Elektrochemische Herstellung von Zement
Es ist offensichtlich im Labormaßstab gelungen, eine elektrochemische Methode zu entwickeln, um Zement herzustellen. Ließe sich dieses Verfahren auf großtechnische Anwendungen übertragen, so könnte eine Alternative für die enorm CO2-intensive Herstellung des Baustoffes gefunden sein.
Leiter des Fachgebiets Baustoffe und Bauchemie, Institut für Bauingenieurwesen, Technische Universität Berlin
„Die Methodik der Studie ist nachvollziehbar und der Ansatz ist innovativ. Das Verfahren ist potenziell geeignet, Calciumhydroxid für großtechnische Prozesse herzustellen. Für die Herstellung von Portlandzement kann jedoch auch mit der vorgeschlagenen Methode nicht auf einen energieintensiven Hochtemperaturprozess bei etwa 1.500 Grad Celsius verzichtet werden. Vorteile gegenüber der konventionellen Herstellung von Portlandzement können sich nur ergeben, wenn reiner Kalkstein eingesetzt wird und die verwendete elektrische Energie vollständig regenerativ erzeugt wird und extrem günstig ist. Auch unter diesen Voraussetzungen sind die Einsparungen sehr begrenzt, da der Calciumgehalt im Portlandzement hoch ist und deshalb immer entsprechend viel CO2 durch die Zersetzung des Ausgangsstoffes Kalkstein freigesetzt wird, auch wenn der Prozess vollständig mit regenerativer Energie betrieben wird.“
Auf die Frage, welche anderen Ansätze für die weniger CO2-intensive Herstellung von Zementverfolgt werden:
„In alternativen Ansätzen wird zumeist der Calciumgehalt im Bindemittel verringert, um so den CO2-Ausstoß durch die Entsäuerung von Kalkstein zu vermindern oder sogar calciumhaltige Rohstoffe verwenden zu können, in denen das Calcium nicht carbonatisch gebunden ist. Alternativen beruhen auf industriellen Reststoffen, die jedoch nur sehr begrenzt zur Verfügung stehen und nicht ausreichen, große Mengen konventionelle Zemente zu ersetzen. Der häufig genutzte Ersatzstoff Steinkohlen-Flugasche wird durch das Zurückfahren der Kohleverstromung schon jetzt in Deutschland knapp, was die Notwendigkeit der Suche nach Alternativen verstärkt, da ansonsten zukünftig der Verbrauch an Portlandzement mangels Alternativen sogar ansteigen könnte.“
„Die vorgestellte Syntheseroute über ein elektrochemisch hergestelltes Zwischenprodukt unterscheidet sich erheblich von den bisherigen Syntheseverfahren, die in erster Linie auf thermisch initiierten Reaktionen beruhen. Eine Implementierung dieses Ansatzes im größeren Maßstab würde Jahrzehnte dauern und damit weder kurz- noch mittelfristig ein Potenzial zur Entlastung der CO2-Emissionen bieten. Zudem müssten zusätzlich zur Umstellung des bisherigen Strombedarfs auf regenerative Erzeugung auch gigantische zusätzliche Mengen an regenerativer elektrischer Energie erzeugt werden.“
„Auf der Suche nach kurz- und mittelfristigen Alternativen zum Zement auf Basis von Portlandzement bleibt festzustellen: Das größte und schnellste Potenzial zur Einsparung von CO2 ergibt sich durch den sparsameren Umgang: dauerhaftere Auslegung von Bauwerken, Instandsetzung statt Abriss und Neubau sowie geringere Wohn- und Nutzflächen sowie eine effizientere Nutzung der gebauten Infrastruktur. Alternative Baustoffe mit geringerem CO2-Fußabdruck dürfen zudem nicht automatisch ausgeschlossen werden, nur weil sie kurzfristig preislich teurer sind.“
„Mit keinem der Autoren des begutachteten Beitrages wurde in der Vergangenheit zusammengearbeitet oder gemeinsam publiziert. Es bestehen keine Interessenskonflikte hinsichtlich der eigenen Arbeitsgebiete.“
Primärquelle
Ellis LD et al. (2019): Toward electrochemical synthesis of cement—An electrolyzer-based process for decarbonating. PNAS. doi: 0.1073/pnas.1821673116.
Weiterführende Recherchequellen
Devi KS et al. (2017): Impacts of cement industry on environment - an overview. Asia Pac. J. Res, 1, 156-161.
Andrew RM (2018): Global CO2 emissions from cement production. Earth Syst. Sci. Data, 10, 195–217. doi: 10.5194/essd-10-195-2018.
Prof. Dr. Dietmar Stephan
Leiter des Fachgebiets Baustoffe und Bauchemie, Institut für Bauingenieurwesen, Technische Universität Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Mit keinem der Autoren des begutachteten Beitrages wurde in der Vergangenheit zusammengearbeitet oder gemeinsam publiziert. Es bestehen keine Interessenskonflikte hinsichtlich der eigenen Arbeitsgebiete.“