. Eine Massenbilanz/Komponentenbilanz ist leider nicht angegeben. Da zwei Katalysatoren in großen Mengen verwendet werden und der Na/gamma-Al2O3-Katalysator stark deaktiviert, müsste eine Abtrennung des WO3/SiO2-Katalysators erfolgen, was schwer zu bewerkstelligen sein sollte. Die Kosten sind aufgrund des Katalysatorverbrauchs eher als hoch einzuschätzen, da die festen Abfälle entsorgt werden müssten.“
„Eine Deaktivierung eines Katalysators Na/gamma-Al2O3 führt zu Ausbeuteverlusten von 50 Prozent bei wiederholtem Einsatz, während die Aktivität des WO3/SiO2-Katalysator erhalten bleibt. Eine kleine Skalierung von einem Gramm auf 50 Gramm wurde erfolgreich durchgeführt.“
„Ob und wie weit das im Labor entwickelte Verfahren auch industriell wirtschaftlich umgesetzt werden kann, muss die Zukunft zeigen. Wenn durch Solvolyse eine Aufbereitung der Kunststoffe erfolgte, so kann angenommen werden, dass dann die Polymere bereits rein genug sind, um als Recyclingkunststoff eingesetzt zu werden (siehe Firma APK Merseburg/Newcycling oder Creasolve), wodurch das geschilderte Verfahren nicht mehr nötig wäre.“
„Der Katalysatorverbrauch müsste kostentechnisch ebenfalls hinterfragt werden. Im beschriebenen Ansatz werden für ein Gramm Polyethylene von den Katalysatoren 400 Milligramm WO3/SiO2 und 400 mg Na/gamma-Al2O3 eingesetzt. So dürfte auch eine große Masse an festen Abfallstoffen entstehen. Wissenschaftlich gesehen ist der Artikel trotz mancher Fragen eine sehr schöne Grundlagenarbeit hinsichtlich der Depolymerisation von Polyolefinen.“
Suche nach geeigneten, industriell nutzbaren Methoden des chemischen Recyclings
„Es gibt bereits mehrere Anlagen, in denen chemisches Recycling von Plastik zur Anwendung kommt. Die Firma OMV in Österreich baut eine große Anlage mit einer Kapazität von zwei Tonnen pro Stunde. Quantafuel in Norwegen kann bereits zwei Tonnen pro Stunde verwerten; Carboliq in Ennigerloh in NRW und ARCUS in Frankfurt haben Anlagen für mehrere Kilogramme pro Stunde. Bald wird es hierzu auch einen Bericht des deutschen Umweltbundesamtes geben.“
„Aktuell ist eine auf relevante Mengen skalierbare Methode sehr weit entfernt. Das liegt vor allem am Katalysatorverbrauch und der aufwendigen Vorbereitung durch Solvolyse. Die Hürden auf dem Weg dahin sind eben der Katalysatorverbrauch und die Entsorgung der Reaktionsabfälle. Zudem müssen die Prozesse unempfindlicher gegenüber Störstoffen werden, sodass es die Solvolyse nicht braucht. Und bezogen auf die hier vorgestellte Methode: Es sollte deutlich weniger Katalysator benötigt werden, der nicht verbraucht wird, beziehungsweise die beschriebenen Katalysatorkomponenten sollten getrennt werden.“
Auf die Frage, welche Probleme es generell gibt, wenn chemisches Recycling aus dem Labormaßstab auf industrielle Maßstäbe skaliert werden soll:
„Da spielen Störstoffe eine wichtige Rolle – Biomasse, Co-Polymere, Additive. Diese können den Prozess hemmen und zu deutlich anderen Produktausbeuten und Reaktionszeiten führen. Bei der hier vorgestellten Methode ist die vorgeschaltete Solvolyse aufwändig und müsste entsprechend der Prozessanforderungen funktionieren. Dann liefert sie womöglich vermarktungsfähige Produkte. Und dann bleibt da noch die Frage: Was passiert mit den Reststoffen, die als Feststoff zusammen mit dem Katalysator übrigbleiben? Dies dürfte eine deutlich höhere Reaktionszeit bedingen. Zudem könnten der Ethen-Überschuss und die Kreislaufführung viel Energie kosten.“
Grundsätzliche Herausforderungen bei der Suche nach wirtschaftlichen Reaktionsbedingungen
„Die Katalysatoren müssen lange halten und regenerierbar sein, damit wenig Abfälle entstehen. Zudem sollten sie günstig sein. Methoden, bei denen der Katalysator zu teuer pro umgesetzter Menge ist, haben kein Potenzial. Auf hier spielt die Frage der Regenerierbarkeit eine wichtige Rolle.“
„Auch die Reaktionstemperatur ist ein wichtiger Faktor. Je nach Methode sind unterschiedliche Temperaturen wirtschaftlich. Bei der Verölung von Kunststoffen sind das etwa 400 Grad Celsius, bei der Pyrolyse circa 500 Grad Celsius und bei der Vergasung über 900 Grad Celsius. Bei der in der aktuellen Studie vorgestellten Methode sind also mit 320 Grad Celsius relativ milde Bedingungen zu finden. Aber: Durch die vorgeschaltete Solvolyse wird zweimal Energie benötigt. Im Betrieb muss das Aufheizen und Abkühlen (Energieverlust) berücksichtigt werden.“
„Und auch die Reaktionszeit ist zu berücksichtigen. Eigentlich müsste die Methode für die großen Mengen Abfall in einen kontinuierlichen Betrieb überführt werden. Das ist hier sehr problematisch, unter anderem wegen der Abtrennung des Katalysators und der Akkumulation von Fremdstoffen.“
ehemaliger Leiter des Departments Katalyse mit nachwachsenden Rohstoffen, im Ruhestand, Leibniz-Institut für Katalyse e. V. an der Universität Rostock (LIKAT), Rostock, Niederlande
„Kunststoffe haben viele Verwendungszwecke gefunden und sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie werden durch die Polymerisation von relativ billigen petrochemischen Monomeren wie Ethen und Propen hergestellt und sind daher nicht ohne weiteres durch andere Materialien ersetzbar. Das Problem ist, dass die meisten Polymere nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind und am Ende der Lebensdauer der Anwendung zu Abfall werden. Nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Kunststoffe wird recycelt, ein weiterer kleiner Prozentsatz wird zur Strom- oder Wärmeerzeugung verbrannt. Aber der größte Teil der Kunststoffe wird deponiert oder schwimmt in der Umwelt herum. Vor allem Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) werden nur selten recycelt, außerdem werden sie in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut. Daher ist die Entwicklung von Methoden zur Umwandlung von Kunststoffabfällen in wertvolle Materialien dringend erforderlich und wird auch intensiv erforscht.“
Methodik
„In Zusammenarbeit der Gruppen von John Hartwig und Alexis Bell an der University of California in Berkeley wurde eine neue katalytische Methode entwickelt, die die gleichzeitige Depolymerisation von Polyethylen und Polypropylen zu einem Gemisch aus Propen und Isobuten durch Reaktion mit Ethen bei 320 Grad Celsius ermöglicht. Das ist sehr interessant, da die Autoren eine Mischung aus zwei heterogenen Katalysatoren verwendet haben, die bereits in anderen industriellen Verfahren eingesetzt werden und daher relativ kostengünstig sind. Die beiden Produkte können leicht durch kryogene Destillation getrennt werden, wie es derzeit bei der Trennung des Naphtha-Crackers geschieht (mit dem Rohbenzin aus schweren Erdölfraktionen gewonnen wird; Anm. d. Red.), sodass dies kein Problem darstellt.“
„Die Reaktionstemperatur mag hoch erscheinen, aber das ist bei der Herstellung von Chemikalien im großen Maßstab nicht ungewöhnlich und bedeutet nicht unbedingt, dass der Prozess viel Energie verbraucht. Es liegt in der Natur der Katalysatoren, dass kein sauerstoff- oder chlorhaltiges Material in den Polymeren vorhanden sein darf, da dies die Katalysatoren schnell deaktivieren würde. Und das stellt ein Problem dar. PE und PP lassen sich zwar durch Flotation in Wasser (Trennverfahren mit Hilfe von Gasblasen in Flüssigkeiten, sodass bestimmte Partikel aufschwimmen; Anm. d. Red.) von anderen Polymeren wie PET (sauerstoffhaltig) oder PVC (chlorhaltig) trennen, aber beide Polymere können auch sauerstoffhaltige Zusatzstoffe wie Weichmacher und Stabilisatoren enthalten. Darüber hinaus können sie Reste von Lebensmitteln oder anderen Materialien enthalten, die im Kunststoff enthalten waren. Dadurch wird die Lebensdauer des Katalysators stark verkürzt. Die Autoren der Studie haben diesem Problem entgegengewirkt, indem sie die Polymere zunächst in einem großen Überschuss an Toluol auflösten und anschließend durch Zugabe einer enormen Menge Methanol ausfällten. Dadurch wird das Polymer so weit gereinigt, dass die Katalysatoren dreimal wiederverwendet werden können, aber eine solche Reinigung ist in großem Maßstab nicht realistisch. Außerdem ist die Lebensdauer des Katalysators noch zu gering.“
Suche nach geeigneten, industriell nutzbaren Methoden des chemischen Recyclings
„Derzeit wird nur die Pyrolyse dieser Polymere zu einem Gemisch aus Alkanen und Alkenen, das dem Cracker wieder zugeführt werden kann, in großem Maßstab praktiziert. Darüber hinaus arbeiten zwei Unternehmen an der katalytischen Pyrolyse von Kunststoffabfällen zur Herstellung eines Gemischs von aromatischen Verbindungen. Allerdings sind die Selektivitäten der hier vorgestellten Methode noch zu gering für eine großtechnische Produktion.“
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die hier entwickelte Technologie sehr interessant ist, da sie auf ein Gemisch aus PE und PP angewendet werden kann, das sich durch Flotation leicht von anderen Polymeren trennen lässt. Der zweite wichtige Punkt ist, dass nur zwei Produkte mit sehr hoher Selektivität gebildet werden, die mit bekannten Mitteln leicht getrennt werden können. Angesichts der kurzen Lebensdauer des Katalysators und der Notwendigkeit einer teuren Reinigung der Polymere ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die neue Methode in großem Maßstab für die Depolymerisation von PE und PP eingesetzt werden kann. Die Methode könnte jedoch andere Gruppen dazu inspirieren, neue Katalysatoren zu entwickeln, die robuster sind.“
„Ein weiterer positiver Aspekt der Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen von Hartwig und Bell ist, dass sie über komplementäres Wissen verfügen. Während die Forschungscommunity zu heterogenen Katalysatoren – in der Bell ein hochgeschätztes Mitglied ist – über ein umfangreiches Wissen über relativ billige Katalysatoren verfügt, die im industriellen Maßstab für Hochtemperaturreaktionen eingesetzt werden können, verfügt die Community der homogenen Katalysatoren – in der Hartwig einer der führenden Wissenschaftler ist – über ein umfangreiches Wissen über organische Chemie und metallorganische Reaktionsmechanismen. Das ermöglicht es ihnen, neue Methoden zur Umwandlung dieser Polymere zu entwickeln. Wir können nur hoffen, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt wird und dass andere ihrem Beispiel folgen werden.“
Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
„Die Studie der University of California zeigt sehr deutlich auf, welche bislang noch ungenutzten Potenziale im chemischen Recycling stecken könnten – insbesondere mit Blick auf die Verwertung von gemischten Abfällen. Viele der bekannten Verfahren erfordern sehr stark aufbereitete Abfälle, die sowohl die ökonomische als auch ökologische Bilanz solcher Verfahren in Frage stellt.“
Suche nach geeigneten, industriell nutzbaren Methoden des chemischen Recyclings
„Die sehr unterschiedlichen Verfahren, die unter dem Begriff des chemischen Recyclings zusammengefasst werden, sind an sich häufig nicht neu. Trotzdem existieren zurzeit kaum Anlagen, die sich ökonomisch rentieren. Die Herausforderungen liegen dabei allerdings auch im niedrigen Ölpreis, der die tatsächlichen Umweltkosten nur unzureichend widerspiegelt und unter anderem aufgrund von staatlichen Subventionen für die Kunststoffproduktion sämtliche Recyclingverfahren hohen wirtschaftlichen Risiken aussetzt, die eigentlich notwendige Investitionen verhindert. Aus ökonomischer Perspektive zeigen Analysen – unter anderem die des Wuppertal Instituts –, dass die entscheidende Herausforderung die notwendige Qualität des Aufbereitungsprozesses der verwendeten Abfälle ist.“
Grundsätzliche Herausforderungen bei der Suche nach wirtschaftlichen Reaktionsbedingungen
„Die in dieser Studie genannten notwendigen Temperaturen von 320 Grad Celsius verweisen auf den sehr hohen Energiebedarf solcher Verfahren – wobei alternative Ansätze des chemischen Recyclings noch deutlich höhere Temperaturen erfordern. Eine absolute Grenze für die Wirtschaftlichkeit lässt sich nicht ableiten. Viel relevanter sind die möglichen Absatzwege für die Sekundärrohstoffe, die am Ende des Prozesses stehen. Aus ökobilanzieller Perspektive rechnet sich der Aufwand in der Regel nicht im Vergleich zum mechanischen Recycling. Vorteile ergeben sich dagegen häufig beim Vergleich zur thermischen Verwertung. Das könnte sich jedoch ändern, wenn in Zukunft der Anteil erneuerbarer Energien weiter ansteigt, der für solche Prozesse eingesetzt wird.“
Assistant Professor in der Forschungsgruppe Anorganische Chemie und Katalyse, Institute for Sustainable and Circular Chemistry, Universität Utrecht, Niederlande
Methodik
„Die Methodik wirkt insgesamt belastbar. Allerdings wird nicht erwähnt, wie gut die Autoren ihre Massenbilanz schließen können. Wegen Messungenauigkeiten findet man meistens nicht den gesamten Kohlenstoff in den Produkten wieder, den man als Polymer oder Ethen der Reaktion hinzugefügt hat.“
„Meine Kritik ist, dass die Autoren in der Reaktion Methan hinzufügen. Sie erklären, das wäre ein interner Standard, um die Menge an Produkt genauer bestimmen zu können. Allerdings werden 10 bar Methan zu 15 bar Ethen hinzugefügt. Das wirkt etwas viel für einen internen Standard. Meine Vermutung ist, dass ein so großer Druck Methan auch das thermodynamische Gleichgewicht beeinflusst. Nach Le Chatelier (,Prinzip des kleinsten Zwangs‘ in der Chemie zur Beschreibung der Beeinflussung von Reaktionsgleichgewichten; Anm. d. Red.) wird ein Produkt weniger geformt, wenn man es in der Reaktion hinzufügt. Das könnte erklären, warum in der Reaktion kein Methan erzeugt wird. Es liegt also nicht nur daran, dass der Katalysator so gut funktioniert. Aus diesem Grund ist es eigentlich üblich, als internen Standard ein Inertgas zu verwenden.“
Suche nach geeigneten, industriell nutzbaren Methoden des chemischen Recyclings
„Seit den 1990er Jahren sind Forscher auf der Suche nach Methoden zum chemischen Recycling. Zu dieser Zeit wurden auch viele Pilotanlagen gebaut. Diese haben sich allerdings nicht gehalten, weil der Ölpreis dann stark gesunken ist. Seit etwa fünf Jahren haben die Anstrengungen, vor allem die Pyrolyse zu kommerzialisieren, wieder stark zugenommen und viele Pilotanlagen werden gebaut. Das Problem ist, das neue chemische Recyclingmethoden mit erdölbasierten, groß-skaligen Prozessen konkurrieren, die über das zurückliegende Jahrhundert bis ins kleinste Detail optimiert wurden und deshalb sehr kosteneffizient sind. Außerdem haben sich diese hochhausgroßen Reaktoren schon vor Jahren amortisiert. Bisher besteht noch nicht genug Investmentwille, um chemische Recyclingprozesse zu skalieren.“
„Ein großes technisches Problem ist, das honigartige Polymer kontinuierlich dem Reaktor zu füttern. Außerdem stellen Kontaminierungen immer noch ein sehr großes Problem dar. Deshalb haben die Autoren der aktuellen Studie den Plastikmüll aufwendig präpariert, bevor sie ihn in den Reaktor gefüllt haben. Außerdem haben sie immer nur kleine Plastikmengen auf einmal chemisch umgewandelt. Immerhin haben sie aber gezeigt, dass sie auch Mischungen aus verschiedenen Plastiksorten verwenden können.“
„Der Katalysator, der bei der nun vorgestellten Methode verwendet wird, wird bereits industriell verwendet. Das ist ein gutes Zeichen. Allerdings verwenden die Autoren große Mengen Katalysator.“
Grundsätzliche Herausforderungen bei der Suche nach wirtschaftlichen Reaktionsbedingungen
„Im Vergleich zur Pyrolyse, die im Moment am meisten entwickelt wird und meist bei über 600 Grad Celsius gefahren wird, sind die Temperaturen aus dieser Arbeit recht niedrig. Allerdings muss bei der Pyrolyse oft 50 Prozent des erzeugten Produkts verbrannt werden, um die Energie für die Reaktion aufzubringen.“
„Zusammenfassend: Die Autoren zeigen, dass sie Polypropylen und Polyethylen in Monomer und ein anderes Produkt umwandeln können. Das ist sehr interessant, weil so eine Recyclingmethode entwickelt werden kann, die es erlaubt, direkt wieder Polymer von hoher Qualität herzustellen. Eine Stärke der Studie ist es, dass auch Mischungen aus Polymeren umgewandelt werden können. Auch Plastikabfall wurde direkt verwendet. Allerdings wurden diese Abfallproben vorher aufwändig behandelt, was in der Industrie extra Kosten verursachen würde. Dies ist eine der großen Herausforderungen des chemischen Recyclings. Plastik ist sehr viskos, wenn es schmilzt. Es verhält sich wie Honig und es ist deshalb sehr schwer, es der Reaktion kontinuierlich zuzuführen. Dies ist vor allem schwierig, wenn hohe Katalysatormengen beigemengt werden, was aber wichtig für einen kontinuierlichen Prozess ist. Es muss deshalb noch gezeigt werden, wie man dieses Problem für diesen Prozess lösen könnte. Die Autoren verwenden Katalysatoren, die schon in anderen industriellen Raffinerieprozessen verwendet werden, was bedeutet, dass sie leicht zu erhalten sind und keine weitere Entwicklung erfordern. Allerdings verwenden sie fast genauso viel Gewicht an Katalysator wie an Plastik. Um den Prozess rentabel zu machen, müsste die Katalysator-Menge stark reduziert werden. Ein anderer Nachteil des Prozesses könnte sein, dass dabei pro Einheit Polymer auch zwei Monomere des Polyethylens verbraucht werden. Noch besser wäre es, den Plastikmüll ohne extra Monomer umwandeln zu können. Trotzdem ist die hohe Ausbeute des Prozesses sehr bemerkenswert.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V., Darmstadt
„Forschung und Entwicklung für neue und optimierte Verfahren zur Kreislaufführung ist wichtig. Neue Erkenntnisse zum Abbau beziehungsweise zur Zerlegung von Polymeren – die sogenannten Depolymerisierung – für Polyolefine, also Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE), sind zunächst sehr interessant, da diese im Gegensatz zu anderen Kunststoffen nicht so einfach in ihre Grundbausteine, die Monomere, aufgespalten werden können. Zwar bieten andere, energieaufwändigere Verfahren wie die Pyrolyse die Möglichkeit, die Polymerketten von PP und PE zu spalten. Dabei entsteht jedoch ein großes Gemisch aus verschiedenen Grundchemikalien und Verunreinigungen, das aufwendig aufbereitet und gereinigt werden muss, bevor es wieder zu einem neuen Produkt wie einem Kunststoffgranulat verarbeitet werden kann.“
„Kreislaufwirtschaft, die sowohl die Produktions- als auch die Nutzungsphase mitbetrachtet, ist jedoch immer mehr als ein einzelner Prozess. Vielmehr geht es um ein besseres Zusammenspiel bestehender und neuer Verfahren. Dabei darf nicht vergessen werden, dass wichtige Eckpfeiler einer besseren Kreislaufführung schon viel früher ansetzen müssen: beim Design besserer Produkte, bei der Reparatur und Wiederverwendung und bei der (getrennten) Sammlung von Abfällen. Reine Verfahrenstechnik wird auch bei bester ingenieurtechnischer Optimierung nicht in der Lage sein, Fehlsteuerungen in den vorgelagerten Schritten auszugleichen.“
„Der in der Studie dargestellte Ansatz ist zudem noch weit von der praktischen Anwendung entfernt. Im Labor-Experiment wurden bisher 90 Milliliter Rezyklat erzeugt. Inwieweit dies auf den erforderlichen Maßstab von mehreren tausend Tonnen hochskaliert werden kann, ist aus unserer Sicht sehr schwer abzuschätzen und bedarf noch erheblicher Entwicklungsarbeit. Zudem macht das Team von der University of California weder konkrete Angaben zum Katalysatorverbrauch noch eine grobe Abschätzung der Kosten des Verfahrens. Die praktische Relevanz des Verfahrens kann daher noch nicht abschließend beurteilt werden.“
„Darüber hinaus zielt der vorgestellte Ansatz genau auf die Abfallströme ab, die schon heute relativ gut mechanisch recycelt werden können. Da bereits geringe Mengen anderer Kunststoffarten wie PVC oder PET dem Prozess große Probleme bereiten, wäre dieser nur für stark vorsortierte Abfallströme einsetzbar. Gerade dafür gibt es schon etablierte Recyclingverfahren, die auch ohne Katalysator und mit nur geringem Energieeinsatz funktionieren.“
Grundsätzliche Herausforderungen bei der Suche nach wirtschaftlichen Reaktionsbedingungen
„Eine Mischung aus Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) hat zwar eine sehr ähnliche Dichte und ist daher kaum über die Schwimm-Sink-Trennung zu sortieren. Die Sensortechnologie hat sich jedoch weiterentwickelt, so dass eine Sortierung von PP und PE entgegen der Darstellung in der Veröffentlichung durchaus möglich ist. Abfallfraktionen aus Polyethylen mit hoher Dichte (HDPE) werden in Deutschland meist zu positiven Preisen verkauft, da sie gut mechanisch recycelt werden können. Dazu müssen sie nicht, wie in der Veröffentlichung angenommen, komplett zermahlen und in kochendem Lösungsmittel aufgelöst werden. Eine größere Herausforderung stellen Polyethylen-Folien niedriger Dichte (LDPE) und Gemische aus PP und PE dar. Dies ist jedoch auf die mitunter fehlende Wirtschaftlichkeit beziehungsweise Investitionssicherheit zurückzuführen. Rezyklate mittlerer Qualität finden meist nur dann Absatz, wenn sie deutlich günstiger als Neuware angeboten werden. Der Aufbereitungsaufwand, um ähnliche Qualitäten wie bei Neuware zu erreichen, rechnet sich in den meisten Fällen nicht, obwohl bereits heute viele technische Möglichkeiten bestehen.“
„Natürlich wird es weiterhin (Plastik-)Abfälle geben. Und diese müssen deutlich höherwertig recycelt werden, als das bisher oft der Fall ist. Wir müssen Abfälle besser im Kreislauf führen. Dabei dürfen wir aber nicht den Fehler der mittelalterlichen Alchimisten machen: Abfall bleibt Abfall und wird auch mit neuen Verfahren nicht zur Goldgrube. Gute Recyclingverfahren können nur dann skaliert werden und eine nennenswerte Rohstoffquelle darstellen, wenn sie auf eine dauerhaft stabile Finanzierung bauen können. Die volatilen Rohstoffmärkte bieten leider meist keine ausreichende Sicherheit für die notwendigen Investitionen in bessere Recyclingverfahren.“
Leiterin der Arbeitsgruppe Abfallressourcenwirtschaft, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft, Technische Universität Hamburg-Harburg
Methodik
„Die Methodik der Studie erscheint wissenschaftlich einwandfrei. Die Autoren haben systematisch verschiedene Aspekte der isomerisierenden Ethenolyse von Polyolefinen untersucht. Über die Labormaßstabversuche hinaus wurden erste Skalierungen und Tests mit echten Plastikproben unternommen.“
„Die Studie trägt zum Wissen und zur Entwicklung der isomerisierenden Ethenolyse von Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) bei. Vor allem, dass auf die Dehydrogenierung verzichtet werden kann, ist ein Vorteil.“
„Als Schwachstelle wird die Präsenz von Verunreinigungen benannt, die hier auch untersucht wurde. Verunreinigungen führen zu geringeren Ausbeuten. Die vorgeschlagene verbesserte Sortierung und praktizierte Vorbehandlung sind nur begrenzt umsetzbar. Eine Vorbehandlung mit Toluol ist zumindest nicht die Lösung.“
„Zusätzlich werden Additive und andere Bestandteile – wie beispielweise chlorhaltige Flammenschutzmittel oder aufgebrachte Druckfarben – zu berücksichtigen sein, die mit großer Wahrscheinlichkeit zur Verschmutzung der katalytischen Oberfläche führen werden.“
Suche nach geeigneten, industriell nutzbaren Methoden des chemischen Recyclings
„Derzeit ist das chemische Recycling von Plastikabfällen ein sehr aktives Forschungsfeld, das darauf abzielt, die durch die begrenzte Effizienz mechanischer Recyclingmethoden entstandenen Lücken zu schließen. Alle auf Plastikabfall abzielende Methoden befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Zu überwindende Hürden sind auf der chemischen Seite Selektivität und Effizienz und auf der verfahrenstechnischen Seite Wärmeübertragung, Massentransport, Koksbildung sowie Gas- und Flüssigkeitsmanagement. Während die Selektivität dieser Studie unglaublich hoch ist und anscheinend keine Koksbildung zu beobachten ist, werden weitere verfahrenstechnische Hürden nicht überwunden, was zugegebenermaßen nicht Fokus dieser Studie war.“
Auf die Frage, welche Probleme es generell gibt, wenn chemisches Recycling aus dem Labormaßstab auf industrielle Maßstäbe skaliert werden soll:
„Primär muss ein Katalysator für großtechnische Verfahren effektiv, kostengünstig und robust sein. In dieser Studie scheint der Katalysator sehr unstabil gegenüber Sauerstoff oder Wasser, da alle Reaktionen in einer Glovebox (Handschuhkasten, der den Reaktionsraum hermetisch abschließt; Anm. d. Red.) durchgeführt werden müssen. Das bereitet eine zusätzliche technische Hürde. Möglichkeiten im Labor gibt es viele. Eine häufige andere Art der heterogenen Katalysatoren sind Zeolithe, die deutlich stabiler sind als andere Metallkatalysatoren. Die Herstellung des Katalysators in der Studie scheint für eine großindustrielle Herstellung etwas zu aufwändig.“
Grundsätzliche Herausforderungen bei der Suche nach wirtschaftlichen Reaktionsbedingungen
„Die in der Studie gewählte Temperatur von 320 Grad Celsius liegt am unteren Ende des Spektrums für thermische Prozesse, was die Methode energetisch relativ effizient erscheinen lässt. Ein kontinuierlicher Prozess bietet den Vorteil, dass keine Aufheiz- und Abkühlzyklen notwendig sind. Beim thermo-chemischen Recycling von Kunstoffen ist die Koksbildung häufig eine Hürde, was bei gängigen Reaktoraufbauten einen vollständig kontinuierlichen Prozess erschwert. Bei 320 Grad Celsius ist eine geringe Rußbildung zu erwarten. Eine Verweilzeit von einer Stunde mit einer konstanten Reaktionstemperatur von 320 Grad Celsius könnte schwer zu realisieren sein. Die Einfuhr des Materials führt zu einer Abkühlung am Einlass, wodurch zunächst die Reaktionstemperatur ansteigen muss. Wenn die Wärmeübertragung nicht optimal gestaltet ist, könnte dies die Verweilzeit weiter verlängern und den Prozess unwirtschaftlich machen.“
„In der Studie geht es um Prinzipien, Skalierung und echter Abfall sind immer eine Herausforderung. Das heißt, es ist noch ein Weg zurückzulegen und jemand muss das Risiko eingehen.“
Gruppe für Nachhaltigkeit und Technologie, Department für Management, Ökonomie und Technologie, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
„Eine wichtige Frage ist ja bei solchen Ansätzen immer die der Skalierung. Viele Ansätze des chemischen Recyclings sind schwierig zu skalieren – gerade auch solche, bei denen Katalysatoren eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere deshalb, weil der tatsächliche Feedstock – also das Rohmaterial – dann nicht den Laborverhältnissen entspricht und die Aufreinigung in die benötigte Reinheit meist (zu) teuer ist. “
