Fremdenfeindlichkeit verringert Arbeitsmigration in deutsche Landkreise
Fremdenfeindlichkeit reduziert laut Studie signifikant Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte in deutsche Landkreise
gering qualifizierte Personen und EU-Bürger reagieren demnach stärker auf Wahlerfolge rechtsextremer Parteien, gut ausgebildete stärker auf rechtsextreme Gewalt
unabhängige Forschende halten Ergebnisse für plausibel, weisen aber darauf hin, dass Unsicherheiten bezüglich der Größe der Effekte bestehen
Xenophobie, also Fremdenfeindlichkeit, verringerte die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte in deutsche Landkreise im Zeitraum von 2004 bis 2017 statistisch signifikant und in der Effektstärke moderat. Der Effekt scheint bei schlechter ausgebildeten Arbeitsmigranten sowie jenen, die aus der EU zuziehen, tendenziell stärker ausgeprägt. Dies ist das Ergebnis der Analyse eines Teams von Forschenden des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Universität Kiel, die am 05.02.2025 im Fachjournal „Plos One“ erschienen ist (siehe Primärquelle). Es ist die erste derart umfassende Berechnung zu dieser Frage auf regionaler Ebene in Deutschland.
Juniorprofessorin für Quantitative Ökonomik an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Universität Potsdam
Wichtigste Befunde und Relevanz der Ergebnisse
„Die Forschungsergebnisse zeigen einen klaren Zusammenhang: In Landkreisen, in denen rechtspopulistische Parteien Wahlerfolge verzeichnen, geht die Zuwanderung von Arbeitskräften zurück. Überraschenderweise trifft dieser Effekt niedrig qualifizierte Arbeitnehmende stärker als Fachkräfte. Allerdings reagieren hochqualifizierte Arbeitskräfte empfindlicher auf rechte Gewalt in einer Region. Die Größe dieser Effekte ist beachtlich. Mit fortschreitendem demographischem Wandel werden diese Dynamiken zunehmend relevant für den deutschen Arbeitsmarkt.“
Einordnung in den Stand der Forschung
„Diese Erkenntnisse fügen sich in den bestehenden Forschungsstand ein. Der negative Effekt auf Arbeitszuwanderung entspricht den Ergebnissen internationaler Studien und überrascht daher nicht.”
Einordnung der Methodik
„Die methodische Qualität der Studie ist trotz nicht optimaler Datenlage überzeugend. Die Erfassung rechtsextremer Gewalt könnte unter Messfehlern leiden. Besonders problematisch wäre es, wenn systematische Untererfassung in Regionen mit hohem rechtspopulistischem Stimmenanteil, etwa im ländlichen Raum oder in Ostdeutschland, auftritt – dann wären die Effekte deutlich unterschätzt. Die Wahlergebnisse als Datenbasis sind zwar verlässlicher, bieten aber mit nur vier Messzeitpunkten wenig zeitliche Variation. Trotz sorgfältiger methodischer Arbeit bleiben gewisse Zweifel, ob Endogenität oder umgekehrte Kausalität als Treiber der gefundenen Effekte zweifellos komplett ausgeschlossen werden können – wenngleich es scheint, als hätten die Autoren methodisch das Bestmögliche aus den verfügbaren Daten gemacht. Der gefundene Zusammenhang erscheint somit in seiner Richtung plausibel, auch wenn die genaue Größenordnung aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten vielleicht mit Vorsicht zu interpretieren ist.“
Leiter des Institut für Wirtschaftspolitik, Leibniz Universität Hannover
Wichtigste Befunde und Relevanz der Ergebnisse
„Die Studie untersucht erstmalig die Wirkungen fremdenfeindlicher Einstellungen – approximiert über lokale Wahlergebnisse für rechtsextreme Parteien sowie rechtsextreme Straftaten – auf die Niederlassungswahrscheinlichkeit von Arbeitsmigrantinnen und -migranten im Zeitraum 2004 bis 2017. Die Ergebnisse bestätigen aus der Literatur für andere Länder bekannte negative Effekte. Die regionale Variation ist dabei beträchtlich und beträgt bei unausgebildeten Personen im Unterschied 2,5 Migranten pro 1000 Erwerbstätigen bezogen auf die Wahlergebnisse von 2017. Das sind beträchtliche Effekte gegeben eine durchschnittliche Zuzugsrate von 4,3 Personen pro 1000 Erwerbstätigen pro Jahr im Untersuchungszeitraum. Diese Ergebnisse sind sehr relevant für Arbeitsmarkt und Bevölkerung, beispielsweise im Hinblick auf den Arbeitskräftemangel oder auch die Tragfähigkeit der Sozialversicherungen; ungleich verteilte regionale Migration erfordert deutlich mehr Umverteilung.“
Einordnung in den Stand der Forschung
„Die Ergebnisse decken sich mit dem Stand der internationalen Forschung. Für Deutschland lagen bisher noch keine Ergebnisse zur Arbeitskräftemigration vor. Hervorzuheben ist, dass sich stärkere Effekte für EU-Bürger zeigen. Außerdem finden sich signifikante Effekte für geringqualifizierte beziehungsweise unqualifizierte Migranten, während ältere Studien eine stärkere Reaktion bei Hochqualifizierten zeigten. Eine offene Frage ist an dieser Stelle, wie sich die Migration nach Qualifikation verändert hat: Bei weniger Hochqualifizierten insgesamt kann die Ermittlung signifikanter Ergebnisse aus statistischen Gründen schwieriger sein.“
Einordnung der Methodik
„Die Studie ist methodisch sehr sauber erarbeitet. So werden verschiedene quantitative Verfahren genutzt, um die Schwächen der einzelnen Ansätze zu reduzieren. Aufwändig wird versucht, sogenannte endogene Zusammenhänge von den Effekten zu trennen, das heißt, dass bestimmte Kontexte die xenophoben Einstellungen und die Niederlassungswahrscheinlichkeit gleichzeitig bedingen. Auch die Identifizierung der Zuwandernden mit ihrem ersten Niederlassungsort nutzt das bestmögliche Näherungsverfahren, das aktuell auf die Arbeitsmarktdaten angewandt werden kann. Die Ergebnisse sind sehr plausibel und fügen sich passfähig in die verschiedenen Theorien sowie die vorhandene empirische Literatur ein. Eine Limitation – neben der erforderlichen Näherung des Zuzugs in den Daten – kann aber in der Modellierung der Effekte liegen, da diese linear formuliert sind. Das erscheint für den betrachteten Zeitraum zutreffend, erschwert aber die Extrapolation auf Zeiträume mit höherer Migration oder verstärkten fremdenfeindlichen Einstellungen. Eine weitere besteht darin, dass unklar ist, wie sich die Wanderungsneigungen potenzieller Arbeitskräfte aus dem Ausland verändern, das heißt, inwiefern Deutschland als Arbeitsort gar nicht mehr in Betracht gezogen wird und stattdessen andere Länder bevorzugt werden.“
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die aktuelle Situation
„Grundsätzlich erscheinen die Ergebnisse – auch vor dem Hintergrund der weiteren, verfügbaren Literatur – auf die aktuelle Situation übertragbar zu sein. Unter der Annahme, dass die Approximation fremdenfeindlicher Einstellungen über das Wahlverhalten für rechtsextreme Parteien weiter gilt, dürften die Effekte eher zugenommen haben. Bereits zum Ende des Untersuchungszeitraums der Studie waren die Stimmanteile für die AfD wesentlich, die übrigen rechtsextremen Parteien hingegen vernachlässigbar. Zu bedenken ist dabei, dass die AfD erst 2013 gegründet wurde und zunächst eher wirtschaftsliberale und europaskeptische Positionen vertreten hat – im Nachgang an die Finanz- und Wirtschaftskrise und der Frage einer Solidarisierung von Staatsschulden innerhalb der EU. Die Radikalisierung hat in den Folgejahren deutlich zugenommen und erst nach dem Ende des Studienzeitraums zu den Beobachtungen beziehungsweise den Einstufungen durch die Verfassungsschutzbehörden geführt.“
„Auch das Migrationsgeschehen hat sich verändert. Nachdem die erste Dekade des Jahrhunderts, die knapp die Hälfte des Untersuchungszeitraums ausmacht, durch geringere Zuwanderungsraten charakterisiert war, hat die Zuwanderung später deutlich zugenommen. Hinzu kommen die in der Studie nicht berücksichtigten Asylsuchenden aus Syrien und Afghanistan, die in großer Zahl 2015 und 2016 kamen, sowie die ukrainischen Geflüchteten seit 2022. Diese haben die fremdenfeindlichen Attitüden offenkundig verstärkt und spiegeln sich in starken Wahlergebnissen rechtsextremer Parteien wider. Dies hat – wie die Studie klar belegt – direkte Effekte auf die Arbeitsmigration. Die Effekte dürften entsprechend eher zugenommen haben.“
Juniorprofessorin für Migrationsökonomik an der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin
Wichtigste Befunde
„Die Studie zeigt, dass in Regionen mit stark ausgeprägten fremdenfeindlichen Haltungen –gemessen an den Stimmenanteilen rechtsextremer beziehungsweise rechtspopulistischer Parteien und an der Häufigkeit rechtsextremer Gewalttaten – tendenziell weniger ausländische Arbeitskräfte zuziehen. Konkret bedeutet das: Ein höherer Anteil an Stimmen für rechte Parteien oder eine höhere Rate fremdenfeindlicher Gewalt korreliert mit niedrigeren Arbeitsmigrationsraten in den jeweiligen Landkreisen.“
Relevanz der Ergebnisse
„Die Effekte sind insgesamt moderat, aber statistisch signifikant. Beispielsweise führen steigende Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien – relativ zu anderen Regionen – zu einem leicht verringerten Zuzug an ausländischen Arbeitskräften. In den Instrumentalvariablen-Schätzungen fällt dieser Effekt stärker aus als in einfachen Fixed-Effects-Modellen, da die Autoren hier mögliche Messfehler und Endogenität besser kontrollieren.“
„Bei den detaillierten Unterschieden nach Qualifikationsgruppen zeigt sich, dass insbesondere un- oder niedrigqualifizierte Arbeitskräfte – beziehungsweise solche mit unbekannter Qualifikation – stärker auf hohe Wahlergebnisse rechter Parteien reagieren und dann seltener zuziehen. Hingegen scheint fremdenfeindliche Gewalt eher den Zuzug Hochqualifizierter zu vermindern, wobei die Evidenz dafür etwas weniger robust ist.“
„Bei der Größenordnung ist zu beachten, dass der Vergleich ‚innerhalb‘ Deutschlands gilt. Es geht um den relativen Rückgang der Zuwanderung über Landkreise hinweg. Abschreckung der Migration durch rechtspopulistische Parteien auf nationaler Ebene könnten deutlich höher sein.“
Relevanz der Ergebnisse für Arbeitsmarkt und Bevölkerung
„Zwar sind die absoluten Migrationsraten in viele deutsche Regionen nicht sehr hoch, aber es lässt sich dennoch feststellen, dass Gebiete mit starker rechter Mobilisierung womöglich weniger dringend benötigte Fachkräfte und Arbeitskräfte anziehen. Dies kann eine ohnehin schon bestehende strukturelle Schwäche – gerade in ostdeutschen Regionen mit starker Überalterung – noch verschärfen, wenn der Fachkräftemangel weiter zunimmt. Für die Gesamtbevölkerung ist dies insofern bedeutsam, als eine geringere Zuwanderung hoch- und niedrigqualifizierter Arbeitskräfte Wachstumschancen und demographische Stabilität schwächen kann.“
„Es ist wichtig festzustellen, dass es um bereits im Land Erwerbstätige mit Nicht-Deutscher Staatsangehörigkeit geht. Der Zuzug oder Wegzug nicht-sozialversicherungspflichtig erwerbstätiger Migranten im IEB-Datensatz, wie beispielsweise Selbstständige oder Arbeitslose, ist nicht erfasst.“
Einordnung in den Stand der Forschung
„Die Studie bestätigt zum einen bereits bekannte Zusammenhänge: In der Migrationsforschung ist einerseits bekannt, dass Zuwanderer jene Orte meiden, an denen sie sich Diskriminierung oder Ablehnung stärker ausgesetzt sehen [1] [2]. Die Studie bestätigt diesen negativen Zusammenhang nun für ausländische Arbeitsmigranten in Deutschland.“
„Die Untersuchung enthält auch Neuerungen. Sie fokussiert gezielt auf die erste Wahl des Wohnorts bei Arbeitsmigranten aus dem Ausland und unterscheidet verschiedene Qualifikationsniveaus.“
„Sie zeigt darüber hinaus, dass ein größerer ko-ethnischer Anteil in einer Region den abschreckenden Effekt fremdenfeindlicher Einstellungen verstärken kann. Offenbar werden negative Erfahrungen und Warnungen in größeren eigenen Communitys schneller oder intensiver kommuniziert, sodass die Anziehungskraft solcher Regionen für Neuzuwanderer weiter sinkt. Eine solche Verstärkung durch das eigene Netzwerk war in der Literatur zwar schon vereinzelt angedeutet, aber nicht systematisch für deutsche Kreisdaten untersucht.“
Einordnung der Methodik
„Die Autoren nutzen ein umfangreiches Panel-Datenset für die Jahre 2004 bis 2017 mit detaillierten Informationen zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Mit Fixed-Effects-Modellen werden unbeobachtete zeitkonstante Regionseigenschaften kontrolliert. Zudem wird eine Instrumentalvariablen-Schätzung eingesetzt, um mögliche Endogenität der fremdenfeindlichen Variablen – beispielsweise gegenseitige Beeinflussung von Wahlergebnissen und Migration – zu mindern.“
„Die Verwendung unterschiedlicher Instrumente, etwa das Angebot an Ausbildungsplätzen oder der Anteil niedrigqualifizierter Ausländer in Kombination mit geographischen Faktoren, erscheint gut durchdacht. Es gibt möglicherweise Verzerrungen, da die ‚exclusion restriction‘-Annahme der Instrumentalvariablen-Schätzung nicht erfüllt ist. Dennoch sind die Korrelationen und Fixed-Effects-Methode weitestgehend überzeugend.“
„Bei der Messung fremdenfeindlicher Gewalt kann es jedoch Messfehler geben, da solche Straftaten möglicherweise untererfasst oder nicht immer korrekt kategorisiert werden. Die Instrumentalvariablen-Schätzungen legen nahe, dass diese Messfehler die Ergebnisse in den einfachen Modellen unterschätzen könnten.“
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die aktuelle Situation
„Die Daten enden 2017. Seitdem hat sich das Auftreten der AfD und das allgemeine politische Klima weiterentwickelt, zum Beispiel durch zeitweise schwankende Umfragewerte oder Verschiebungen bei Landtagswahlen. Ob sich die Effekte aktuell verstärkt oder abgeschwächt haben, hängt davon ab, inwieweit die öffentliche Sichtbarkeit rechtsgerichteter Ideologien und Gewalttaten zugenommen oder abgenommen hat. Das Modell legt aber nahe, dass ein anhaltend hoher Zuspruch für rechte Parteien und möglicherweise auch rechte Gewalttaten zumindest kein förderlicher Faktor für Arbeitsmigration in betroffenen Regionen ist.“
„Die Autoren weisen darauf hin, dass sich durch Demografie und Fachkräftemangel die Konkurrenz um ausländische Fachkräfte verschärft. Dadurch dürften Regionen mit ausgeprägter Fremdenfeindlichkeit in Zukunft weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, was den Mangel an Arbeitskräften noch stärker spürbar machen könnte.“
„Insgesamt sind die beschriebenen Mechanismen weiter valide. Die Abneigung gegen Einwanderer oder die Furcht vor Diskriminierung und Gewalt bleibt für Neuankömmlinge ein entscheidender Standortfaktor. Moderne Medien und Vernetzung in eigenen Migrationsnetzwerken dürften diese Wahrnehmung sogar noch schneller verbreiten.“
Professor of Labor Economics, Rutgers University , New Brunswick, Vereinigte Staaten
„Es scheint einleuchtend, dass Einwanderer Gebiete meiden, die einwanderungsfeindlich sind. Allerdings könnten einwanderungsfeindliche Gebiete Sündenböcke suchen, weil die Wirtschaft schlecht läuft, und die geringe Zuwanderung in diese Gebiete könnte daher zumindest teilweise auf wirtschaftliche Faktoren und nicht auf Fremdenfeindlichkeit zurückzuführen sein. In diesem Beitrag wird überzeugend dargelegt, dass Fremdenfeindlichkeit über den wirtschaftlichen Effekt hinaus eine abschreckende Wirkung auf Einwanderer hat. Was er nicht eindeutig zeigt, ist das Ausmaß dieses Effekts. Die einfachere der beiden Methoden zeigt nur eine sehr geringe Auswirkung, während die kompliziertere Methode eine achtmal so große Auswirkung ergibt und somit von mittlerer Größe ist. Die Schwierigkeit, die kompliziertere Methode in diesem Zusammenhang anzuwenden, scheint mir zu groß zu sein, als dass die Ergebnisse dieser Methode überzeugend wären.“
Professor für Empirische Wirtschaftsforschung am Institut für Finanzwirtschaft, Universität Innsbruck
Einordnung in den Stand der Forschung
„International gibt es eine Reihe ähnlicher Studien. Ein Unterschied besteht darin, ob sich diese Studien auf regionale Unterschiede innerhalb eines Landes konzentrieren oder länderübergreifende Vergleiche anstellen. Für potenzielle Zuwanderer ist es schwieriger einzuschätzen, ob eine bestimmte Region innerhalb eines Landes im Vergleich zu anderen Regionen offener für Zuwanderung ist, als es bei Unterschieden zwischen Ländern der Fall ist.“
„Ein herausstechendes Merkmal dieser Studie ist, dass sie eher Effekte auf niedrigqualifizierter Zuwanderung findet. Generell reagieren höherqualifizierte Zuwanderer sensibler auf politische Rahmenbedingungen.“
„So zeigte eine Studie aus 2024 [1], dass ein Anstieg des Stimmenanteils rechtspopulistischer Parteien um 10 Prozent die hochqualifizierte Zuwanderung um 27 Prozent und die niedrigqualifizierte Zuwanderung um 16 Prozent verringert. Hochqualifizierte Migranten reagieren besonders empfindlich auf das politische Klima, während niedrigqualifizierte Migranten sowie Personen aus Ländern mit großen Diasporas oft weniger Alternativen haben und daher seltener ihre Migrationsentscheidungen anpassen. Aufgrund unterschiedlicher Messmethoden ist ein direkter Vergleich der Effektgrößen zwischen den Studien jedoch schwierig.“
„Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, ob die beobachteten Effekte primär durch die Wahrnehmung einer ablehnenden Haltung oder durch konkrete politische Maßnahmen von einwanderungskritischen Parteien ausgelöst werden. Eine italienische Studie zeigt beispielsweise, dass die Wahl von Bürgermeistern der Lega Nord zu einer geringeren lokalen Zuwanderung führt [3]. Die Autoren führen dies hauptsächlich auf die umgesetzten politischen Maßnahmen zurück und weniger auf eine allgemeine Wahrnehmung der Ablehnung von Zuwanderern.“
Einordnung der Methodik
„Die zentrale methodische Herausforderung bei der Beantwortung der Frage, ob eine zuwanderungskritische Haltung in der Bevölkerung die Zuwanderung kausal beeinflusst oder ob andere Faktoren beide Variablen gleichzeitig beeinflussen, liegt in der Identifikation kausaler Zusammenhänge. So kann beispielsweise eine hohe Kriminalitätsrate die Zufriedenheit in der Bevölkerung verringern, die Unterstützung für einwanderungskritische Parteien stärken und gleichzeitig bestimmte Zuwanderergruppen abschrecken.“
„Die Autorinnen und Autoren nutzen mehrere methodische Ansätze, um dieses Problem zu adressieren. Inwieweit ihnen dies gelungen ist, bietet jedoch Raum für weitere Diskussionen.“
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die aktuelle Situation
„Im betrachteten Zeitraum 2004 bis 2017 haben sich sowohl das Erscheinungsbild als auch das System der Rechtsaußen-Parteien erheblich verändert. Sie entwickelten sich von einer Randerscheinung zu einer bedeutenden politischen Kraft. Auch die AfD hat ihren Kurs nach der Wahl 2013 stark geändert und sich erst danach zu einer dezidiert migrationskritischen Partei entwickelt [4]. Daher ist nicht klar, inwieweit die Ergebnisse auf die aktuelle Situation übertragbar sind. Meine Hypothese ist, dass die Effekte insbesondere auf die qualifizierte Zuwanderung unterschätzt werden.“
Professor für Angewandte Ökonometrie und Politikevaluation, Universität Freiburg, Schweiz
Einordnung der Methodik
„Die Studie untersucht, ob der Anteil der Stimmen für rechtsextreme und -populistische Parteien und das Ausmaß fremdenfeindlicher Gewalt in einer Region – beides als Indikatoren für fremdenfeindliche Einstellung interpretiert – die Wohnortwahl von Arbeitsmigrant*innen in Deutschland beeinflussen.“
„Die Analyse basiert auf einer ‚Fixed-Effects-Regression‘, die sowohl Unterschiede in gewissen wirtschaftlichen Faktoren zwischen den Regionen als auch in allen zeitlich unveränderlichen regionalen Merkmalen berücksichtigt. Das gewählte Modell ist zwar gängig, entspricht aber nicht den neuesten Standards, da es starke Annahmen über den Einfluss von Fremdenfeindlichkeit auf die Wohnortwahl trifft – etwa, dass sich dieser Effekt weder im Zeitverlauf noch mit der Intensität der Fremdenfeindlichkeit verändert. In einem zweiten Schritt wird die Analyse um sogenannte Instrumentenvariablen erweitert, die die Fremdenfeindlichkeit beeinflussen sollen, jedoch laut unterstellter Annahme nicht direkt die Wohnortwahl – mit dem Ziel, unbeobachtete Störfaktoren in der Analyse zu vermeiden.“
„Trotz diverser Checks in der Studie bleiben Zweifel an der Eignung dieser Instrumente und zudem übernimmt das erweiterte Modell die starken Annahmen der ursprünglichen Methode. Die Unterschiede in den Effektgrößen mit und ohne Instrumente deuten darauf hin, dass die Resultate nicht über verschiedene methodische Ansätze hinweg stabil sind. Es wäre daher wünschenswert, die Analyse auch mit moderneren ‚Fixed-Effects‘-Verfahren durchzuführen, die auf weniger starken Annahmen basieren und in der aktuellen Forschung als verlässlicher gelten.“
Leiter des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik, ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München und Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration
Wichtigste Befunde
„In dieser Studie wird festgestellt, dass fremdenfeindlichere Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2017 weniger Arbeitsmigranten aufweisen. Die Fremdenfeindlichkeit wird anhand des rechtsextremen Wähleranteils und der politisch motivierten Kriminalität durch Rechtsextremisten gemessen. Die Autoren schätzen, dass ein Anstieg des rechtsextremen Stimmenanteils um 32 Prozentpunkte, der der Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten rechtsextremen Stimmenanteil in einem Landkreis bei der Bundestagswahl 2017 entspricht, zu zwei weniger Arbeitsmigranten pro 1000 Arbeitnehmern führen würde.“
Einordnung in den Stand der Forschung
„Die Ergebnisse stehen im Einklang mit der bisherigen Literatur. Da einwanderungsfeindliche Gewalt und negative Einstellungen das Leben von Zuwanderern erschweren, ist zu erwarten, dass diese Faktoren die Zuwanderung in einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt bremsen.“
Einordnung der Methodik
„Ich halte die Ergebnisse für plausibel, wäre aber vorsichtig damit, sie als kausale Wirkung negativer Einstellungen auf Arbeitsmigration zu interpretieren. Obwohl die Autoren ihr Bestes tun, um kausale Effekte zu schätzen, könnten die Ergebnisse zu einem großen Teil durch den Unterschied zwischen Ost und Westdeutschland bedingt sein. Ich hätte gerne gesehen, ob die Ergebnisse auch in den neuen und alten Bundesländern gelten, wenn diese getrennt untersucht werden.“
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die aktuelle Situation
„Es ist wahrscheinlich, dass die qualitative Feststellung, dass Fremdenfeindlichkeit von der Einwanderung abhält, auch in späteren Jahren zutrifft, im Einklang mit den Ergebnissen aus anderen Ländern. Das Ausmaß der Auswirkungen kann sich allerdings durchaus ändern. Der von den Autoren analysierte Zeitraum umfasste nicht nur das veränderte Auftreten der AfD, sondern auch die Jahre, in denen die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak sehr hoch war.“
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
„Ich bin nicht der Ansicht, dass ich einen Interessenkonflikt habe.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Es gibt keine Interessenkonflikte. Ich habe 2023 einen Artikel zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Deutschland und die Effekte von Einstellungen auf ihre Integration veröffentlicht, aber ich sehe hier keinen Interessenkonflikt.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Buch T et al. (2025): Do xenophobic attitudes influence migrant workers’ regional location choice? Plos One. DOI: 10.1371/journal.pone.0316627.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Docquier F et al. (2024): Migrants' Self-Selection and the Vicious Circle of Right-Wing Populism. IZA Discussion Papers.
[2] Bellodi L et al. (2024): Digging Up Trenches: Populism, Selective Mobility, and the Political Polarization of Italian Municipalities. IZA Discussion Papers.
[3] Bracco E et al. (2018): The effect of far right parties on the location choice of immigrants: Evidence from Lega Nord Mayors. Journal of Public Economics. DOI: 10.1016/j.jpubeco.2018.07.012.
[4] Cantoni D et al. (2020): Persistence and Activation of Right-Wing Political Ideology. Working Paper.
Prof. Dr. Eva Markowsky
Juniorprofessorin für Quantitative Ökonomik an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Universität Potsdam
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Stephan L. Thomsen
Leiter des Institut für Wirtschaftspolitik, Leibniz Universität Hannover
Prof. Dr. Sulin Sardoschau
Juniorprofessorin für Migrationsökonomik an der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
Jennifer Hunt
Professor of Labor Economics, Rutgers University , New Brunswick, Vereinigte Staaten
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin nicht der Ansicht, dass ich einen Interessenkonflikt habe.“
Prof. Dr. Andreas Steinmayr
Professor für Empirische Wirtschaftsforschung am Institut für Finanzwirtschaft, Universität Innsbruck
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Martin Huber Ph.D.
Professor für Angewandte Ökonometrie und Politikevaluation, Universität Freiburg, Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Panu Poutvaara
Leiter des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik, ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München und Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es gibt keine Interessenkonflikte. Ich habe 2023 einen Artikel zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Deutschland und die Effekte von Einstellungen auf ihre Integration veröffentlicht, aber ich sehe hier keinen Interessenkonflikt.“