Daten speichern mit DNA-Kassette
Kassette zum Speichern und Verwalten von Dateien auf Basis von DNA entwickelt
DNA-basierte Speicher versprechen hohe Speicherdichten und mehrere Tausend Jahre Speicherdauer
Experten: Kassetten-Ansatz macht DNA-Dateien leichter auffindbar – was zwar wichtig für große Speicher ist, aber grundlegendes Problem des hohen Kosten- und Zeitaufwandes für DNA-Speicher nicht löst
Desoxyribonukleinsäure (DNA) ist das Speichermedium der Natur. Sie kann komplexe Informationen auf kleinem Raum über zum Teil Jahrtausende hinweg sichern. Das gilt nicht nur für Erbinformationen: Ein chinesisches Forschungsteam hat eine Speicherkassette auf Basis von künstlicher DNA entwickelt. Auf ihr sollen Dateien gespeichert und verwaltet werden können. Der Aufbau ähnelt in Grundzügen einer herkömmlichen Magnetband-Kassette. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen (siehe Primärquelle).
Dass synthetische DNA-Speicher möglich sind, ist bereits bekannt. Allerdings sind sie noch nicht so weit entwickelt, dass sie herkömmliche elektrische Speichermedien ersetzen könnten. Gerade die flexible Dateienverwaltung ist eine Herausforderung für DNA-basierte Speicher – eine Schwierigkeit ist etwa das mehrmalige Auslesen von Dateien, ohne sie dabei zu zerstören. Dafür muss die DNA unter anderem vervielfältigt werden, was wiederum teuer und zeitintensiv ist. Das Speichern der Daten erfolgt über die DNA-Synthese im Labor: Es werden künstliche DNA-Stränge hergestellt, die die zu speichernden Informationen in der Reihenfolge ihrer Basen codiert haben – wie Erbgutinformationen in natürlicher DNA. DNA-Synthese ist ebenfalls kosten- und zeitintensiv.
Leiter der Abteilung Bioinformatik, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Auf die Frage, ob die genannten Kennzahlen ein Fortschritt für das Forschungsfeld sind:
„Ja, besonders stark ist der Adressierungsprozess. Der wurde hier – genau wie bei Magnet-Tape – nun für einen DNA-Speicher mit DNA-Barcoding gelöst, das ist toll. Er ist aufgeteilt in einen primären und einen sekundären Adressierungsprozess. Die primäre Adressierung lokalisiert den groben Zielbereich auf dem Band – das kostet Zeit, weil in dieser Vorauswahl viele Dateien enthalten sind. Die sekundäre Adressierung findet dann in etwa zwei Sekunden die gesuchte Zieldatei.“
„Die Autor:innen testen, bei welcher maximalen primären Adressierungsrate sie weiterhin eine Auslesegenauigkeit von 100 Prozent erzielen. Das ist für den verwendetet Barcode bei 2400 Umdrehungen pro Minute der Fall, was einer Dateiadressierungsrate von 1570 Dateien pro Sekunde entspricht. Das ist zehn- bis hundertmal besser als frühere DNA-Speicher. Mit normalen Computern kann man allerdings leicht Gigabyte pro Sekunde übertragen, die vorgestellte Methode ist also im Vergleich noch sehr, sehr langsam. Diese Geschwindigkeit ist durch das verwendete Barcode-Lesegerät limitiert, das etwa 45 Barcodes pro Sekunde auslesen kann. Damit ist er etwa zehnmal schneller als ein QR-Code-Lesegerät für die DNA-Datei-Adressierung.“
Fortschritt bei DNA-Speichern
„Der Speicher funktioniert im Prinzip so: Ein Polyester-Nylon-Verbundband mit Barcode-Mustern wurde durch Tintenstrahldruck, Schneiden und Rollen hergestellt (siehe Abb. 2a, oben, und Details in Materialien und Methoden). Das machen bereits einige gute, praktische Lösungen. Aber die neue schlagkräftige Adressierung ist schon ein schöner Fortschritt um mindestens eine Größenordnung: das heißt, mindestens um den Faktor zehn schneller als frühere, nicht so starke Versuche.“
„Aber: Elektronik ist immer noch etliche Größenordnungen besser. Also: Noch mehr Schritte in Adressierung und Speicherung verbessern und dann wird es bald interessant, also marktnah.“
Vor- und Nachteile von DNA-Speichern
„Vorteile von DNA-Speichern sind, dass sie biologisch und lange haltbar sind – zum Teil Tausende Jahre. Außerdem haben sie eine sehr hohe Speicherdichte – das ganze Internet mit allen Daten wäre in weniger als einem Kilogramm DNA speicherbar.“
„Nachteile von DNA-Speichern sind, dass sie schwierig abzurufen und zu adressieren sind. Genau da setzt die Arbeit an und erreicht einen Fortschritt um mindestens den Faktor zehn. Auch Rechenoperationen sind viel zu langsam, da muss noch etwas passieren. Unser Vorschlag sind lichtgesteuerte Enzyme, aber wir zeigen in unserer Forschung bisher nur das Potenzial auf, auch da braucht es noch einige weitere Schritte und Durchbrüche.“
Werden DNA-Speicher praktikabel?
„Ich denke, es braucht noch einige solcher Arbeiten, bis DNA-Speicher eingesetzt werden können. Gerade im Bereich Adressierung und bei Rechenoperationen müssen die heutigen DNA-Speicher schneller werden. Nach meiner Einschätzung könnte das in etwa 16 Jahren so weit sein.“
Auf die Frage, welche weiteren Ansätze es für effiziente Speicher gibt:
„Glas ist eine sehr gute Alternative für hohe Speicherdichte, das Beschreiben aber sehr teuer. Zwei weitere, prinzipiell hochspannende Ansätze sind Graphen und Nanozellulose als Transistoren. Auch DNA-Macramée und neue Halbleitertechniken insgesamt werden erforscht. Für konventionelle Halbleitertechnik ist das Nutzen der dritten Dimension sehr effizient. Aus diesem Feld wird es vermutlich bald Überraschungen geben.“
Titularprofessor im Labor für Funktionsmaterialien, Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
Bedeutung der Studie
„Die Faszination dieser Arbeit liegt darin, dass sie das aktuelle Forschungsthema DNA-Datenspeicher mit einem uns gut bekannten Speichermedium kombiniert: der Kassette. Sie bringt somit DNA-Datenspeicher der alltäglichen Anwendung einen wichtigen Schritt näher.“
Vor- und Nachteile von DNA-Speichern
„Ein aktuelles Problem beim Verwenden von DNA als Datenspeicher ist, dass die datentragenden DNA-Stränge ungeordnet vorliegen. Diese Arbeit löst dieses Problem, indem die DNA-Stränge geordnet auf einem Kassettenband fixiert werden, und so wieder gut auffindbar und lesbar sind. Somit beschreibt diese Arbeit ein Medium für das geordnete Aufbewahren von DNA, welches insbesondere bei DNA als Datenspeicher Anwendung finden könnte.“
„Die Vorteile von DNA als Datenspeicher sind die sehr hohe Stabilität über Hunderte bis Tausende von Jahren. Zudem ermöglicht sie eine sehr hohe Datendichte: theoretisch mehrere Millionen Terabyte pro Gramm DNA.“
„Ein noch ungelöstes Problem für das Speichern von großen Datenmengen in DNA ist die aktuelle Lese- und Schreibgeschwindigkeit. Insbesondere das Herstellen der DNA-Stränge mit Information – also das Schreiben – ist noch sehr langsam und teuer. Es gibt aber neben dem Speichern von sehr großen Datenmengen auch andere Anwendungen von DNA-Datenspeichern, die mit kleineren Datenmengen auskommen und somit schon heute machbar sind: zum Beispiel das Einbringen von Daten in Produkte – DNA-of-things genannt (Informationen werden mittels DNA-Speichern direkt in Produktmaterialien eingebracht; Anm. d. Red.) – und kryptographische Anwendungen.“
Weitere Ansätze für Speicher
„Aktuelle Arbeiten beschäftigen sich mit dem ‚fünfdimensionalen‘ Beschreiben von Glas. Dabei wird Glas in drei Raumdimensionen und zwei optischen Dimensionen mit Lasern beschrieben. Mit dieser Technologie lassen sich ebenfalls hohe Datendichten und sehr lange Lagerstabilitäten erzielen. Aber kommerziell erhältlich ist diese Technologie auch noch nicht – zu gut und günstig sind wohl unsere aktuellen Speichermedien in alltäglichen Anwendungen.“
Leiter der Abteilung Mikrodisplays und Sensoren, Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme, Dresden
Bedeutung der Studie
„Generelles Fazit: Die Idee der Implementierung eines DNA-basierten Speichers in ein Standard-Kassetten-Tape-Format ist interessant, lässt sie doch auf den ersten Blick vor allem erhöhte Speicherdichte, gegebenenfalls höhere Langlebigkeit und idealerweise geringeren Energieeinsatz erwarten – während zugleich existierende Infrastruktur zumindest teilweise weiter genutzt werden könnte. Der Beitrag fokussiert auf die Herstellung eines kodierten Bandsubstrates (Informationen werden mittels DNA auf das Kassettenband kodiert; Anm. d. Red.), der Abscheidung extern vorsynthetisierter DNA auf das Bandsubstrat, deren Verkapselung sowie umgekehrte Vorgänge zum Lesen. Fraglich ist, ob das Konzept der DNA-Speicherung auf Band für die Zukunft hilfreich ist, da unverändert die mechanische Bandbewegung erforderlich ist. Zudem ist die funktionelle Kompatibilität zu magnetischen Tape-Systemen sehr begrenzt.“
Auf die Frage, was die Forschung leisten müsste, um DNA-Speicher auf ein Niveau mit herkömmlichen Speichern zu bekommen:
„Die eigentliche biologische Synthese müsste in einer hochdichten Hochdurchsatz-Plattform realisiert werden. Dazu bieten sich Mikroelektronik- und Mikrosystemtechnik-Ansätze wie X-on-Silicon an, die in hohen Volumina preiswert fertigbar sind. Zudem müsste für den höchsten Durchsatz das (Mikro-)System für Synthese und Speicherung ohne bewegte Teile auskommen, außer für Mikrofluidik.“
„Die fehlerfreie Hochdurchsatz-Synthese kleinster, in ihrer Sequenz frei-definierter Volumina ist der Flaschenhals. Bis dahin werden noch viele Jahre vergehen – doch Forschung und Entwicklung dorthin findet statt.“
Weitere Ansätze für Speicher
„Für Non-Volatile Memory (auf Deutsch: nichtflüchtige Speicher; Daten bleiben erhalten, auch wenn der Speicher von der Stromversorgung getrennt wird; Anm. d. Red.) wird an CMOS-integrierbaren Festkörperspeichern (CMOS: Complementary metal-oxide-semiconductor; herkömmliches Halbleiterbauelement; Anm. d. Red.) mit neuen, zum Beispiel ferroelektrischen Materialien geforscht.“
„Nein, keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine finanziellen Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte sehe ich nicht.“
Primärquelle
Jiang X et al. (2025): A compact cassette tape for DNA-based data storage. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.ady3406.
Prof. Dr. Thomas Dandekar
Leiter der Abteilung Bioinformatik, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Nein, keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Robert Grass
Titularprofessor im Labor für Funktionsmaterialien, Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine finanziellen Interessenkonflikte.“
Dr. Uwe Vogel
Leiter der Abteilung Mikrodisplays und Sensoren, Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme, Dresden
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte sehe ich nicht.“