Forschende schlagen Ethik-Rahmen für Geoengineering-Forschung vor
US-Amerikanische Fachgesellschaft für Geophysik veröffentlicht Ethik-Empfehlungen für Forschung an Geoengineering
die Forschung soll unter anderem den Prinzipien der Gerechtigkeit, Partizipation und Transparenz folgen
unabhängige Forschende kritisieren einerseits die Zusammenfassung sehr unterschiedlicher Maßnahmen, loben andererseits die aufgegriffenen Aspekte und werfen die Frage auf, wie stark ethische Forderungen ausgeprägt sein sollten
Geoengineering soll mithilfe von technischen Mitteln die Erde abkühlen – meist entweder indem CO2 aus der Luft entfernt wird (Carbon Dioxide Removal, CDR) oder durch Maßnahmen, die dafür sorgen, mehr wärmende Sonnenstrahlung ins All zu reflektieren (Solar Radiation Modification, SRM). Schon die Erforschung dieser Methoden kann jedoch weitgehende und länderübergreifende Konsequenzen haben. Die American Geophysical Union (AGU) – eine der wichtigsten Fachgesellschaften der Geowissenschaften – hat nun ethische Rahmenrichtlinien für die Erforschung von Geoengineering veröffentlicht (siehe Primärquelle).
Leiter des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Risiken und Chancen der Erforschung und Anwendung von Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Modification (SRM)
„Die Risiken und Chancen bei CDR und SRM sind sehr unterschiedlich und es verwundert, dass diese beiden Technologiegruppen in einem Report zusammengefasst werden. CDR und SRM wurden in frühen Übersichtsarbeiten der Royal Society im (2009) oder des BMBF (2011) [1] als Geoengineering oder Climate Engineering überblicksartig und auch unter Berücksichtigung ethischer Aspekte diskutiert. Spätestens seit dem 1,5°C-Bericht des IPCCs (2018) sind CDR-Maßnahmen bereits Bestandteil von Szenarien, die mit ebendiesen Temperaturzielen im Einklang stehen. Die Risiken bestehen vor allem darin, diese Methoden zur atmosphärischen CO2-Entnahme nicht mehr rechtzeitig in dem Maße zu skalieren, wie es für die Erreichung der Temperaturziele notwendig ist. Daher ist eine generische Betrachtung von CDR – wie sie in dem Framework der AGU vorgenommen wird – nicht zielführend. Das gilt insbesondere, weil die Chancen und Risiken innerhalb der CDR-Methoden sehr unterschiedlich sind – beispielsweise bei Direct Air Capture und Carbon Storage versus Alkalinilitätserhöhung im Ozean (dabei soll CO2 chemisch gebunden werden, indem Mineralien wie Silikat oder Kalk ins Oberflächenwasser des Ozeans geleitet werden, Anm. der Red.). Bei SRM sind die Risiken ungleich höher, insbesondere bei fortschreitendem Klimawandel. Hier kann es zu unabgesprochenen Einsätzen einzelner Staaten kommen, was zu geopolitischen Spannungen führen kann. Außerdem können unerwünschte klimatische Nebenwirkungen verursacht werden.“
Einschätzung des Frameworks
„Ich halte das ethische Framework der AGU für veraltet und nicht angemessen für die tatsächlichen Herausforderungen bei CDR und SRM. Einzelne Empfehlungen stehen für ein seltsames Verständnis von Wissenschaft, da sie Aufgaben und Verantwortung der Politik auf die Wissenschaft übertragen. Hier wird teils eine normative Aufladung der Forschung vorgenommen, die für den Erkenntnisgewinn gefährlich ist. Aktuelle Herausforderungen beim Einsatz von CDR und insbesondere SRM werden nicht hinreichend oder gar nicht diskutiert: Welche Möglichkeiten, Chancen und Risiken ergeben sich für CDR in global nicht-koordinierten Klimapolitiken? Sollten industrialisierte Länder durch CDR einen Teil ihrer historischen Emissionen tilgen? Welche politischen und normativen Herausforderungen ergeben sich, wenn Ländern des globalen Südens, die nur einen geringen historischen Beitrag zum Klimawandel haben, (temporären) Einsatz von SRM fordern, um zum Beispiel Hitzewellen abzuschwächen? Gibt es eine Verantwortung für den Einsatz von SRM, um Global Commons – wie beispielsweise Meere oder Wälder – zu schützen, die selbst bei Einhaltung des 1,5°C-Ziels gefährdet sind?“
Lehrstuhlinhaber Umweltökonomik, Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
Risiken und Chancen der Erforschung und Anwendung von Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Modification (SRM)
„Geoengineering, insbesondere SRM-Methoden, sind bislang wenig erforscht. Die Forschung bietet die Chance, als Weltgemeinschaft ein besseres Verständnis der potenziellen Auswirkungen einer Anwendung zu erlangen. Allerdings birgt die Forschung auch Risiken: Positive Ergebnisse zur Machbarkeit könnten den Druck zur Emissionsreduktion mindern, wie das AGU-Framework warnt. Die Anwendung von Geoengineering hat eigene Chancen und Risiken, die gerade ja weiterer Forschung bedürfen. CDR-Maßnahmen bergen Risiken wie Landnutzungskonflikte, bieten aber die Möglichkeit, Treibhausgasemissionen zu kompensieren und langfristig negative Emissionen zu erreichen. SRM-Methoden können Niederschlagsmuster beeinflussen, ermöglichen jedoch eine vorübergehende Abmilderung der Klimawandelfolgen und könnten das Überschreiten von Kipppunkten verhindern. Beide Ansätze erfordern sorgfältige Abwägung und weitere Untersuchungen, um ihre Potenziale und Gefahren genauer einschätzen zu können.“
Einschätzung des Frameworks
„Ich bewerte das ethische Framework der AGU insgesamt positiv. Die gesellschaftliche Bedeutung eines verbesserten Wissenstandes wird zu Recht stark betont, ebenso wie zu Recht angemahnt wird, dass weder Forschung noch Anwendung von Geoengineering zu einem Nachlassen von Emissionsreduktionen führen dürfen. Die Ziele von verantwortungsbewusster, gesamtheitlicher, inklusiver, transparenter und informierter Forschung sind insgesamt unterstützenswert. Jedoch sehe ich die Gefahr, dass entschiedene Gegner der Erforschung von Geoengineering die genannten Prinzipien einseitig nutzen könnten, um Forschung zu unterdrücken. Gewünscht hätte ich mir daher noch deutlicher die Betonung, dass auch die Nicht-Erforschung eine Entscheidung darstellt. Auch eine solche Entscheidung, Forschung nicht voranzutreiben, sollte an den genannten Kriterien gemessen werden. Ebenso wie eine mögliche Anwendung ist auch die Erforschung eine Entscheidung, die eine Risiko-Risiko-Abwägung nötig macht.“
Umsetzbarkeit der empfohlenen Maßnahmen
„Unkontrovers und keineswegs auf Geoengineering-Forschung beschränkt ist die richtige Forderung nach Transparenz, die aus meiner Sicht vergleichsweise einfach umzusetzen ist. Ebenso sind die Regeln zur ‚Informed Governance‘, beispielsweise das Einhalten von internationalen und lokalen Gesetzen, unkontrovers und prinzipiell einfach umsetzbar. Schwierigkeiten sehe ich in den anderen Prinzipien: Wie sollen Forscher etwa holistisch Klimagerechtigkeit einschätzen oder abschließend beurteilen, welche langfristigen Auswirkungen einer großskaligen Anwendung entstehen könnten? Gerade hier sehe ich die oben genannte Gefahr, dass diese Prinzipien einseitig gegen Forschung ins Feld geführt werden könnten. Solange aber diese Prinzipien in einer unvoreingenommenen Risiko-Risiko-Abwägung sowohl für mögliche Forschung als auch mögliche Nicht-Forschung angewendet werden, sehe ich diese Prinzipien als sinnvoll und nützlich an.“
Juniorprofessor für Klimaethik, Nachhaltigkeit und Globale Gerechtigkeit, Philosophische Fakultät, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Risiken und Chancen der Erforschung und Anwendung von Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Modification (SRM)
„Ein viel diskutiertes Risiko ist die Gefahr, dass die Erforschung und der Einsatz von Geoengineering die Reduktion der Treibhausgas (THG)-Emissionen bremst. Die rasche Dekarbonisierung und damit einhergehende THG-Reduktion sind aber die Voraussetzung für einen zielführenden und verantwortungsvollen Einsatz von Geoengineering- Maßnahmen. Wenn Geoengineering die Reduktion ausbremst, wäre das eine Katastrophe. Wie groß dieses Risiko tatsächlich ist, ist unter ForscherInnen umstritten. Es lässt sich auch kaum zuverlässig überprüfen, ob sich Geoengineering-Forschung negativ auf Emissionsreduktionen auswirkt. Wichtig sind unter anderem politische Rahmenbedingungen, die keine Anreize für eine Reduktions-Verzögerung enthalten, also zum Beispiel getrennte Ziele und Handelssysteme für THG-Reduktion einerseits und CO2-Entnahme andererseits.“
„Die offenkundige Chance besteht darin, bestimmte Geoengineering-Maßnahmen so gut zu verstehen – wir denken hier insbesondere an CO2-Entnahme – dass sie effektiv und ohne signifikante Nebenwirkungen eingesetzt werden können. Dass sie so eingesetzt werden können, heißt freilich nicht, dass sie auch so eingesetzt werden. Es bedarf eines angemessenen politischen Rahmens, um das sicherzustellen.“
Einschätzung des Frameworks
„Dass es beim Thema Geoengineering nicht nur um technische und polit-ökonomische Aspekte geht, gerät häufig in den Hintergrund. Es ist ein großer Verdienst des Frameworks, die ethischen Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Ethik ist keine „add-on“-Überlegung. Vielmehr ist die gesellschaftliche Frage, welche Geoengineering-Maßnahmen wie erforscht und letztlich eingesetzt werden sollen, eine ethische Frage.“
„Das AGU-Framework legt eine umfassende Liste an Prinzipien vor. Zahlreiche relevante ethische Überlegungen werden genannt und hilfreich eingeordnet. Die Prinzipien ergänzen sich gegenseitig, überlappen sich zum Teil aber auch bis hin zur Redundanz. Zum Beispiel ist Prozedurale Gerechtigkeit (2.iv) die Grundlage für inklusive öffentliche Partizipation (3.). Und Verteilungsgerechtigkeit (2.iii) schließt nach allgemeinem Verständnis eine Zukunfts- und Vergangenheitsperspektive ein, deckt also mindestens intergenerationelle Gerechtigkeit (2.ii) mit ab. Das Framework wäre mit weniger Überlappungen stringenter.“
„Der Prinzipienkatalog des Frameworks ist im Grund ein Memorandum all dessen, was es zu bedenken gilt, und erhält so einen maximalistischen Charakter. Man kann den Katalog als kommunizierendes System flexibler Hürden betrachten, deren Höhen von EntscheidungsträgerInnen unterschiedlich eingestellt werden können. Werden Hürden niedrig gelegt, könnte der Katalog zu einer Check-Liste werden, die von Forschungs-Profis routiniert abgearbeitet werden kann, wie zum Beispiel beim ‚Responsible Research and Innovation‘ Programm der EU. Werden Hürden höher gelegt, könnten die Hürden in ihrer Summenwirkung wirkliche Probleme für Durchführung von Geoengineering-Forschung sein. Für Feldversuche zu einem globalen Strahlungsmanagement mittels Schwefelpartikeln mag das aus deutscher Perspektive beruhigend sein. Im Hinblick auf aktuelle Forschung zu CO2-Entnahme, auch und gerade in Deutschland [2] [3], wäre das aus unserer Sicht problematisch. Forschung – insbesondere zu CDR – ist nicht nur potenziell ethisch kontrovers, sondern auch dringend notwendig. Idealerweise sollte ein ethisches Framework diese beiden Punkte reflektieren und auch Stellung dazu beziehen, wann ethischen Forderungen genüge getan wurde beziehungsweise welche Forderungen über das Ziel hinausschießen.“
Umsetzbarkeit der empfohlenen Maßnahmen
„Aufgrund des generellen Charakters des Frameworks sind die Prinzipien und Maßnahmen recht vage formuliert und es kommt drauf an, wie sie interpretiert und ausbuchstabiert werden.“
„Prinzip 3 (inklusive öffentliche Partizipation) ist sehr inkludierend formuliert und die Beteiligung wird eine Durchführung von Geoengineering-Forschung vermutlich erschweren. ‚Free, Prior, Informed Consent‘ kann ein scharfes Schwert sein; erst recht, wenn das Prinzip so breit verstanden wird, dass alle ‚spiritually, culturally, ethically, biophysically, or materially‘ Betroffenen beteiligt werden müssen. Zugleich bleibt unklar, ob die Betroffenen wirklich zustimmen müssen, oder es ausreicht, sie einzubinden – und gegebenenfalls zu überstimmen ( […] and have their perspectives represented in deliberation processes‘).“
„Unstrittig ist, dass öffentliche Partizipation gut und wichtig ist, aber wie viel Partizipation ist genug Partizipation? Und wie viel zu viel? Auch dies sind ethische Fragen, die das Framework ob seiner – beabsichtigten – Allgemeinheit nicht beantworten kann. Klima-Interventionen sind etwas, was wir den Opfern des Klimawandels möglicherweise schulden. Wir müssen dabei vorsichtig sein – aber wir schulden es den Opfern des Klimawandels, nicht zu vorsichtig zu sein.“
„Prinzip 4 (Transparenz) ist vermutlich deutlich leichter erfüllbar, sofern der Wille zu Transparenz bei Förderern und Forschenden vorhanden ist.“
„Bei Prinzip 2 (ganzheitliche Klimagerechtigkeit) bleibt leider unklar, ob es ‚nur‘ um die gerechtigkeitsrelevanten Aspekte und Folgen des Forschungsprojekts selbst geht, oder auch um die Aspekte und Folgen der Geoengineering-Maßnahmen, wenn sie tatsächlich eingesetzt werden. Letzteres würde bedeuten, dass jedes Forschungsprojekt die Implikationen eines Einsatzes der Technik in Bezug auf die genannten Gerechtigkeitsdimensionen untersuchen sollte. Das wäre eine viel zu weitreichende und letztlich unsinnige Forderung.“
Das Statement entstand in Zusammenarbeit mit Konrad Ott, Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Lukas Tank, Postdoc am Lehrstuhl für Klimaethik und Globale Gerechtigkeit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Professorin für Technikethik und Wissenschaftsphilosophie. Beurteilung komplexer Wissensformen am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Risiken und Chancen der Erforschung und Anwendung von Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Modification (SRM)
„Sowohl CDR als auch SRM stehen für ganze Klassen an möglichen Geoengineering-Maßnahmen und der Teufel steckt gerade bei der ethischen Bewertung oft im Design-Detail: Was genau Chancen und Risiken darstellt, muss daher für jede Technologie einzeln geprüft werden.“
„Ganz grob lässt sich festhalten, dass die CDR-Maßnahmen im Vergleich zu SRM in der Regel mit mehreren Jahrzehnten bis zu den geforderten Effekten deutlich langwieriger sind und viel mehr Kooperation und Koordination zwischen Handelnden und Entscheidenden erfordert: auf der globalen, nationalen, regionalen, politischen und regulatorischen Ebene, sowie mit der Privatwirtschaft (vergleiche Teil zwei des Frameworks).“
„Die Chancen beider Technologien bestehen darin, den Klimawandel zu verlangsamen oder sogar zu stoppen beziehungsweise umzukehren. Risiken sind vielfältig – es wird sehr direkt in ein komplexes System eingegriffen, das aufgrund der Komplexität nicht komplett vorhersagbar ist: Egal wie gut unser (zukünftiges) Wissen über das Klimasystem ist, es werden immer Unsicherheiten bleiben.“
Einschätzung des Frameworks
„Das Framework der AGU ist umfassend und überaus begrüßenswert. Insbesondere weil es, erstens explizit als Richtlinie (guideline) formuliert ist, die weiter auszudifferenzieren und weiterzuentwickeln ist. Zweitens, weil es dazu in der Lage ist, die ethische Bewertung in einem vor allem aus starken und polarisierten Meinungen bestehenden ethischen Diskurs zu rationalisieren.“
„Besonders hervorzuheben ist hier der in Teilen partizipatorische Ansatz, der sich insbesondere durch eine starke kulturelle Sensitivität und Spezifizität auszeichnet, so dass bei Aspekten prozeduraler oder verteilender Gerechtigkeit die Ausgestaltung des Partizipationsprozesses gleichberechtigt mit den lokalen Communities gestaltet wird und versucht wird, verschiedene Kulturen und Wissenssysteme mit einzubeziehen.“
„Unserer Meinung nach hätten die folgenden fünf Aspekte mehr Berücksichtigung verdient:“
„Erstens: die Unsicherheiten jeden Erfolges einer Intervention in komplexen Systemen wie dem Klimasystem. Die Unsicherheiten werden zum Teil im Framework über den Verweis auf Risiken oder durch das inkrementelle experimentelle Setup, zum Beispiel im Prinzip 5.iii, indirekt angesprochen.“
„Zweitens: die Integration von Ethik im gesamten Forschungs- und Entwicklungszyklus, insbesondere auch zu Beginn bei der Formulierung der Forschungs- oder Entwicklungsfrage und nicht erst durch Risikoanalyse, nachdem die Forschungsfrage schon gesetzt ist.“
„Drittens: die ethischen Aspekte der Wissenschaftskommunikation, da es gerade in diesem Feld sehr schwierig ist, wertgeladenen Aussagen zu vermeiden oder explizit als solche kenntlich zu machen. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob Wissenschaftler*innen Begriffe wie Klimakatastrophe verwenden sollten.“
„Viertens: die besondere Verantwortung bei dieser Art der Forschung, da es sich hier immer auch gleich um ingenieurwissenschaftliche Anwendungen handelt.“
„Fünftens: im Framework wird die Option, dass Forschung aus ethischen Gründen nicht gemacht (und nicht allein modifiziert) wird, nicht hinreichend diskutiert.“
Umsetzbarkeit der empfohlenen Maßnahmen
„Da sich das ethische Framework insbesondere an Fachwissenschaftler wendet, die mit Geoengineering befasst sind, sind auch diese diejenige, die die Umsetzbarkeit abschließend bewerten können. Da ein Fachverband die Richtlinien federführend entwickelte und Anleihen aus verschiedenen Bereichen der angewandten Forschungs-Ethik – insbesondere aus Bereichen der biomedizinischen Forschung oder Sicherheitsforschung – genommen werden, halten wir sie für recht praxisnah.“
„Weitere Anleihen hätten aus der Ethik der Ingenieurwissenschaften und den verschiedenen ethischen Leitlinien für Ingenieure gezogen werden können und könnten gegebenenfalls helfen, unter anderem die folgenden zwei Herausforderungen bei der Umsetzung zu adressieren:“
„Die in Prinzip 2 genannten Werte und Konzepte (morally salient concepts and values) mögen intuitiv einleuchten und überzeugen, aber was genau diese Werte in der Praxis bedeuten und wie sich ihre Realisierung bewerten oder gar bemessen lässt, ist oftmals unklar und wiederum mit Unsicherheiten behaftet. Hier bräuchten die Wissenschaftler Vorlagen, wie dies geschehen kann. Als Vorbilder könnten hier zum Beispiel Nachhaltigkeitsindikatoren dienen.“
„Die Einbeziehung der relevanten Stakeholder (Prinzip 2 und 3) kann etwa zu einer Anpassung des experimentellen Designs führen. Hier können neue Stakeholdergruppen betroffen sein. In der Praxis sind Stakeholder-Befragungen aufwendig und werden nicht für jede Anpassung des Experiments neu gemacht werden. Eine Herausforderung ist, wie sich dann genau noch Fairness realisieren lässt.“
Das Statement entstand in Zusammenarbeit mit Gregor Betz, Professor für Wissenschaftsphilosophie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Climate economist and Senior Lecturer, Columbia University, Vereinigte Staaten
Risiken und Chancen der Erforschung und Anwendung von Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Modification (SRM)
„Das größte Risiko von Geoengineering – sowohl von SRM und vor allem von CDR – ist die moralische Gefahr: die Tatsache, dass selbst ein einfaches Gespräch über Geoengineering bedeutet, dass wir nicht über Solaranlagen, Wärmepumpen, Elektroautos oder grünen Stahl sprechen.“
„Es gibt vor allem bei SRM auch physikalische Risiken. Die scheinen relativ überschaubar zu sein, aber um das wirklich so sagen zu können, bedarf es mehr Forschung.“
Einschätzung des Frameworks
„Die moralische Gefahr selbst bedeutet auch nicht, dass wir nicht an Geoengineering forschen sollten. Aber ein jeder Satz über Geoengineering sollte mit den Worten beginnen, dass Geoengineering eben kein Ersatz für CO2-Reduzierung ist, wie es dieses ethische Framework auch klar macht.“
„Insgesamt ist dieses ethische Framework äußerst umfassend. Es bezieht sich auf die moralische Gefahr, auf globale Klimagerechtigkeit, auf Transparenz und auf die vielen anderen Aspekte, die bei der Forschung zum Geoengineering wichtig sind.“
Umsetzbarkeit der empfohlenen Maßnahmen
„In manchen Aspekten ist Geoengineering ohnegleichen. Das ethische Framework zeigt das auf. In vielen anderen Aspekten ist Geoengineering aber tatsächlich vergleichbar mit anderen Feldern der Klima- und Energieforschung.“
„Vor allem CDR ist derzeit in vielerlei Hinsicht einfach ‚nur‘ noch äußerst teure Mitigation. Das gilt etwa auch für die moralische Gefahr. Diese gibt es für grünen Wasserstoff genauso, wenn er beispielsweise als Alternative für Elektrofahrzeuge oder Wärmepumpen gesehen wird.“
„Das bedeutet auch, dass CDR und SRM nicht gleich behandelt werden sollten. Dieses ethische Framework tut es allerdings und normalisiert dadurch SRM vielleicht etwas zu stark.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte und war nicht in der AGU Studie involviert. Ich bin einer der Autoren des Assessmentberichts des BMBFs aus dem Jahr 2011, den ich in einer Antwort zitiert habe.“
„Ich sehe keine Interessenkonflikte, die meine Einschätzung in eine besondere Richtung verändern würden: Ich kenne natürlich viele der ‚Invited Contributors‘ des Berichts persönlich, Tyler Felgenhauer ist auch Co-Autor einer Veröffentlichung in Science: ‚Social Science Research to Inform Solar Geoengineering‘.“
„Wir haben keine Interessenkonflikte.“
„Wir sehen keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
American Geophysical Union (2024): Ethical framework principles for climate intervention research.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Rickels W et al. (2011): Gezielte Eingriffe in das Klima? Eine Bestandsaufnahme der Debatte zu Climate Engineering. Sondierungsstudie für das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
[2] CDRterra (2024): CDRterra – Forschungsprogramm zu landbasierten CO₂-Entnahmemethoden. Webseite des Forschungsprogramms.
[3] CDRmare (2024): CDRmare – Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Webseite des Forschungsprogramms.
Prof. Dr. Wilfried Rickels
Leiter des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Prof. Dr. Daniel Heyen
Lehrstuhlinhaber Umweltökonomik, Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
Prof. Dr. Christian Baatz
Juniorprofessor für Klimaethik, Nachhaltigkeit und Globale Gerechtigkeit, Philosophische Fakultät, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Prof. Dr. Rafaela Hillerbrand
Professorin für Technikethik und Wissenschaftsphilosophie. Beurteilung komplexer Wissensformen am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Dr. Gernot Wagner
Climate economist and Senior Lecturer, Columbia University, Vereinigte Staaten