Hoher Milchkonsum steht im Zusammenhang mit Herzleiden
ein hoher Milchkonsum bei Frauen steht im Zusammenhang mit einem höheren Risiko, am Herzen zu erkranken
Zusammenhang konnte nur bei Milch, nicht aber bei fermentierten Milchprodukten gefunden werden
unabhängiger Forscher sieht große Stichprobe als Stärke der Studie, allerdings werde in Skandinavien mehr Milch verzehrt
Frauen, die viel Milch trinken, haben ein höheres Risiko, an einem Herzleiden zu erkranken. Diesen Zusammenhang stellen schwedische Forschende her, die zwei schwedische prospektive Kohortenstudien auswerteten, bei den über 100.000 Frauen und Männer über 33 Jahre wiederholt an Messungen von Ernährungs- und Lebensstilfaktoren sowie Blutmessungen teilnahmen. Für fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Kefir konnten sie diesen Zusammenhang nicht herstellen. Ihre Ergebnisse erschienen im Fachjournal „BMC Medicine“ (siehe Primärquelle).
Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke
Studienmethodik
„Die Stärken der Studie bestehen in der großen Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den wiederholt erfassten Ernährungsgewohnheiten und anderen Informationen über lange Nachbeobachtungszeiträume sowie der breiten Spanne der Konsumgewohnheiten hinsichtlich Milchprodukte. Auch wurden in den Analysen viele etablierte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen berücksichtigt. Auffallend ist allerdings, dass Personen mit sehr hohem Konsum nicht-fermentierter Milchprodukte eher ‚ungesunde‘ Eigenschaften hatten, wie beispielsweise geringeren Bildungsgrad oder höherer Anteil gegenwärtiger Raucher. Obwohl die Autorinnen und Autoren für diese Confounder (konfundierende Variablen oder auch Störvariablen sind Faktoren, die den untersuchten Zusammenhang beeinflussen; Anm. d. Red.) kontrollierten, ist in Beobachtungsstudien ein Rest-Confounding letztlich nicht auszuschließen.“
Einordnung der Ergebnisse
„Die Risikoerhöhung bei sehr hohem Milchkonsum betraf in der Studie nur Frauen, nicht aber Männer. Dies war offenbar erst ab Konsummengen über 300 Milliliter pro Tag erkennbar. Das Risiko war dann höher, je höher die Konsummenge war: Im Vergleich zu Frauen, die 100 Milliliter Milch je Tag trinken, hatten Frauen mit 400 Milliliter Konsum ein um 5 Prozent erhöhtes Risiko, bei 800 Millilitern (vier Gläser) ein 21 Prozent erhöhtes Risiko. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass ein sehr hoher Milchkonsum das Risiko für Herzerkrankungen bei Frauen erhöht.“
Implikationen der Studiendaten auf Ernährungsempfehlungen
„Da die Risikoerhöhung nur bei sehr hohen Konsummengen beobachtet wurden, die in Skandinavien eher anzutreffen sind als anderswo, betreffen die Ergebnisse die meisten Konsumentinnen in Deutschland wohl nicht: Laut der Nationalen Verzehrstudie II (2005 bis 2006) lag der mittlere Verzehr von Milch in Deutschland bei Frauen bei circa 100 Gramm pro Tag (100 Milliliter Milch entsprechen 101,8 Gramm Milch; Anm. d. Red.), mit einer wohl eher sinkenden Tendenz in den vergangenen Jahren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine Konsummenge von zwei Portionen von Milchprodukten je Tag insgesamt, dazu zählt also nicht-fermentierte Milch, aber auch alle fermentierten Milchprodukte. Wer sich an diese Empfehlung hält, sollte entsprechend einen Konsum von Milch haben, der in einem Bereich liegt, der keine Risikoerhöhung laut der Studie erwarten lässt (bis 300 Milliliter). Eine Anpassung dieser Empfehlung ist da weder angezeigt, noch würde man überhaupt Empfehlungen basierend auf einer einzelnen Studie anpassen.“
„Ich bin Mitglied des wissenschaftlichen Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.“
Primärquelle
Michaëlsson K et al. (2024): Non-fermented and fermented milk intake
in relation to risk of ischemic heart disease and to circulating cardiometabolic proteins in swedish women and men: Two prospective longitudinal cohort studies with 100,775 participants. BMC Medicine. DOI: 10.1186/s12916-024-03651-1.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (12.04.2024): Milchbilanz: Erneut weniger Milch, Käse und Butter verbraucht. Presseinformation der Behörde.
[II] Max Rubner-Institut (2008): Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht, Teil 2.
Herr Prof. Dr. Matthias Schulze
Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke