KI-Modell zur Vorhersage von Hochwasser in Flüssen
KI-Modell verbessert Vorhersage von Hochwasser in Flüssen ohne Messstationen
insbesondere für Entwicklungsländer relevant, in denen es weniger Messstationen gibt
unabhängige Forscher: gute Studie, KI wird wichtige Rolle bei Warnung vor Hochwassern übernehmen, im Zusammenspiel mit anderen Faktoren der Warnkette
Ein KI-Modell kann extreme Hochwasserereignisse in Flüssen ohne Messstationen mit einer Vorlaufzeit von fünf Tagen ähnlich genau vorhersagen wie der bisherige Stand der Technik – das Global Flood Awareness System (GloFAS) – mit einem Vorlauf von höchstens wenigen Stunden. Zu diesem Ergebnis kommen die Autorinnen und Autoren, die größtenteils in Googles Forschungsabteilung arbeiten, in einer Studie, die am 20.03. im Fachjournal „Nature“ erschienen ist (siehe Primärquelle).
Leiter der Arbeitsgruppe Umweltrisiken und Extremereignisse und Leiter des Departments Stadt- und Umweltsoziologie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
Nutzen des KI-Modells in der Praxis
„Ich sehe den Nutzen vor allem in der räumlichen Abdeckung, der Möglichkeit, deutlich früher zu warnen, und dem leichten Zugang zur Warnung. Ein Großteil der Flüsse weltweit ist ohne Pegel. Dort sind robuste Vorhersagen nur schwer möglich. Das kann sich mit dem neuen Warnsystem ändern. Gleichzeitig kann die Warnung deutlich früher als üblich veröffentlicht werden. Das ist ein Vorteil für alle Einzugsgebiete, auch in Deutschland. Damit würde deutlich mehr Zeit bleiben, um gefährdete Bereiche zu räumen oder zu evakuieren. Das kann gerade für kritische Infrastrukturen – zum Beispiel Krankenhäuser – oder Unternehmen von großem Nutzen sein. Die leichte Zugänglichkeit ist ebenfalls ein großer Vorteil. Warnungen erreichen viel zu häufig nicht die Personen, für die sie gedacht sind. Befragungen der Universität Potsdam zum Hochwasser 2021 in Nordrhein-Westphalen und Rheinland-Pfalz zeigen, dass 35 Prozent der Befragten gar keine Warnung erhalten haben und 50 Prozent nicht wussten, was zu tun ist [1]. Das in der aktuellen Studie vorgestellte Warnsystem bietet die Möglichkeit, die schiere Anzahl von Empfängern deutlich zu steigern, was ausdrücklich zu begrüßen ist.“
Weitere wichtige Aspekte
„Bei Warnungen gilt das Single-Voice-Prinzip. Das bedeutet, dass die verschiedenen Organisationen, die in die Warnkette eingebunden sind, keine widersprüchlichen Warnbotschaften veröffentlichen sollten. Diesem Prinzip folgend, sind es in Deutschland die Länder, die die offiziellen Warnungen vor Überschwemmungen veröffentlichen. Es ist zu erwarten, dass es zukünftig zu einer neuen Vielstimmigkeit von Warnbotschaften kommen wird. Eine steigende Zahl von privaten Akteuren bietet robuste und innovative Alternativen zu den staatlichen Warnungen an. Es ist meiner Meinung nach noch offen, welches Angebot sich durchsetzen wird und was die Folgen dieser Entwicklung sind. Was aber sicher zu klären sein wird, ist, ob und wie private und staatliche Anbieter in Zukunft zusammenarbeiten werden, welche Datengrundlagen und Modelle genutzt werden und über welche Kanäle die Warnbotschaften veröffentlicht werden.“
Alexander von Humboldt Professor, Leiter der Forschungsgruppe Analyse hydrologischer Systeme, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie, Universität Potsdam
Kontext und Qualität der Studie
„Verbessertes Management von Hochwasserrisiken hat in den vergangenen Jahrzehnten die Vulnerabilität der Gesellschaft verringert [2]. Die Auswirkungen von Überschwemmungen sind jedoch nach wie vor weitreichend und verstärken sich in vielen Teilen der Welt sogar noch, gerade mit zunehmenden Klimawandel, nicht zuletzt in ärmeren Ländern.“
„Eine wichtige Komponente im Risikomanagement sind hydrologische Simulationsmodelle wie das in der Studie als Vergleich genutzte GloFAS System. Solche Modelle sind etabliert, zeigen aber trotzdem oft noch sehr große Abweichungen im Vergleich mit gemessenen Hochwasserabflüssen [3]. Diese Problematik ist besonders groß in Regionen mit schlechter Datenlage, was in der Regel gerade in den ärmeren Ländern unserer Welt der Fall ist.“
„Einige der Autoren dieser neuen Studie haben bereits auf regionaler Ebene gezeigt, dass KI-Modelle bessere Vorhersagen machen können als etablierte hydrologische Modelle – sogar, wenn die Datenlage schlecht ist. Sie zeigen jetzt, dass dieses Ergebnis weitestgehend auch global zutrifft. Dies ist ein wichtiges, wenn auch nicht sehr überraschendes Ergebnis. Die Studie ist solide gemacht und die Ergebnisse sind schlüssig.“
Stellenwert von KI zur Vorhersage von Überschwemmungen
„KI-Modelle zeigen immer wieder eine erstaunlich hohe Vorhersagequalität. Sie bieten die Möglichkeit, Daten effektiver zu nutzen, als traditionelle Simulationsmodelle dies können. Traditionelle Modelle brauchen sehr viel Expertise, Rechenkapazität, und Personal, um sie sinnvoll zu nutzen. KI-Modelle sind hier klar im Vorteil, auch wenn natürlich immer noch ein bestimmtes Maß an Kenntnissen notwendig ist. Dass die Autoren der Studie ihr KI-Modell frei verfügbar machen, ist daher sehr gut.“
„KI-Modelle werden in naher Zukunft in der Hydrologie, wie in vielen anderen Gebieten auch, eine sehr große Rolle spielen. Ob sie dies allein oder in Verbindung mit prozessbasierten Modellen schaffen, ist eine spannende und ungeklärte Frage. Das hier genutzte KI-Modell, welches Extremabflüsse simuliert, aber keine Überschwemmungen, könnte sehr gut mit einem Überschwemmungsmodell gekoppelt werden. Solche hybriden Modelle sind für die Zukunft besonders vielversprechend.“
Weitere wichtige Aspekte
„Es ist sicherlich ein sehr großer Vorteil, wenn Vorhersagen von Extremereignissen ohne Kosten für die Nutzer, mit hoher Qualität und in hoher Auflösung global zur Verfügung gestellt werden können. Viele Länder haben nicht die finanziellen Mittel oder die technischen Kapazitäten, um solche Vorhersagen zu erstellen. Allerdings haben KI-Modelle den Nachteil, dass man nur sehr eingeschränkt verstehen kann, wie die Vorhersagen zustande kommen. Es ergeben sich weitere Fragen in Bezug auf einen einzelnen Anbieter von Vorhersagen oder einen einzigen Modelltyp der (potenziell) für diese Vorhersagen genutzt wird. Auch die Vorhersagen von KI-Modellen sind nicht immer richtig – wie die Studie auch zeigt. Auch braucht es immer noch regionale Warnketten, und daher die nötige regionale Infrastruktur, um die Information über bevorstehende Hochwasserereignisse effektiv zu nutzen – dies kann nicht nur über eine App auf dem Smartphone jedes einzelnen geschehen.“
Direktor der Abteilung Biogeochemische Integration, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
Kontext und Qualität der Studie
„Die Autoren verwenden frei verfügbare Datensätze und wenden eine KI an, die komplexe Zusammenhänge verarbeiten und erkennen kann – ebenso offen und nachvollziehbar, damit vorbildlich. Die Studie basiert auch auf früheren Arbeiten und ist meines Erachtens solide. Die Verbesserung der Vorhersagen ist beeindruckend, auch wenn die absolute Vorhersage-Qualität noch Luft nach oben lässt – F1-Scores kleiner als 0,5, können theoretisch 1 werden, was das Beste ist. Die Vorhersagequalität ist räumlich auch sehr unterschiedlich, was sich sicher durch unterschiedliche Datenverfügbarkeit erklären lässt.“
Praktischer Nutzen des vorgestellten Modells
„Der Nutzen ist enorm, weil das Modell bessere Frühwarnung mit längeren Vorlaufzeiten erlaubt [4]. Interessant wird sein, ob auch hydrologische Trockenheit vorhergesagt werden kann.“
Stellenwert von KI zur Vorhersage von Überschwemmungen
„KI ist dafür offensichtlich sehr hilfreich, weil sie Dinge erfassen kann, an die man in physikalischen, theoretisch abgeleiteten Modellen nicht gedacht hat. Am Ende wird eine Kombination beider Ansätze am besten sein.“
Weitere wichtige Aspekte
„Die Autoren weisen zurecht darauf hin, dass es extrem wichtig ist, Langzeitbeobachtungen zu erhalten beziehungsweise in schwach besetzten Regionen unbedingt auszubauen.“
Leiter der Forschungsgruppe Wasserressourcen, Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Kontext und Qualität der Studie
„Die Studie sollte in dem Kontext betrachtet werden, dass ein globales Modell erstellt wurde, welches bisher schlecht ausgestatteten Regionen eine öffentlich zugängliche Hochwasservorhersage bereitstellt. Gebiete mit funktionierenden Hochwasserwarnsystemen haben in der Regel weitaus präzisere Werkzeuge zur Hand.“
„Die gewählten Methoden passen zu dem Kontext. Künstliche Intelligenz wurde schon seit Jahrzehnten experimentell für hydrologische Vorhersagen verwendet. Auch wenn der Niederschlag-Abfluss-Prozess stark nicht-linear ist und damit komplex, so liegen die wesentlichen Unsicherheitsquellen beim Hochwasserrisikomanagement in der Vorhersage des Niederschlages und im menschlichen Handeln – zum Beispiel in der Ableitung und Verbreitung von Warnungen aufgrund der Vorhersagen. Daher liegt es nahe, die Vorteile von künstlicher Intelligenz für die Abflussvorhersage auf globaler Ebene zu nutzen, zumal die Datensätze für deren Training in den vergangenen Jahren stark angewachsen sind. Die Methode LSTM (Long Short-Term Memory) wurde bereits von anderen Autoren als geeignet für den Anwendungsfall identifiziert und von den Autoren dieser Studie auf die Anwendung in unbeobachteten Gebieten untersucht. Insofern ist die Studie methodisch interessant und kann dazu beitragen, die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Hydrologie zu bestärken. Es fehlte mir die Zeit, alle Schritte nachzuvollziehen. Jedoch ist es lobenswert, dass die Autoren umfangreiches Material zum Download bereitgestellt haben und damit eine tiefere Betrachtung und Diskussion ermöglichen.“
„Problematisch sehe ich unter anderem folgende eher konzeptionelle Aspekte des Artikels: Erstens: Die Studie vergleicht das AI-Modell mit dem globalen Modell GloFAS. In der Hydrologie sind jedoch weitaus präzisere Modellansätze möglich und auch in der Praxis verbreitet. Die Autoren verschweigen nicht, dass GloFAS ihre Referenz ist und es ist plausibel, dass die künstliche Intelligenz bessere Ergebnisse erzielen kann als GloFAS. Sie könnten jedoch deutlicher zum Ausdruck bringen, dass in vielen Flussgebieten ganz andere Maßstäbe als GloFAS gelten und die Anwendung dieses Modells dort technisch einen Rückschritt darstellen kann.“
„Zweitens: Im Titel der Studie wird die Vorhersage ‚extremer‘ Hochwasser versprochen. Im Artikel werden Wiederkehrintervalle von bis zu zehn Jahren behandelt. Das mag an der Verfügbarkeit von GloFAS liegen. Hochwasserereignisse werden jedoch erst bei Wiederkehrintervallen von 100 und mehr Jahren als extrem bezeichnet. Es fehlt der Beweis, dass das System auch mit solchen Ereignissen gut umgehen kann. Gerade bei der Anwendung datenbasierter Modelle ist dies ein kritischer Aspekt, da die Extrapolation in unbeobachtete Bereiche für diese Modelle konzeptionell nicht vorgesehen ist. Die Anwendung von LSTM für unbeobachtete Gebiete wurde zwar erfolgreich getestet und eine Kreuzvalidierung durchgeführt. Diese Erkenntnis auf unbeobachtete Ereignisse zu übertragen, würde aber weitergehende Untersuchungen erfordern. Der Vergleich mit GloFAS als Referenz reicht dazu nicht aus.“
Praktischer Nutzen des vorgestellten Modells
„Ein Nutzen dieser Studie beziehungsweise des darin vorgestellten Produktes besteht vor allem für Regionen, welche derzeit nicht über eigene regionale Hochwasserwarnsysteme verfügen oder welche keine Warnungen verbreiten. Dieser Aspekt wird im Artikel auch klar benannt. Davon abgesehen ist Hochwasser zwar fast überall auf der Welt ein relevantes Problem, aber es ist kein Phänomen von globaler Ausdehnung. Es ist daher nicht notwendig, ein globales Modell zu nutzen, wenn bessere Modelle für einzelne Flussgebiete verfügbar sind. Die Praxisrelevanz für Deutschland und viele andere Länder ist daher sehr limitiert, was die Qualität der Modellierung angeht. Ferner zeigt die Webapplikation bisher nur Pegelstationen aus dem Datenbestand des GRDC (Global Runoff Data Center) an. Das Versprechen einer Vorhersage für unbeobachtete Gebiete scheint noch nicht eingelöst worden zu sein. Außerdem ist derzeit das KI-Modell mit dem Wettervorhersagemodell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) verbunden und damit ist die Qualität der Vorhersage anbieterabhängig.“
„Allerdings wird erstmals ein Vorhersagezeitfenster von fünf Tagen öffentlich publiziert. Dies ist mit dem schon existierenden, mutmaßlich präziseren europäischen System EFAS/ERIC nicht der Fall, da die beteiligten Behörden die Veröffentlichung in Echtzeit bisher nicht zugelassen haben. Die Bundesländer, sofern sie eine Hochwasservorhersage betreiben, arbeiten mit Vorhersagezeiträumen von ein bis zwei Tagen und damit kürzer als die globalen und europäischen Systeme. Allerdings steigt die Unsicherheit der Niederschlagsvorhersage mit zeitlichem Abstand zum Ereignis stark an. Die Ableitung von Hochwasserwarnungen aus einer Fünf-Tage-Vorhersage erfordert Sachverstand über die Vorhersagbarkeit des auslösenden Niederschlagsereignisses. Insofern ist es fraglich, ob aus der öffentlichen Verfügbarkeit die richtigen Schlüsse gezogen werden können (siehe unten).“
„Globale Modelle verfolgen andere Ansätze als das auf Ebene einzelner Flussgebiete möglich ist. Die Vereinfachung führt zu größeren Unsicherheiten in der Vorhersage. Das Abflussgeschehen ist in fast allen Regionen der Welt auch durch menschliche Regulierung beeinflusst, zum Beispiel durch Talsperren und speziell Hochwasserrückhaltebecken. Diese Infrastrukturen, welche gerade in den betrachteten Ereignisausprägungen wirksam sind, fehlen bei der Modellierung. Daher eignet sich das globale KI-Modell weder für eine präzise regionale Vorhersage noch für die Entwicklung von Steuerungsszenarien für den technischen Hochwasserschutz.“
Stellenwert von KI zur Vorhersage von Überschwemmungen
„Vorhersagen werden in der Regel entweder durch Expertenwissen oder bei hoher Komplexität, wie das bei meteorologischen und hydrologischen Prozessen der Fall ist, durch Simulationen mit Modellen erstellt. Modelle vereinfachen die Wirklichkeit. Daher gibt es kein perfektes Modell. Es ist eine legitime Technik, KI zu verwenden, um damit Modelle zu erstellen. Deren Vorteil ist die schnelle Ausführung und das teilautomatische Training. Gerade bei Rechnungen mit einer größeren Anzahl von Varianten zur Beschreibung der Unsicherheit hat KI praktische Vorteile in der Echtzeit-Anwendung. Es bleibt die Herausforderung datenbasierter Modelle, bei bisher unbeobachteten Situationen zuverlässig zu funktionieren, aber auch dafür gibt es Ansätze. Mit der weiter zunehmenden Verfügbarkeit und Expertise in KI wird auch deren Bedeutung in der Vorhersage weiter steigen. Es gibt einen weiteren Aspekt, der in dem Artikel nicht betrachtet wurde: die Vorhersage von Überschwemmungen. Der (hydrologische) Abfluss an Pegelstellen ist eine wichtige Größe, aber für die Warnung vor Hochwasser sollte eine Risikobetrachtung der Auswirkungen in den erwarteten Überflutungsgebieten durchgeführt werden. Das ist in Echtzeit mit ‚klassischen‘ Modellen bisher kaum möglich, da für eine hydraulische Berechnung sowohl Daten fehlen als auch die Rechenzeiten auf absehbare Zeit zu hoch sind. Hier bestehen weitere Potenziale, KI einzusetzen, zumal Daten zu Überflutungsflächen mit Fernerkundung zunehmend verfügbar werden. Eigentlich wäre erst dann eine signifikante Verbesserung der Vorhersage durch KI gegeben.“
Weitere wichtige Aspekte
„Der Artikel zielt neben der Anwendung von KI auch auf die öffentliche Verfügbarkeit von Vorhersagen mit mehreren Tagen Vorlaufzeit ab. Dies wird kontrovers diskutiert. Der Katastrophenschutz ist zumeist streng hierarchisch organisiert und es besteht die Ansicht, dass Warnungen aus einer einzigen und dafür zuständigen (meist behördlichen) Quelle stammen sollten. Das Beispiel des Eifelhochwassers von 2021 zeigte allerdings Grenzen dieses Paradigmas auf. Gerade bei extremen Ereignissen muss man nicht davon ausgehen, dass staatliches Handeln ‚top-down‘ perfekt funktioniert.“
„Eine höhere Transparenz und Demokratisierung des Katastrophenschutzes kann Potenziale haben. Dies erfordert aber ein massives Umdenken sowohl der staatlichen Akteure als auch der Bevölkerung, welche mit der Komplexität von Vorhersagen konfrontiert wird und nur dann geeignete Schlüsse daraus ziehen kann, wenn deren Unsicherheit verstanden und akzeptiert wird. Es besteht die Gefahr der Überforderung beim Umgang mit widersprüchlichen Warnungen aus mehreren Quellen. Fehlwarnungen beziehungsweise Fehlinterpretationen können einen Vertrauensverlust bewirken, welcher letztlich die Wirksamkeit von Warnsystemen infrage stellen kann. Das globale KI-Modell mag hier eine positive sozio-technische Motivation verfolgen. Es kann aber langfristig gegenteilige oder auch keine nennenswerten Effekte erzielen, wenn es nur als Webseite mit bunten Warnsymbolen verstanden wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es ein ‚top-down‘ ohne lokale Expertise und Stakeholder entwickeltes technisches System. Für einen effektiven Einsatz als Warnsystem wird lokale Expertise sowohl auf Seiten des Katastrophenschutzes als auch der Bevölkerung benötigt. Das gilt besonders für die adressierten Gebiete mit schlechter Abdeckung durch Warnsysteme. Soziale und kulturelle Aspekte werden durch einen einheitlichen globalen Ansatz ignoriert.“
„Ich möchte darauf hinweisen, dass einer der Autoren, Dr. Daniel Klotz, inzwischen im Department CER (Compound Environmental Risks) am UFZ arbeitet, zum Zeitpunkt, als das Paper verfasst wurde, aber noch an der Johannes Kepler Universität Linz gearbeitet hat. Ich kann mich trotzdem unbefangen zur Studie äußern.“
„Ich habe keinen Interessenkonflikt.“
„Es besteht kein Interessenkonflikt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte. Ich stehe mit keinem der Autoren in Kontakt oder in Abhängigkeit und habe auch keine wirtschaftlichen Interessen im Zusammenhang mit dem Artikel.“
Primärquelle
Nearing G et al. (2024): Global prediction of extreme floods in ungauged watersheds. Nature. DOI: 10.1038/s41586-024-07145-1.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Thieken AH et al. (2023): Performance of the flood warning system in Germany in July 2021 – insights from affected residents. Natural Hazards and Earth System Sciences. DOI: 10.5194/nhess-23-973-2023.
[2] Kreibich H et al. (2022): The challenge of unprecedented floods and droughts in risk management. Nature. DOI: 10.1038/s41586-022-04917-5.
[3] Devitt L et al. (2021): Uncertainty in the extreme flood magnitude estimates of large-scale flood hazard models. Environmental Research Letters. DOI: 10.1088/1748-9326/abfac4.
[4] Bergt S (17.03.2024): Hätte eine KI das Ahrtal gerettet? Taz.
Interview mit Markus Reichstein und Vitus Benson.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Google: Flood Hub.
[II] Nearing G et al. (2023): AI Increases Global Access to Reliable Flood Forecasts. ArXiv.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.
Prof. Dr. Christian Kuhlicke
Leiter der Arbeitsgruppe Umweltrisiken und Extremereignisse und Leiter des Departments Stadt- und Umweltsoziologie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
Prof. Dr. Thorsten Wagener
Alexander von Humboldt Professor, Leiter der Forschungsgruppe Analyse hydrologischer Systeme, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie, Universität Potsdam
Prof. Dr. Markus Reichstein
Direktor der Abteilung Biogeochemische Integration, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
PD Dr. Jörg Dietrich
Leiter der Forschungsgruppe Wasserressourcen, Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover