Impfschutz in Deutschland: Hoher Standard, aber mit Schwachstellen
bundesweite Impfquoten laut RKI auf hohem Niveau, allerdings zeigen sich in vielen Altersgruppen Impflücken
bei Kindern werden Impfserien häufig später als empfohlen oder gar nicht abgeschlossen, auch bei Erwachsenen gibt es Versäumnisse
Forschende betonen die Bedeutung eines flächendeckenden Impfschutzes – insbesondere am Beispiel Polio
In Deutschland liegen die Impfquoten bei Erwachsenen und Kindern grundsätzlich weiterhin auf einem hohen Niveau, allerdings zeigen sich nach wie vor in bestimmten Regionen und Altersgruppen Impflücken. Das zeigen aktuelle Auswertungen von Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen durch das Robert-Koch-Institut (RKI). Die Ergebnisse wurden am 12.12.2024 im „Epidemiologischen Bulletin“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).
Direktor des Virologischen Instituts, Universitätsklinikum Erlangen, und ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission
Allgemeine Bewertung
„Der Schutzschirm durch Impfungen gleicht in Deutschland weiterhin einem Regenschirm mit großen Löchern. So sind die Hälfte der Mädchen und zwei Drittel der Jungen im Alter von 15 Jahren nicht vor Krebserkrankungen durch humane Papillomviren (HPV) geschützt. Wenn die Impfungen gegen HPV später gegeben werden, ist der Schutz vor der Krebserkrankung deutlich reduziert beziehungsweise gar nicht mehr vorhanden.“
„Positiv sind die hohen Impfraten bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten, aber dann kommen die Auffrischimpfungen zu spät. Dabei entstehen ebenfalls erhebliche Impflücken und Risiken, die vermieden werden könnten.“
„Die großen regionalen Unterschiede in den Impfquoten in Deutschland zeigen, dass das soziale Umfeld ganz wesentlich die Impfentscheidung beeinflusst. Ich sehe vor allem die Notwendigkeit, ein Basiswissen über Impfungen bereits in den Schulen zu vermitteln.“
Sonderfall Polio
„Eine der wenigen positiven Folgen der COVID-19-Pandemie ist, dass wir nun das Abwassermonitoring in vielen Regionen etabliert haben. Das ist für die Überwachung von Infektionserkrankungen ein großer Fortschritt. Leider zeigt sich dabei, dass vom Polio-Schluckimpfstoff abgeleitete Polioviren an mehreren Standorten nachweisbar sind. Da der Polio-Schluckimpfstoff in Deutschland nicht verwendet wird, dürfte der Nachweis dieser Viren auf eine begrenzte Zirkulation dieser Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren in Deutschland hinweisen. Das Problem ist, dass die vom Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren sich gegenüber dem ursprünglichen Schluckimpfstoff verändert haben und auch Kinderlähmung verursachen können. Daher tragen gerade ungeimpfte und unvollständig gegen Polio geimpfte Kinder das Risiko, nach einer Infektion mit diesen Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren an Poliomyelitis zu erkranken. Daher sollten Eltern umgehend den Polio-Impfstatus ihrer Kinder überprüfen lassen, um gegebenenfalls Impfungen nachzuholen.“
Einfluss der Corona-Pandemie
„Es besteht verständlicherweise eine gewisse Impfmüdigkeit und der Wunsch, dieses Thema hinter sich zu lassen. Leider kennen Infektionserreger keine Müdigkeit. Der große gesellschaftliche Druck zur COVID-19-Impfung kann auch dazu führen, andere Impfungen erstmal abzulehnen. Auch wenn dies psychologisch nachvollziehbar ist, spricht die rationale Nutzen-Risiko-Abwägung natürlich weiterhin dafür, die empfohlenen Impfungen auch wahrzunehmen.“
Lehrstuhlinhaber und Direktor des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Freiburg, und ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission
Allgemeine Bewertung
„Positiv zu bewerten ist die jetzt wieder regelmäßige Ermittlung der Impfquoten durch das RKI an sich. Ohne diese Information können bevölkerungsweite Impfprogramme nicht angepasst und verbessert werden. Erfreulich ist die Tatsache, dass die Pandemie zu keinen wesentlichen Einbrüchen bei der Impfbereitschaft in Deutschland geführt hat. Erfreulich ist auch, dass die Impfbereitschaft bei Schwangeren zunimmt, was durch die steigende Impfquote bei der Keuchhustenimpfung dokumentiert wird.“
„Andererseits muss auf die Lücken des Berichts hingewiesen werden. Es fehlen beispielsweise Angaben zur Auffrischungsrate gegen Polio bei Erwachsenen oder die aktuelle Impfquote gegen die Gürtelrose.“
„Bedauerlich ist, dass bei der Mehrzahl der Impfprogramme unter den gegenwärtigen Voraussetzungen in Deutschland keine Verbesserung erreicht wird. Dies zeigt, dass über neue, spezifische Maßnahmen nachgedacht und strukturelle Änderungen im Gesundheitssystem wirklich gewollt werden müssen. Paradebeispiel ist die HPV-Impfung, bei der Deutschland im internationalen Vergleich schlecht abschneidet und zukünftige Krebserkrankungen bewusst in Kauf genommen werden. Aus anderen Ländern weiß man sehr genau, dass man durch Schulimpfungen viel höhere Impfraten und eine sehr wirksame Herdenimmunität erreichen kann. Die deutschen Entscheidungsträger einschließlich der Ärzteschaft müssen sich daher fragen lassen, warum sie an diesem Punkt seit vielen Jahren das offensichtlich Notwendige zulasten der jungen Generation nicht zustande bringen.“
Sonderfall Polio
„Der orale Polioimpfstoff (,Schluckimpfung‘) war in der Lage, Poliovirus-Infektionsketten zu unterbrechen. Seit der aus guten Gründen erfolgten Beendigung der Schluckimpfung 1998 ist die Immunität von geimpften Kindern weniger gut als zuvor und die Unterbrechung von Infektionsketten ist schwieriger geworden. Es ist zu befürchten, dass wir in Deutschland bereits seit Jahren eine endemische Zirkulation von VDPV2-Viren (vakzine-abgeleitete Polioviren; Anm. d. Red.) haben, die wir erst jetzt durch punktuelle Abwasseranalysen nachweisen. Das Ausmaß der Viruszirkulation ist noch unklar, aber die Sequenzanalysen sprechen für eine längere Evolution dieser ursprünglichen Impfviren. Die durch die Impfung mit dem inaktivierten Polioimpfstoff geschaffene Immunität ist gegen den Serotyp 2 des Poliovirus geringer als die Immunität gegen die Serotypen 1 und 3. Auch dieser Umstand dürfte die Verbreitung von VDPV2 begünstigt haben.“
„Aus dieser Situation ergeben sich vier Konsequenzen. Erstens: Die Polioimpfungen von Säuglingen als auch die Auffrischungsimpfung bei Erwachsenen müssen konsequent durchgeführt werden, um mögliche Poliofälle – wie zuletzt in Gaza – in Deutschland zu vermeiden. Diesen Appell hat die Stiko soeben publiziert. Zweitens: Ärztinnen und Ärzte müssen mit denkbaren Poliofällen in Deutschland rechnen und im Verdachtsfall zu handeln wissen. Drittens: Die molekulare Surveillance von Polioviren muss intensiviert werden. Viertens: Die globalen Eradikationstrategien gegen Polio müssen neu bewertet, neu koordiniert und präzisiert werden. Verbesserte Impfstoffe gegen Polioviren spielen hier eine wichtige Rolle.“
Gründe für die mangelnde Umsetzung von Stiko-Empfehlungen
„Die Ursachen der Impflücken in Deutschland sind unterschiedlicher Natur. Die Bedeutung der Impfgegner ist weniger groß als ihre Präsenz in den sozialen Medien und der Öffentlichkeit. Viel wichtiger sind die Unentschlossenheit und die unzureichende Priorisierung bei vielen impfwilligen Menschen, aber auch im Gesundheitswesen.“
„Aufschlussreich für die geringe Agilität in Deutschland ist die Tatsache, dass die Einführung der Masern-Impfpflicht seit dem 1. März 2020 bislang zu keiner wesentlichen Steigerung der Impfquoten gegen Masern geführt hat, obgleich Verstöße mit Busgeldern von bis zu 2500 Euro geahndet werden. Möglicherweise gibt es hier keine Umsetzung der Strafandrohung. Ebenso wenig hat die neue Option der Grippeschutzimpfung in Apotheken die Impfquote gegen Influenza befördert. Mir scheinen daher andere, weniger aktivistische und publizitätsträchtige Maßnahmen wirkungsvoller. Dazu gehören die Etablierung von Schulimpfungen gegen HPV, Catch-up-Impfprogramme durch Betriebsmediziner und Betriebsmedizinerinnen und die gezielte Einladung zum Hausarztbesuch für ältere Menschen, um die sehr wirkungsvollen Impfungen gegen Pneumokokken, Gürtelrose und Grippe sowie zukünftig gegen RSV durchzuführen. Bei Erwachsenen sind die Impflücken in Deutschland tatsächlich am größten. Schließlich geht es noch um die Einführung eines elektronischen Impfregisters, das bei jedem Arztbesuch Auskunft über individuelle Impflücken des Patienten gibt.“
Direktor der Abteilung für Infektiologie und Leiter der Arbeitsgruppe für personalisierte Infektionsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Allgemeine Bewertung
„Die Impfquoten sind insgesamt niedrig und auch im europäischen Vergleich deutlich unter dem Durchschnitt. Dies ist angesichts des hohen Nutzens von Schutzimpfungen, gerade für ältere und vorerkrankte Menschen, sehr unbefriedigend. Besonders, da wir im Zuge des demografischen Wandels dringend die Vorsorge und Prävention stärken müssen.“
Einfluss der Corona-Pandemie
„Die schnelle Entwicklung von sicheren und hochwirksamen Impfstoffen hat wesentlich dazu beigetragen, die Krankheitslast von COVID-19 zu senken und uns aus der akuten Phase der Pandemie herauszuführen. Leider wird der wissenschaftlich einwandfrei belegte, extrem hohe Nutzen der COVID-19-Impfung durch kontroverse öffentliche Diskussionen zerredet. Dies ist gewissermaßen paradox, aber auch die Diskussion um eine Impfpflicht hat der allgemeinen öffentlichen Einstellung gegenüber Schutzimpfungen geschadet. Wir müssen daher dringend die Kommunikation und Aufklärung zu Impfungen deutlich verbessern.“
Gründe für die mangelnde Umsetzung von Stiko-Empfehlungen
„Die Impfquoten hängen ganz wesentlich mit der Beratung und einem aktiven Angebot durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zusammen. Auch hier bedarf es dringend einer besseren Aufklärung und stärkeren Bereitschaft. Die hohe Arbeitsbelastung trägt natürlich auch dazu bei, dass die Zeit für Impfaufklärung manchmal zu kurz kommt. Zudem müssen alle Impfungen dringend digital erfasst werden, sodass betreuende Ärztinnen und Ärzte jederzeit den Impfstatus ihrer Patienten einsehen können, um sie gegebenenfalls über fehlende Impfungen aufzuklären und ihnen fehlende Impfungen anbieten können.“
Anerkennung des Potenzials von Impfungen
„Das öffentliche Bewusstsein für den großen Nutzen von Impfungen ist meines Erachtens nicht sehr ausgeprägt. Vor allem die Kenntnis über den indirekten Nutzen von Impfungen in der Verhinderung von langfristigen Komplikationen ist nicht ausreichend. Schutzimpfungen und ein hohes Bewusstsein über ihren Nutzen sind ein ganz wesentlicher Baustein in der Prävention.“
Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Erlangen, und ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission
Allgemeine Bewertung
„Zunächst ist festzustellen, dass das aktuelle RKI-Impfquotenmonitoring keine wesentlichen Neuigkeiten ergeben hat. Sowohl die positiven Aspekte (insgesamt relativ hohes Niveau bei den Regelimpfungen von Kindern und Jugendlichen; steigende Tendenz bei der HPV-Impfung der Kinder und Jugendlichen) als auch die kritischen Punkte (verzögerte zweite Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen [MMRV] bei den Kindern; schlechte Akzeptanz der Influenza- und Pneumokokken-Impfung im Erwachsenen- beziehungsweise Seniorenalter) sind seit Jahren bekannt. Unerfreulich ist, dass wir es in Deutschland nicht schaffen, dass spätestens im Alter von 15 Monaten mindestens 95 Prozent der Kleinkinder einen vollständigen Schutz gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B und MMRV (Masern, Mumps, Röteln und Varizellen) haben und dass selbst nach dem vollendeten zweiten Lebensjahr noch über 20 Prozent der Kinder diesbezüglich unvollständig geschützt sind. Ebenso unerfreulich sind die sehr niedrigen Impfraten gegen Influenza und Pneumokokken.“
„Bezüglich der MMRV-Impfung im Säuglings- beziehungsweise Kleinkindesalter ist anzumerken, dass immerhin über 80 Prozent der Kinder zumindest die erste MMR- beziehungsweise MMRV-Impfung zeitgerecht erhalten. Da die zweite MMRV-Impfung keine Boosterimpfung ist, sondern dazu dient, den Anteil der primären Impfversager von circa fünf bis sieben Prozent auf ein bis zwei Prozent zu reduzieren, sind zumindest die meisten der Kinder mit einer ersten MMRV-Impfung vor diesen Erkrankungen geschützt. Befriedigend sind diese Zahlen nicht, da bei einer solchen Impfquote nach wie vor Ausbruchsgeschehnisse in der Bevölkerung möglich sind und diese Erreger nicht eliminiert werden können.“
„Bei der Kommentierung der COVID-19-Impfrate bei den über 60-Jährigen (,nur 16 Prozent erhielten in der Saison 2023/2024 eine Auffrischimpfung‘) ist anzumerken, dass in dieser Altersgruppe bereits im April 2023 über 90 Prozent der Personen eine COVID-19-Grundimmunisierung hatten (zwei Impfungen) und über 85 Prozent eine dritte Impfung erhalten hatten. Da zur Basisimmunität nicht nur die Impfungen, sondern auch die durchgemachten COVID-19-Infektionen zählen, ist grundsätzlich von einer sehr hohen Immunität in dieser Altersgruppe auszugehen. Hinzu kommt, dass eine jährliche Auffrischimpfung bei über 60-Jährigen ohne Grunderkrankung von der Stiko nur dann empfohlen wird, wenn innerhalb der letzten zwölf Monate keine COVID-19-Infektion durchgemacht wurde.“
Sonderfall Polio
„Eine Poliomyelitis durch zirkulierende vakzine-abgeleitete Polioviren Typ 2 (cVDPV2) erfordert zum einen Rückmutationen des Impfvirus und zum anderen eine Aufnahme durch ungeschützte Personen. Da in Deutschland schon seit 1998 nur noch der inaktivierte Polio-Impfstoff eingesetzt wird, stammen diese lebenden Impfviren von zugewanderten Personen, die noch in ihren ursprünglichen Herkunftsländern oder in Flüchtlingsunterkünften mit der Polio-Lebendvakzine geimpft worden sind. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland – über alle Altersgruppen – ist deshalb das Risiko des Auftretens einer Lebendvakzine-assoziierten Poliomyelitis derzeit als sehr gering einzuschätzen. Damit dies so bleibt, ist es jedoch dringend erforderlich, für eine vollständige Impfung aller Säuglinge und Kleinkinder Sorge zu tragen und unvollständige Impfserien durch Nachholimpfungen im Kindes-, Jugendlichen- und Erwachsenenalter zu komplementieren.“
Einfluss der Corona-Pandemie
„Initial hat die Corona-Pandemie unter dem Aspekt des unbekannten und als gefährlich eingeschätzten Erregers die Bevölkerung sicherlich für das Thema Impfen sensibilisiert. Besonders bedeutsam waren dabei die Erfahrungen mit dem COVID-19-Krankheitsverlauf, die die Menschen entweder am eigenen Leibe oder innerhalb der unmittelbaren Familie und Bekanntschaft gemacht haben. Mittlerweile ist dieser Effekt nur noch in den Risikogruppen spürbar.“
Gründe für die mangelnde Umsetzung von Stiko-Empfehlungen
„Im Wesentlichen sehe ich hier fünf Hauptgründe: Erstens besteht gerade bei der Säuglings- und Kleinkinderimpfung bei Eltern und mitunter auch in der Ärzteschaft immer noch die unberechtigte Befürchtung, dass die Vielzahl von Impfungen im ersten Lebensjahr das Immunsystem überlasten könnten.“
„Zweitens werden bestimmte Krankheiten falsch eingeschätzt, und zwar sowohl von der Ärzteschaft als auch von der Bevölkerung. Dazu zählt die Influenza, die unzureichend von anderen viralen Atemwegsinfektionen abgegrenzt wird. Ebenso ist das Thema Pneumonie, Meningitis und Sepsis durch Pneumokokken weder ein Thema in den Medien noch in der Bevölkerung.“
„Drittens fehlen in Deutschland ein Impfregister, eine elektronische Patientenakte/-karte und ein damit verbundenes EDV-/App-basiertes Erinnerungssystem.“
„Viertens gibt es auch innerhalb der Ärzteschaft nicht nur Impfskeptiker und Impfgegner, sondern auch falsche Vorstellungen zu den Stärken und Schwächen bestimmter Impfstoffe – zum Beispiel wird aus der hohen Variabilität der Influenzaviren oder der mehr als 100 Serotypen bei den Pneumokoken schnell eine generelle Unwirksamkeit der Impfung abgeleitet.“
„Fünftens haben Impfkampagnen mitunter ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil mögliche schwere Nebenwirkungen von Impfungen, die im Allgemeinen sehr selten sind, aber individuell durch aberrante (von der Norm abweichend; Anm. d. Red.) Immunantworten dennoch auftreten können, nicht im Vorfeld proaktiv thematisiert werden, sondern das Feld hier den Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern überlassen wird. Besonders wichtig wäre hierbei, dass sich auch die Herstellerfirmen mit großer Energie der wissenschaftlichen Aufklärung des Mechanismus von seltenen, aber schweren Impfnebenwirkungen – zum Beispiel schwere Herzrhythmusstörungen und Myokarditis nach COVID-19-mRNA-Impfung junger Menschen – widmen und sich nicht darauf zurückziehen, dass diese Komplikationen nach einer Infektion noch viel, viel häufiger vorkommen.“
Anerkennung des Potenzials von Impfungen
„Nachdem in Deutschland Infektionskrankheiten im Gegensatz zu Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen trotz der COVID-19-Pandemie weder als Bedrohung noch als relevante Todesursache wahrgenommen werden – obwohl zum Beispiel die Sepsis die dritthäufigste Todesursache ist – gibt es in der Tat die Notwendigkeit, das diesbezügliche Verständnis in der Bevölkerung zu verbessern und damit auch das Potenzial von Impfstoffen zu verdeutlichen, auch gegen Erreger, für die es derzeit noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Dies setzt vor allem auch ein besseres Grundverständnis der Funktionsweise unseres Immunsystems voraus. Wahrscheinlich wären viele Menschen überrascht, wenn sie erfahren würden, welche Rolle das Immunsystem bei der Entstehung von akuten und chronischen Erkrankungen spielt und wie man sich umgekehrt immunologische Kenntnisse zur Therapie und zur Prävention von chronisch-entzündlichen, malignen und erregerbedingten Erkrankungen zunutze machen kann. Wir brauchen also keine nackten Impfkampagnen, sondern mehr Wissen und Verständnis, wie unserer Körper und unser Immunsystem funktioniert.“
Impfschutzkontrolle bei Arztbesuchen
„Selbstverständlich gehört der Blick in den Impfausweis zum Standardprogramm bei jedem Hausarztbesuch – so wie die Blutdruck- und Blutzuckermessung oder andere Präventionsmaßnahmen.“
„Ich bin aktuelles Mitglied der Arbeitsgruppe Herpes zoster der Stiko. Zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Paul-Ehrlich-Instituts.”
„Interessenkonflikte habe ich keine.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Robert-Koch-Institut (2024): Impfquoten in Deutschland – Ergebnisse aus dem RKI-Impfquotenmonitoring | Poliomyelitis-Impfquoten bei Kindern. Epidemiologisches Bulletin. DOI: 10.25646/12956.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Science Media Center (2024): Weitere Impfpolioviren in Abwasser entdeckt. Statements. Stand: 04.12.2024.
Prof. Dr. Klaus Überla
Direktor des Virologischen Instituts, Universitätsklinikum Erlangen, und ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission
Prof. Dr. Hartmut Hengel
Lehrstuhlinhaber und Direktor des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Freiburg, und ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin aktuelles Mitglied der Arbeitsgruppe Herpes zoster der Stiko. Zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Paul-Ehrlich-Instituts.”
Prof. Dr. Leif Erik Sander
Direktor der Abteilung für Infektiologie und Leiter der Arbeitsgruppe für personalisierte Infektionsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. Christian Bogdan
Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Erlangen, und ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte habe ich keine.“