Erdbeben in der Ägäis rund um Santorini
in der Ägäis kommt es um die griechische Inselgruppe Santorini derzeit zu einer Reihe von Erdbeben
die Ägäis ist eine tektonisch aktive Region, dennoch sind Anzahl und Stärke der aktuellen Erdbebenserie ungewöhnlich, was die Sorge vor einem stärkeren Erdbeben auslöst
laut Forschenden ist das Santorini-System so aktiv wie lange nicht mehr, die Erdbeben könnten demnach auf eine Magmabewegung in das Santorini-System hindeuten
In der Ägäis nahe der griechischen Inselgruppe Santorini kommt es seit mehr als zwei Wochen zu vermehrten Erdbeben. Die Region ist für ihre seismische Aktivität bekannt, dennoch sind die derzeitige Erdbebenserie und die Häufung der Erdbebenstöße in kurzer Zeit ungewöhnlich. Die griechischen Behörden haben in den vergangenen Tagen bereits Vorkehrungen im Katastrophenschutz intensiviert. So sollen Einwohner und Besucher Versammlungen in geschlossenen Räumen vermeiden und sich nicht in Küstennähe aufhalten. Laut Angaben von Nachrichtenagenturen war der Ansturm auf Fährtickets von Santorini auf das Festland in den vergangenen Tagen besonders hoch. Auch das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung für die Region ausgesprochen.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Dynamik des Ozeanbodens, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)
Tektonische Aktivität
„In der Ägäis kommt es häufig zu Erdbeben und auch häufiger zu Erdbeben dieser Magnitude. Allerdings ist die aktuell zu beobachtende Häufung von Erdbeben sehr ungewöhnlich. Vergleichbares ereignete sich zuletzt in den Jahren 2011 und 2012; allerdings sind die gegenwärtigen Erdbeben noch stärker. Anders als damals ist auch, dass sich die Erdbeben in einer Region, circa 25 Kilometer nordöstlich von Santorini, als unterseeische Erdbeben häufen.“
Ursachen der Erdbeben
„Die gegenwärtigen Erdbeben sind sowohl auf vulkanische als auch auf tektonische Aktivität zurückzuführen. Eine wahrscheinliche Magmabewegung in das Vulkansystem von Santorini führt zu Spannungen in der Erdkruste. Diese Spannungen aktivieren die zahlreichen Verwerfungen im Umfeld von Santorini, an denen es dann zu Erdbeben kommt. In diesem Sinne ist die beobachtete Aktivität sehr wahrscheinlich auf eine Kombination beider Prozesse, also sogenannte vulkanotektonische Prozesse, zurückzuführen.“
Besonderheiten der aktuellen Erdbebenserie
„Auffällig sind derzeit zwei Trends: Die Anzahl der Beben und deren steigende Magnitude. Beide Entwicklungen sind häufig im Zuge vulkanischer Aktivität zu beobachten. Allerdings stellen wir fest, dass das Santorini-System so aktiv ist wie lange nicht mehr.“
Weitere Entwicklungen
„Der letzte Ausbruch auf Santorini ereignete sich im Jahr 1950 an Land und verlief komplett harmlos. Allerdings wissen wir auch von deutlich stärkeren historischen Ereignissen durch unterseeische Vulkaneruptionen [1]. Dabei ist wichtig anzumerken, dass unterseeische Eruptionen nicht zwangsläufig mit dem Auftreten eines Tsunamis verbunden sind. Wie sich die Situation in der nächsten Zeit entwickeln wird, ist jedoch unklar. Im Zuge des Projekt MULTI-MAREX sind wir derzeit vor Ort und führen aktuelle Messungen durch. In ein paar Tagen werden wir die Situation daher schon besser einordnen können.“
Arbeitsgruppenleiterin der Forschungsgruppe Magmaausbreitung in der Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, Potsdam, und außerordentliche Professorin an der Universität von Bologna, Italien
Tektonische Aktivität
„Santorini ist ein aktiver Vulkan in einer seismisch und tektonisch sehr aktiven Region. Daher sind Erdbebenschwärme in diesem Gebiet grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. In den letzten Jahrzehnten gab es mehrere seismische Krisen. Die aktuelle Erdbebenserie fällt jedoch durch ihre große räumliche Ausdehnung und die Anzahl moderater Beben bis etwa Magnitude fünf auf, die von der Bevölkerung und Touristen deutlich gespürt werden. Auch wenn solche Schwärme ‚normal‘ für die Region sind, bedeutet das nicht, dass sie ungefährlich sind.“
Ursachen der Erdbeben
„Es ist derzeit nicht eindeutig geklärt, ob die aktuelle seismische Krise rein tektonischen Ursprungs ist, also durch eine aktive Verwerfung verursacht wird, oder ob sie mit magmatischen Prozessen zusammenhängt. Einige Faktoren deuten darauf hin, dass Magma sich seitlich von Santorini oder Kolumbo (unterseeischer Vulkan nordöstlich der Insel Santorini; Anm. d. Red.) ausgebreitet hat. Allerdings sind genauere Daten erforderlich, um diese Hypothese zu bestätigen oder auszuschließen. Die Unterscheidung ist entscheidend, da tektonische Beben meist als einzelne Spannungsfreisetzungen auftreten. Selten können solche Spannungsfreisetzungen auch zu größeren Beben führen. Magmatische Prozesse hingegen können potenziell mit weiterem Magmaaufstieg und einem erhöhten Ausbruchsrisiko verbunden sein.“
Besonderheiten der aktuellen Erdbebenserie
„Der Anstieg der Magnitude könnte mit einem zunehmenden Volumen an Magma zusammenhängen, das sich durch die Erdkruste bewegt. Dies würde zu einer stärkeren mechanischen Belastung und damit zu stärkeren Beben führen. Es gibt jedoch auch andere mögliche Erklärungen, etwa eine fortschreitende Aktivierung einer größeren tektonischen Struktur.“
Weitere Entwicklungen
„Es ist schwer vorherzusagen, wie sich die Krise weiterentwickeln wird. Die Aktivität könnte bald abklingen oder noch über einen längeren Zeitraum andauern. Unabhängig davon ist es absolut gerechtfertigt, dass die Behörden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Besonders die Warnung vor möglichen Tsunamis und Erdrutschen entlang steiler Hänge ist wichtig, da Erdbeben solche sekundären Gefahren auslösen können.“
„Ich habe keine Konflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Preine J et al. (2024): Hazardous explosive eruptions of a recharging multi-cyclic island arc caldera. Nature Geosciene. DOI: 10.1038/s41561-024-01392-7.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] United States Geological Survey (USGS) (04.02.2025): USGS Magnitude 2.5+ Earthquakes, Past Day.
[II] Angelier J et al. (1982): The tectonic development of the hellenic arc and the sea of crete: A synthesis. Tectonophysics. DOI: 10.1016/0040-1951(82)90066-X.
[III] Antonopoulos J (1992): The great Minoan eruption of Thera volcano and the ensuing tsunami in the Greek Archipelago. Natural Hazards. DOI: 10.1007/BF00127003.
[IV] Bruins HJ et al. (2008): Geoarchaeological tsunami deposits at Palaikastro (Crete) and the Late Minoan IA eruption of Santorini. Journal of Archaeological Science. DOI: 10.1016/j.jas.2007.08.017.
Dr. Jens Karstens
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Dynamik des Ozeanbodens, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)
Prof. Dr. Eleonora Rivalta
Arbeitsgruppenleiterin der Forschungsgruppe Magmaausbreitung in der Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, Potsdam, und außerordentliche Professorin an der Universität von Bologna, Italien
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Konflikte.“