„Die konkreten Herausforderungen im Skalieren sind vor allem die geringe Massenausbeute durch Verunreinigungen (Filler und Inerte), denn dadurch sinkt die Effizienz der Katalysatoren im Vergleich zu reinen PE- oder PP-Fraktionen (oder reinen Polyolefin-Mischungen). Und dann sind auch die idealen Crack-Temperaturen für verschiedene Kunststoffe unterschiedlich.“
„Lose damit verbunden ist auch noch die Frage nach dem ,feedstock sourcing’ – also, woher das Rohmaterial kommt. Gerade für die Anwendungsbereiche, bei denen ‚End of Life ‘ – also nach Gebrauch – der Kunststoff wieder eingesammelt wird – zum Beispiel Verpackungen – dominieren die Polyolefine, das heißt, hier gibt es schon lange einen hohen Druck, eine Recycling-Lösung zu finden. Dieser Druck wurde nochmals dadurch erhöht, dass die EU vor ein, zwei Jahren den Messpunkt im Prozess für die Bestimmung der tatsächlich Recyclingquote verschoben hat und in der Folge die Zahlen noch schlechter aussahen als eh schon. Mit den ambitionierten Vorgaben, insbesondere in der ‚Packaging and Packaging Waset Directive‘, haben sich aber einige technische Lösungen für Polyolefine ergeben – zum Beispiel der CEFLEX-Ansatz (CEFLEX: Circular Economy for Flexible Packaging; Anm. d. Red.) –, die den größten Druck genommen haben und damit auch die Bereitschaft, in eine relativ teure Technologie wie die Pyrolyse zu investieren. Je länger diese Technologie also auf sich warten lässt, desto mehr Verwendung findet des sortenreinen Feedstocks – und auch für den interessiert sich ja der Ansatz dieser Studie – zum Beispiel im mechanischen Recycling. Das heißt, diese Technologie müsste echte Kosten- und Skalierungsvorteile haben, um in den ‚Kampf um den Abfall‘ noch maßgeblich eingreifen zu können.“
„Eigene Forschungsarbeiten hinsichtlich katalytischer Spaltung von Polyolefinen, die aber technisch gesehen weiter fortgeschritten ist.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe hier keinerlei Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte gibt es keine.”
„ Ich habe keine Interessenkonflikte.”
„Keine Interessenkonflikte auf meiner Seite.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Conk RJ et al. (2024): Polyolefin waste to light olefins with ethylene and base-metal heterogeneous catalysts. Science. DOI: 10.1126/science.adq7316.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2024): Einsatz von Rezyklaten bei Kunststoffen: Helfen neue Recyclingverfahren? Research in Context. Stand: 06.03.2024.
Science Media Center (2022): Kunststoffrecycling in Deutschland und der EU: Probleme und Lösungen. Fact Sheet. Stand: 24.11.2022.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Science Media Center (2022): Chemisches Upcycling von Plastikmüll. Research in Context. Stand: 15.08.2022.
Prof. Dr. Mathias Seitz
Professur für Verfahrenstechnik/Technische Reaktionsführung, Fachbereich Ingenieur- und Naturwissenschaften, Hochschule Merseburg
Prof. Dr. Johannes Gerardus de Vries
ehemaliger Leiter des Departments Katalyse mit nachwachsenden Rohstoffen, im Ruhestand, Leibniz-Institut für Katalyse e. V. an der Universität Rostock (LIKAT), Rostock, Niederlande
Prof. Dr. Henning Wilts
Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
Dr. Ina Vollmer
Assistant Professor in der Forschungsgruppe Anorganische Chemie und Katalyse, Institute for Sustainable and Circular Chemistry, Universität Utrecht, Niederlande
Dr. Johannes Klinge (geb. Betz)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V., Darmstadt
Prof. Dr. Kerstin Kuchta
Leiterin der Arbeitsgruppe Abfallressourcenwirtschaft, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft, Technische Universität Hamburg-Harburg
Dr. Catharina Bening
Gruppe für Nachhaltigkeit und Technologie, Department für Management, Ökonomie und Technologie, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz