Gaspreise: EU veröffentlicht „Action Plan for Affordable Energy“
„Action Plan for Affordable Energy“ der EU-Kommission soll Energiepreise senken
langfristige Gasverträge, neue Investitionsmöglichkeiten in Exportinfrastruktur im Ausland und flexiblere Vorgaben zu Speicherfüllständen angestrebt
unabhängige Forschende sehen vor allem die Investition in Exportinfrastruktur im Ausland aufgrund der Klimaneutralitätsziele kritisch
Leiter des Geschäftsfelds Erneuerbare Energien, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Relevanz der Gaspreise
„Es ist gut, dass die EU-Kommission im Aktionsplan für bezahlbare Energie ihr Augenmerk weiter auf die Gasmärkte richtet und das Auftreten von Gaspreisspitzen so weit wie möglich vermeiden will – vor allem mit Blick auf den Strommarkt. Denn die Gaskrise hat gezeigt, dass Gaspreisspitzen auch den Strompreis stark nach oben treiben, da Gaskraftwerke oft preissetzend an den Strommärkten sind. Daher ist es mit Blick auf das Ziel wettbewerbsfähiger Strompreise von zentraler Bedeutung, Gaspreisspitzen zu vermeiden.“
Mehr Langfrist-Verträge
„Die dafür vorgesehenen Maßnahmen wie eine stärkere wettbewerbsrechtliche Kontrolle und das Unterstützen der Mitgliedsstaaten unter anderem bei Langfristverträgen und bei der Bündelung ihrer Nachfrage erscheinen grundsätzlich sinnvoll. Der Aktionsplan für bezahlbare Energie lässt allerdings an vielen Stellen noch offen, wie dies genau geschehen soll. Wichtig ist mit Blick auf die für 2050 angestrebte Klimaneutralität, dass Langfristverträge für die Lieferung von fossilem LNG weiter spätestens 2049 enden, wie von der EU bereits in ihrem Gaspaket festgelegt wurde.“
Investition in Exportinfrastruktur im Ausland
„Kritischer ist diesbezüglich die Frage nach Investitionen in LNG-Infrastruktur in Drittstaaten. Hier macht es das Klimaneutralitätsziel erforderlich, neue LNG-Terminals schon vor ihrer vollständigen Refinanzierung für erneuerbare Brennstoffe nutzbar zu machen. Dies sollte seitens der EU und ihrer Mitgliedsstaaten im Fall von Investitionen in Drittstaaten sichergestellt werden. Weiterhin muss darauf hingewirkt werden, dass die Methanemissionen bei der Förderung und dem Transport von Erdgas möglichst stark begrenzt werden. Die EU hat mit ihrer Methanregulierung hier wichtige Vorkehrungen getroffen, die aber teilweise nicht unmittelbar greifen. Im Fall eines Engagements bei Investitionen in den Lieferländern sollte daher zusätzlich auf die Umsetzung entsprechender Vorkehrungen hingewirkt werden.“
Auswirkungen auf die Industrie
„Für die Industrie bedeuten höhere Gaspreise in der EU, dass sich im europäischen Wettbewerb die nötigen Investitionen in Alternativen zu Erdgas früher rentieren, während im internationalen Wettbewerb unter Umständen Nachteile entstehen. Für die Industrie sind daher neben einer Begrenzung der Gaspreisspitzen zwei Dinge entscheidend: zum einen ein verlässlicher Anstieg der Kosten einer Erdgasnutzung über den CO2-Preis, um Investitionen in die Alternativen zu fördern und abzusichern, und zum anderen ein hinreichender Schutz im internationalen Wettbewerb durch eine zügige Ausweitung und strikte Umsetzung des EU-Grenzausgleichmechanismus (CBAM).“
Ursachen für hohe Gaspreise
„Für die aktuell hohen Gaspreise spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Preistreiber sind sicher neue Unsicherheiten über die Verfügbarkeit durch die Einstellung des Gastransits durch die Ukraine und die gesteigerte Nachfrage auf Grund der vergleichsweise kalten Witterung der vergangenen Wochen. Hinzu können auch marktverzerrende Signale durch die bestehende Regulierung kommen – unter anderem die Vorgaben zum Befüllen der Gasspeicher, wenn dadurch die Speicher jetzt weniger genutzt werden als marktlich sinnvoll.“
Vorgaben für Speicherfüllstände
„Aktuell ist jedoch zu beobachten, dass sich die Gasspeicher in Deutschland schneller leeren als in vergleichbar kalten Wintern in der Vergangenheit. Dabei spielt vermutlich eine wichtige Rolle, dass die Vorgaben zum Befüllen der Gasspeicher gegebenenfalls zu einem Eingreifen des staatlich beauftragten Akteurs THE führen, worauf sich manche Marktteilnehmer:innen womöglich verlassen.“
„Die Ausführungen der Kommission im Aktionsplan für bezahlbare Energie zu mehr Flexibilität beim Befüllen der Speicher sind äußerst vage und lassen hier keine kurzfristigen konkreten Initiativen seitens der EU erwarten. Allerdings leeren sich die Speicher in anderen EU-Ländern teils auch deutlich langsamer als in Deutschland. Dies spricht dafür, dass der Treiber hier nicht per se die EU-Vorgaben zu den Speicherfüllständen sind, sondern ihre nationale Ausgestaltung. Insofern ist hier die Bundesregierung gefragt, mehr Anreize für das marktliche Befüllen der Speicher zu setzen.“
Entwicklung des Gasverbrauchs
„Mittelfristig ist von einem Rückgang der Gasverbräuche in Deutschland und Europa auszugehen. Dies ist primär getrieben durch eine Verringerung des Gasbedarfs von Gebäuden zum Heizen durch fortschreitende Sanierungsmaßnahmen und den Umstieg auf alternative Heiztechnologien wie Wärmepumpen. In der Industrie wird voraussichtlich die Stahlherstellung zumindest zeitweise mehr Gas verbrauchen, während andere Prozesse, die heute auf Gas basieren, teils elektrifiziert werden. Deswegen ist für die nächsten Jahre keine klare Tendenz gegeben. In der Stromerzeugung kommt Gas zwar eine wachsende Rolle zum Ausgleich der fluktuierenden Erzeugung zu. Diese hat allerdings begrenzte Auswirkungen auf den Gasverbrauch.“
„Kurzfristig sind jedoch auch Steigerungen des Gasverbrauchs nicht unwahrscheinlich, insbesondere wenn die industrielle Produktion wieder anzieht und im Fall von kalten Wintern. Auch daher ist das Augenmerk des Aktionsplans für bezahlbare Energie auf die Gasmärkte sinnvoll und geboten.“
Stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Mehr Langfrist-Verträge
„Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuten hinsichtlich der Rolle von Erdgas eine Abkehr vom Green Deal und eine Verlängerung der Abhängigkeit von fossilen Energien. Bisher lief das Gros der Langfristverträge für Erdgasimporte Mitte der 2030er Jahre aus und standen dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 beziehungsweise 2050 nicht im Weg. Wenn jetzt Langfristverträge bis kurz vor knapp, also bis weit in die 2040er Jahre abgeschlossen werden, wird das das Auslaufen der Nutzung von Erdgas und die Umstellung auf klimafreundliche Technologien weiter verzögern. Die EU verlängert so die Erdgasnutzung im Stromsektor und in der Industrie, anstatt stärkere Anreize als bisher für die Umstellung auf grüne Technologien zu setzen. Auch im Wärmesektor geht die Dekarbonisierung nur schleppend voran, aber hier wird die schrittweise Erhöhung des CO2-Preises für Brennstoffe klare Anreize zur Abkehr vom Erdgas geben.“
Investition in Exportinfrastruktur im Ausland
„Dass mit der Förderung neuer LNG-Terminals im Ausland auch die fossile Abhängigkeit anderer Länder intensiviert werden soll, ist besonders bitter, da wir aus Erfahrung wissen, dass gerade in ärmeren Ländern – zum Beispiel in Afrika – die Einnahmen aus Erdgasprojekten nicht in die wirtschaftliche Entwicklung, sondern in Korruption fließen. Außerdem führen Langfristverträge nicht automatisch zu ‚stabilen Preisen‘, wie die EU-Kommission hofft, da die Importpreise in Europa in der Regel auf die Großhandelspreise indiziert sind, diesen also folgen.“
Ursachen für hohe Gaspreise
„Aktuell schwanken die Erdgaspreise um 50 Euro pro Megawattstunde. Das ist deutlich niedriger als während der Energiekrise 2022, aber ungefähr doppelt so hoch wie vor der Krise. Der relativ hohe Preis liegt vor allem an der starken Nachfrage in Asien, denn mit dieser Region konkurriert Europa um LNG-Lieferungen. Die Vorgaben zur Mindestbefüllung der Erdgasspeicher führen dazu, dass die erwarteten Gaspreise für den Sommer genauso hoch sind wie die Preise jetzt im kalten Winter. Das schafft keine Anreize für die Befüllung der Speicher durch die Erdgaswirtschaft im Sommer und zeigt die Erwartung, dass im Zweifelsfall der deutsche Marktgebietsverantwortliche THE Gas um jeden Preis kaufen wird. Insbesondere der frühe Stichtag am ersten Oktober der deutschen Regulierung ist dabei problematisch; die europäische Vorgabe zum 1. November ist deutlich weniger einschränkend, weil sie der durchschnittlichen Befüllung der letzten Jahre entspricht.“
Vorgaben für Speicherfüllstände
„Die neue Bundesregierung sollte die deutschen Speichervorgaben, die zusätzlich zur EU-Vorgabe bestehen, abschaffen und die Alarmstufe des Notfallplans zur Gasversorgung endlich aufheben. Die Gasversorgung ist seit Herbst 2022 mit einem Importmix, der insbesondere aus norwegischem und LNG-Gas besteht, gesichert. Die Alarmstufe führt unter anderem dazu, dass das LNG-Beschleunigungsgesetz greift, das zum unnötigen Ausbau von landseitigen LNG-Terminals führt, die absehbar zu sogenannten Stranded Assets werden, also ihre Investitionskosten – die teilweise von den deutschen Steuerzahlern getragen werden – nicht erwirtschaften werden.“
„Keine.“
„Ich sehe keinen Interessenkonflikt von mir bei diesem Thema.“
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Europäische Kommission (2025): The Clean Industrial Deal: A joint roadmap for competitiveness and decarbonization.
[II] Europäische Kommission (2025): Action Plan for Affordable Energy.
[III] Thier C (20.02.2025): „Wir sind in einem Extremszenario.“ Wirtschaftswoche.
[IV] Bundesnetzagentur: Gaspreise Großhandel. Stand: 24.02.2025.
Dr. Jakob Wachsmuth
Leiter des Geschäftsfelds Erneuerbare Energien, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine.“
Prof. Dr. Franziska Holz
Stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich sehe keinen Interessenkonflikt von mir bei diesem Thema.“