Kinder mit drei Eltern: Fortschritte in der Mitochondrien-Ersatztherapie
im Vereinigten Königreich sind acht Kinder mit dem mitochondrialen Erbgut einer dritten Person nach Vorkerntransfer geboren worden
zwei untersuchte Verfahren sollen Erkrankungen der Kinder verhindern, nun gibt es erste wissenschaftliche Erkenntnisse
Experten und Expertin beurteilen die Resultate positiv, außerdem juristische und ethische Aspekte beleuchtet
Die Mitochondrien-Ersatztherapie (MRT) ist bei Menschen möglich. Acht Kinder mit bisher unauffälliger klinischer Entwicklung wurden im Vereinigten Königreich auf diese Weise geboren. Die Ergebnisse der Mitochondrien-Ersatztherapie von Forschungsgruppen des Newcastle Fertility Centers und der Newcastle University im Vereinigten Königreich sowie der Monash University in Melbourne, Australien, wurden in zwei Publikationen im Fachjournal „The New England Journal of Medicine“ veröffentlicht (siehe Primärquellen).
Bei der Mitochondrien-Ersatztherapie, einer besonderen Art der In-Vitro-Fertilisation (IVF), wurde die Kern-DNA von Vater und Mutter mit der mitochondrialen DNA einer Spenderinneneizelle kombiniert. Mutationen im Erbgut der Mitochondrien der Mutter hätten später schwere Erkrankungen der Kinder auslösen können. Die DNA von Vater und Mutter im Zellkern macht noch immer den allergrößten Anteil der Erbinformation des Kindes aus, allerdings lieferte die Eizellspenderin die Mitochondrien-DNA der geborenen Kinder.
Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Recht, Universität Mannheim, und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Biomedizin der Universitäten Heidelberg und Mannheim
„Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet einen gezielten Keimbahneingriff, selbst wenn er zur Verhinderung einer Erbkrankheit durchgeführt wird. Ob aber im Fall des Austausches von Mitochondrien tatsächlich eine verbotene Keimbahnintervention gegeben ist, ist unter Juristen sehr umstritten. Das liegt am Wortlaut des Gesetzes und daran, dass das Embryonenschutzgesetz ein Strafgesetz ist, so dass es nicht über seinen Wortlaut hinaus zu Lasten eines potenziellen Täters ausgelegt werden darf; mit anderen Worten: Es muss ‚wörtlich’ genommen werden.“
„Das Gesetz stellt unter anderem die künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen unter Strafe (§ 5 Abs. 1). Eizellen vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung (also ‚unbefruchtete imprägnierte Eizellen‘), zählen zu den zählen zu den Keimbahnzellen im Sinne des Gesetzes. Ob aber die isolierten Vorkerne einer Eizelle, die in eine andere Eizellhülle mit nicht defekten Mitochondrien implantiert werden sollen, noch als menschliche ‚Zelle’ und damit als taugliche Tatobjekte anzusehen sind, ist umstritten. Gleiches gilt für die entkernte Eizellhülle, in die die Vorkerne implantiert werden. Selbst wenn man die dann als Ergebnis entstandene Entität als ‚Keimbahnzelle’ ansieht, wird darüber gestritten, ob bei dem Verfahren des Mitochondrien-Austausches eine strafbare ‚Veränderung’ der Erbinformation stattfindet oder ob das ein straffreier ‚Austausch’ von Erbinformation ist.“
„Dieselbe Diskussion betrifft auch den zweiten möglichen Straftatbestand, nämlich die Verwendung einer ‚menschliche Keimzelle’ – also einer Ei- oder Samenzelle – mit künstlich ‚veränderter’ Erbinformation zur Befruchtung (§ 5 Abs. 2).“
„Sofern das Verfahren durch Austausch der Zellkerne von bereits befruchteten Eizellen durchgeführt wird, also unter Verwendung von zwei Eizellen, bei denen die Membrane der Vorkerne bereits aufgelöst sind (das Gesetz spricht insoweit von ‚Kernverschmelzung’), gilt folgendes: Bei den in diesem Sinne fertig befruchteten Eizellen handelt es sich um Embryonen im Sinne des Gesetzes (§ 8 Abs. 1). Der Embryo, dessen Zellhülle (mit den nicht-defekten Mitochondrien) nach der Entfernung seines Zellkerns für die Aufnahme des anderen Zellkerns verwendet wird, wird zerstört, sodass ein Verstoß gegen das Verbot der missbräuchlichen Verwendung eines Embryos gegeben ist (§ 2 Abs. 1).“
„Umstritten ist ferner, ob bei dem Verfahren des Mitochondrienaustausches eine in Deutschland verbotene Eizellspende gegeben ist. Zum Teil wird argumentiert, dass es dafür ausreiche, dass eine Eizelle mit ‚auch‘ fremder, das heißt von einer anderen Frau stammender DNA, übertragen wird, während andere lediglich auf den Zellkern abstellen.“
„Rechtspolitisch ist das Verbot der Keimbahnintervention sehr umstritten. Der Gesetzgeber hat unzumutbare Risiken für das nach der Intervention geborene Individuum befürchtet. Wenn diese Risiken aber, wie bei anderen medizinischen Verfahren, eingrenzbar sind und auf der anderen Seite – durch Verhinderung einer schweren Erbkrankheit – ein großer Nutzen für den später geborenen Menschen zu erwarten ist, kann das Verbot kaum noch begründet werden. Ein ‚Designerbaby‘, dessen genetische Ausstattung wie bei einem Werkstück nach dem Willen der Eltern gestaltet wird, ist jedenfalls beim Mitochondrienaustausch nicht gegeben.“
associate professor in Medical Ethics, Department of Philosophy and Moral Sciences, Ghent University, Belgien und president of the Belgian Federal Commission for Research on Embryos in vitro
„Ich freue mich, dass die ersten Ergebnisse der Forschungsgruppe der Universität Newcastle nun endlich veröffentlicht werden, nachdem die HFEA im Jahr 2017 eine Lizenz erteilt hat, und dass die acht daraus resultierenden Kinder bei guter Gesundheit sind. Die Ergebnisse zeigen zwar, dass die Technik durchführbar ist und zu einer erheblichen Verringerung der Mutationslast bei den entstehenden Kindern führen kann, sie zeigen aber auch, dass wir sehr vorsichtig sein müssen.“
Problem der Revision: erhöhte Heteroplasmierate
„In Übereinstimmung mit früheren Forschungsarbeiten der Gruppe von Nuno Costa-Borges [1] bestätigt diese Untersuchung die Möglichkeit einer Revision. Das heißt, dass zwar nur ein kleiner Teil der mitochondrialen DNA (mtDNA) der Wunschmutter im Embryo vorhanden ist, dieser Anteil aber im Laufe der Entwicklung des Fötus manchmal erheblich zunimmt. Dies kann bei den entstehenden Kindern immer noch zu mitochondrialen Erkrankungen führen. Glücklicherweise deuten vorläufige Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Mutationslast zwischen der Embryonalphase und der Geburt zwar ansteigt, nach der Geburt jedoch stabil zu bleiben scheint.“
Relevanz der Ergebnisse für das Forschungsfeld
„Es handelt sich um sehr wichtige Ergebnisse, da große Unsicherheit über die Sicherheit der MRT herrschte. Angesichts des experimentellen Charakters der MRT war es ein kluger Ansatz, die Präimplantationsdiagnostik (PID) zu verwenden, wenn dies möglich war, und die MRT für die Fälle vorzubehalten, in denen die PID keine Lösung bieten kann. Es wäre interessant, in Zukunft mehr Daten darüber zu erhalten, ob bei der MRT oder der PID häufiger eine Revision auftritt, damit das sicherste Verfahren ausgewählt werden kann.“
Revision als gesundheitliche Gefahr
„Auch wenn die Heteroplasmiewerte in dieser Studie begrenzt sind, zeigt sie doch, dass die Revision eine echte Gefahr für die Nachkommen darstellt, die ernsthafte gesundheitliche Folgen haben kann. Daraus ergeben sich mindestens drei Dinge:“
„Erstens müssen Personen, die an dieser und künftigen klinischen Studien teilnehmen, umfassend darüber aufgeklärt werden, dass es sich nicht um eine Behandlung zur Risikobeseitigung, sondern um eine Behandlung zur Risikominderung handelt.“
„Zweitens müssen die Mechanismen, die eine Revision auslösen, weiter erforscht werden, damit sie verhindert werden kann, bevor diese Technik in der Routineversorgung eingesetzt wird. Zudem brauchen wir Nachuntersuchungen bei den Kindern, die nach der MRT geboren werden.“
Mitochondrien-Ersatz und Alternativen
„Drittens ist es wichtig zu bedenken, dass wir, wenn wir dies als Strategie zur Risikominderung betrachten, die Möglichkeit einer Empfängnis durch eine herkömmliche Eizellspende außer Acht lassen. Während genetische Elternschaft für viele Menschen offensichtlich wichtig ist, geht es hier um die Abwägung zwischen einem genetisch verwandten Kind mit einem hohen Risiko für eine mitochondriale Erkrankung bei natürlicher Empfängnis, einem genetisch verwandten Kind mit einem geringeren Risiko für eine mitochondriale Erkrankung (mittels PID oder MRT) und einem nicht genetisch verwandten Kind, bei dem das Risiko für eine mitochondriale Erkrankung so gut wie nicht vorhanden ist (durch eine Spenderempfängnis). Wenn sich Menschen, die sich für eine Eizellspende entschieden hätten, nun für eine MRT entscheiden, handelt es sich im Endeffekt eher um eine risikoerhöhende als um eine risikomindernde Technologie.“
„Diese Strategie senkt das Risiko mitochondrialer Erkrankungen bei den Kindern im Vergleich zur natürlichen Fortpflanzung der Eltern, aber die sicherste Option ist immer noch die Eizellspende, die die Weitergabe der mitochondrialen Erkrankung ausschließt, anstatt das Risiko zu verringern.“
Mitochondrienspenderin als Elternteil?
„Die Spenderin spielt zwar eine wesentliche Rolle bei der Geburt des Kindes, doch erscheint es ungerechtfertigt, ihr aufgrund des geringen genetischen Beitrags den Status eines Elternteils anzuerkennen. Es wäre jedoch korrekt, sie als ‚genetische Stammmutter‘ oder ‚genetische Beitragsleisterin‘ zu bezeichnen.“
Lehren aus früherer Forschung
„Die Gruppe von Nuno Costa-Borges [1] [2] musste viel Kritik einstecken, weil sie ihre klinische MRT-Studie an Menschen mit wiederholtem IVF-Versagen und nicht an Menschen mit mitochondrialen Erkrankungen durchführte. Im Nachhinein müssen wir anerkennen, dass ihr Ansatz angesichts des Phänomens der Revision vielleicht der klügere war. In ihrer Studie beobachteten sie bei einem Säugling eine Revision von weniger als einem Prozent der mütterlichen mtDNA im Blastozystenstadium auf 30 bis 60 Prozent (je nach Gewebetyp) bei der Geburt. Dies war glücklicherweise kein Problem, da die mütterliche mtDNA nicht krankheitsverursachend war, aber ein ähnliches Ausmaß an Revision könnte verheerende Folgen in einer klinischen Studie bei Frauen mit mitochondrialen Störungen haben, wie in dieser, über die heute im NEJM berichtet wird.“
Leiter der Forschungsgruppe Genetik von Mitochondriopathien, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München
„Das Feld der mitochondrialen Medizin hat die Ergebnisse dieser Studie herbeigesehnt. Die robusten Daten beschreiben einen echten Durchbruch für Frauen mit einer (nahezu) homoplasmatischen krankhaften mitochondrialen DNA-Variante (mtDNA), um höchstwahrscheinlich genetisch verwandte gesunde Kinder zu bekommen. Das Risiko der Kinder, nach Vorkerntransfer zu erkranken, ist minimal. Alle getesteten Gen-Varianten benötigen für die Manifestation der Erkrankung eine sehr hohe Heteroplasmie beziehungsweise liegen dann typischerweise homoplasmatisch vor.“
Revision am Beispiel Lebersche hereditäre Optikusneuropathie
„Es gibt in der Literatur die Beobachtung, dass es in wenigen Fällen zu einer Revision der mutierten DNA der Mutter kommt. Interessanterweise handelt es sich hierbei zum Beispiel auch um eine LHON-Mutation (Lebersche hereditäre Optikusneuropathie) , die in der Bevölkerung fast immer homoplasmatisch vorliegt und die nach neuen Zahlen nur eine geringe Penetranz von unter fünf Prozent für die LHON-Erkrankung hat (nur fünf Prozent der Genträger erkranken auch; Anm. d. Red.) [3] [4] [5]. Insofern ist die Auswahl der Mutationsträger für diese Studie mit vier LHON-Mutationen nicht ganz glücklich. Die Homoplasmie der LHON-Varianten spricht dafür, dass sie möglicherweise einen Selektionsvorteil bieten [6]. Da der Mitochondrien-Transfer die Mutation nicht eliminiert, besteht das Risiko bei den Mädchen, dass die Mutation an die nachfolgende Generation übertragen wird. Hierbei kommt es oft zu deutlichen Verschiebungen der Heteroplasmie, auch zu Ungunsten von Patienten. In der Regel haben krankheitsverursachende Varianten jedoch eher einen Selektionsdruck [6].“
Interaktion zwischen Mitochondrien der Spenderin und Kern-DNA der Eltern
„Humane Studien belegen kein Risiko einer Unverträglichkeit der Spender-mtDNA mit der Kern-DNA der Eltern.“
Identifikation und Beratung von Frauen mit mitochondrialen Erkrankungen
„Es gibt kein Neugeborenenscreening für Mutationen der mitochondrialen DNA. Frauen werden als Mutationsträgerinnen identifiziert, wenn sie selbst oder eines ihrer Kinder erkranken. Die Vorhersage beziehungsweise die Risikoabschätzung für die nächste Generation ist bei mtDNA-Mutationen der Mutter nur schwer möglich. Viele Zentren für Mitochondriale Erkrankungen arbeiten mit der Gruppe in Newcastle zusammen, um über die dortigen Möglichkeiten zu informieren oder eine Präimplantationsdiagnostik anzubieten.“
Kommentar zum Paper von McFarland et al.
„Es handelt sich nicht um eine Studie, die untersucht, ob die verbleibende Menge an mtDNA-Mutationen ein Risiko für das Kind darstellt, sondern ob die angewandte Technik ein direktes Risiko darstellt. Die Konsequenzen der in manchen Kindern nachweisbaren mtDNA Mutationen werden sich, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren oder Jahrzehnten manifestieren.“
Leiter der Arbeitsgruppe Maintenance and expression of mtDNA in disease and ageing, Department of Medical Biochemistry and Biophysics, Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden
Relevanz der Ergebnisse für das Forschungsfeld
„Die Studie im NEJM ist sehr wichtig und stellt einen Durchbruch in der mitochondrialen Medizin dar. Es sei daran erinnert, dass mitochondriale Erkrankungen verheerend sein können und bei den betroffenen Kindern erhebliches Leid verursachen, das manchmal zu einem frühen Tod führt. Die Familien sind zutiefst betroffen. In dem Artikel im NEJM wird beschrieben, wie die Geburt betroffener Kinder durch Mitochondrienspende verhindert werden kann. Bei diesem fortschrittlichen Verfahren handelt es sich nicht um eine Krankheitsbehandlung, sondern vielmehr um einen Eingriff, der die Übertragung der mutierten mtDNA von der Mutter auf das Kind reduziert. Für betroffene Familien ist dies eine sehr wichtige Reproduktionsoption. Die Arbeit beschreibt eine relativ kleine Serie von acht Babys, die nach einer Mitochondrienspende durch Vorkerntransfer geboren wurden. Die Arbeit ist sorgfältig gemacht und von hoher Qualität, aber wie immer in der Wissenschaft müssen die Ergebnisse durch unabhängige Studien bestätigt werden. Außerdem werden langfristige klinische Folgestudien der geborenen Babys zusätzliche Informationen über die Sicherheit und Wirksamkeit der Mitochondrienspende liefern.“
Wissenschaftliche Praxis und Zusammenarbeit mit der Regierung
„Bevor dieses Verfahren auf die menschliche Fortpflanzung angewendet wurde, gab es einen sehr langen Entwicklungs- und Bewertungsprozess. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft gab es viele konstruktive Diskussionen, und das britische Parlament billigte 2015 ein Gesetz, das die mitochondriale Spende erlaubt.“
Problem der Revision: erhöhte Heteroplasmierate
„Die Mitochondrienspende durch das Vorkerntransferverfahren führt immer zu einer Mitübertragung einiger Mitochondrien von der Mutter. Dabei kann auch mutierte mitochondriale DNA (mtDNA) übertragen werden. Die in der NEJM-Studie vorgestellten Daten zeigen, dass im Blut von fünf der geborenen Kinder keine mutierte mtDNA nachgewiesen werden konnte. Bei drei Kindern wurden jedoch geringe Mengen an mutierter mtDNA im Blut nachgewiesen. Es ist unwahrscheinlich, dass diese geringen Mengen an mutierter mtDNA eine mitochondriale Krankheit verursachen, aber es sind weitere Folgestudien erforderlich. Wie die Autoren betonen, sollte die mitochondriale Spende durch Vorkerntransfer als eine Strategie zur Risikominderung betrachtet werden.“
Interaktion zwischen Mitochondrien der Spenderin und Kern-DNA der Eltern
„Die Autoren berichten, dass die übertragene mtDNA keine Mutationen aufweist und dass es daher unwahrscheinlich ist, dass die mtDNA der Spenderin Krankheiten verursacht oder sich auf die Alterung auswirkt. Während des normalen Alterungsprozesses erwirbt die mtDNA Mutationen (somatische Mutationen), zum Beispiel während der massiven Zellteilung bei der Bildung und Entwicklung des Embryos. Diese Mutationen sind in der Regel in geringen Mengen vorhanden, häufen sich aber in einer Untergruppe von Zellen in vielen verschiedenen alternden Geweben zu hohen Werten an. Bei der Mitochondrienspende wird die mtDNA ohne Mutationen übertragen, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die mtDNA der Spenderin den Alterungsprozess zusätzlich beeinflusst.“
Mitochondrien-Ersatz und Alternativen
„Wenn es um krankheitsverursachende mtDNA-Mutationen geht, die in allen Kopien vorhanden sind (also homoplasmatische mtDNA-Mutationen), gibt es derzeit keine Alternative zur Mitochondrienspende, um die Übertragung der mutierten mtDNA von der Mutter auf das Kind zu verhindern. Möglicherweise werden in Zukunft alternative Methoden zur Verfügung stehen, etwa die Korrektur der mutierten mtDNA durch Gen-Editing-Techniken. Derzeit gibt es einige vielversprechende pharmakologische Therapien für mitochondriale Erkrankungen, zum Beispiel die Nukleosidtherapie für mtDNA-Depletionsstörungen (Supplementierung von DNA-Bausteinen mit der Nahrung, um einen krankhaften Mangel auszugleichen, symptomlindernd bei Krankheit mit Mangel an Mitochondrien; Anm. d. Red.). Es ist wahrscheinlich, dass in naher Zukunft weitere Behandlungen zur Verfügung stehen werden, da sich dieser Bereich rasch entwickelt.“
Leiter der Arbeitsgruppe Erbliche seltene neurologische Erkrankungen und Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München (TUM)
Relevanz der Ergebnisse für das Forschungsfeld
„Nach meiner Kenntnis handelt es sich um die erste Publikation einer größeren Kohorte von Familien/Müttern mit mitochondrialen DNA-Erkrankungen (mtDNA), die nach Vorkerntransfer/Mitochondrienspende beziehungsweise Präimplantationsdiagnostik Kinder geboren haben. Somit sind die Arbeiten sehr bedeutsam, um die Wirksamkeit und Risiken der Methoden in der Praxis einschätzen zu können.“
„Per se umfasst die Studie gut untersuchte Familien mit verlässlichen Daten, aber nicht bei allen Familien konnte eine Weitergabe der krankhaften mtDNA-Varianten verhindert werden.“
Heteroplasmie bei den Kindern
„Ein gewisser Carry-Over von mtDNA mit einer krankheitsverursachenden Variante findet beim Vorkerntransfer statt. Dass sich im Laufe des Lebens nach einem Carry-Over der Anteil mutierter mtDNA weiter erhöht, kann man nicht ausschließen. Es ist aber nicht wahrscheinlich: Beispielsweise nimmt bei Patienten mit der m.3243A>G-Variante der Heteroplasmiegrad im Blut im Laufe des Lebens ab.“
„Die Nachbeobachtungszeiten sind noch nicht ausreichend, um Risiken einer späteren Erkrankung zu beurteilen. Eine Manifestation einer mtDNA-Erkrankung im späteren Verlauf ist bei den Kindern denkbar.“
Identifikation und Beratung von Frauen mit mitochondrialen Erkrankungen
„Eine krankhafte mtDNA-Variante wird bei Frauen, die diese weitergeben können, mittels einer molekulargenetischen Testung identifiziert, wenn die Frau Symptome einer Mitochondriopathie hat. Es gibt auch Fälle, in denen die molekulargenetische Diagnostik aus einer anderen Indikation erfolgt – wie die Suche nach einer anderen genetischen Erkrankung – und dabei eine krankhafte mtDNA aufgefallen ist. Diese sollte nach den ACMG-Empfehlungen von den genetischen Laboren aber nicht mitgeteilt werden.“
„Bisher war bei ‚dünner‘ Datenlage die Beratung bezüglich eines Kinderwunsches von Frauen mit mitochondrialen Erkrankungen schwierig. Dazu steht in der DGN-Leitlinie ‚Mitochondriale Erkrankungen‘: ‚Eine humangenetische Beratung ist insbesondere bei Kinderwunsch komplex. Eine Pränataldiagnostik kann bei nukleären Mutationen routinemäßig durchgeführt werden, ist bei Mutationen der mitochondrialen DNA weiter limitiert. Die Datenlage zur Präimplantationsdiagnostik als Prävention beziehungsweise Risikoreduktion der Vererbung pathogener mitochondrialer DNA-Mutationen ist äußerst begrenzt, die Methode unterliegt in Deutschland der Präimplantationsdiagnostikverordnung‘. Diese beiden Arbeiten aus Newcastle sind für die Beratung hilfreich.“
„Ob eine unkomplizierte Schwangerschaft bei Frauen mit mtDNA-Erkrankung zu erwarten ist, hängt auch von der Manifestation/Schwere der Erkrankung der Frau ab. Bei deutlicher Muskelschwäche (auch mit Atemmuskelschwäche), kann diese während der Schwangerschaft zunehmen. Eine Geburt auf natürlichem Wege kann erschwert sein, sodass ein Kaiserschnitt notwendig werden kann.“
Mitochondrien-Ersatz und Alternativen
„Wenn das Verfahren der Mitochondrienspende auch in Deutschland erlaubt werden würde, wäre dies für ausgewählte Frauen mit einer mtDNA-Erkrankung eine Möglichkeit, das Risiko einer Weitergabe einer krankhaften mtDNA-Variante mit einem Heteroplasmiegrad über einem krankheitsauslösenden Schwellenwert deutlich zu vermindern. Somit würde sich die Chance auf gesunde Kinder für Familien erhöhen.“
„Die Daten aus Newcastle lassen aber nicht erwarten, dass mit den angewendeten Methoden garantiert eine Weitergabe der Erkrankung verhindert werden kann. Bei manchen mtDNA-Varianten hängt der Schweregrad der Erkrankung klar vom Heteroplasmiegrad im Blut ab, sodass eine Reduktion des Heteroplasmiegrades in solchen Fällen bei Kindern zu einer milderen Erkrankung führen könnte.“
„Kurzfristig sind keine guten therapeutischen Verfahren zu Behandlung von mtDNA-Erkrankungen in Sicht, daher ist eine Prävention der Weitergabe von mtDNA-Erkrankungen die bessere Wahl. Kinder, die eine mtDNA-Variante geerbt haben, erfolgreich genspezifisch zu behandeln halte ich auch mittelfristig für schwierig, da eine Gentherapie die DNA in den Mitochondrien erreichen muss. Es gibt das Beispiel der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie, bei der Säuglinge, die im Neugeborenenscreening diagnostiziert wurden, sehr erfolgreich behandelt werden können. Bei mtDNA-Erkrankungen ist das so aber leider in nächster Zeit nicht zu erwarten.“
Kommentar zum Paper von McFarland et al.
„Ich halte es für nicht wahrscheinlich, dass die beiden Kinder, die symptomatisch waren, an einer maternal vererbten Mitochondriopathie erkrankt sind. Bei dem Kind mit der Epilepsie stufe ich das sogar als sehr unwahrscheinlich ein. Die Beurteilung der Autoren, dass auch die Prozedur der reproduktiven Technologie selbst beziehungsweise Schwangerschaftskomplikationen oder metabolische Störungen bei der Mutter für die Symptomatik der beiden Kinder verantwortlich sein können, halte ich für plausibel.“
Associate Professor of Developmental Cell Biology (in Pediatrics and Obstetrics and Gynecology), Columbia University, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigte Staaten
Ergebnisse der Studie
„Was man bisher sagen kann, ist, dass es diesen Kindern anscheinend gut geht und die Daten stimmen damit überein. Es gibt keinen Grund zu erwarten, dass diese Kinder an einer genetischen Erkrankung leiden werden. Die Mutationen, die in den Eizellen der Mutter waren, sind praktisch nicht mehr vorhanden oder auf einem sehr niedrigen Niveau. Ich erwarte keine negativen Konsequenzen für die Kinder.“
„Die Autoren sagen es im Paper selbst: Es braucht ein weiteres Follow-Up über mehrere Jahre hinweg. Die Kinder müssen noch aufwachsen, das dauert Zeit, und das heißt, diese Studie wird weitergehen.“
Wissenschaftliche Praxis und Zusammenarbeit mit der Regierung
„Die Forschenden haben außerordentlich lange an diesem Thema gearbeitet und die Geduld gezeigt, nicht voreilig zu publizieren. Diese erste Studie berichtet schon über mehrere Kinder. Es gab schon Einzelfallberichte, etwa den ersten Fall 2016 von Forschenden aus New York und Mexiko Mexiko [7] (siehe auch Angebot des SMC dazu; Anm. d. Red.). Seitdem wurde in diesem Bereich wenig publiziert, aber die Autoren haben währenddessen sehr lange an diesen aktuellen Publikationen gearbeitet. Die Ergebnisse sind bedeutend und läuten eine Epoche in der klinischen Praxis ein: Bisher war es nicht einfach möglich, genetisches Material auf diese Weise auszutauschen und damit eine Erbkrankheit zu verhindern.“
„Diese außerordentlichen Ergebnisse sind nur durch jahrelange Arbeit und eine Zusammenarbeit mit der britischen Regierung möglich gewesen. Diese hat die notwendigen Schritte unternommen, um die Forschung zu ermöglichen und die Studie mitfinanziert. Auch die Regulierung und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit haben eine relevante Rolle für den Erfolg der Studien gespielt. Leider ist solch eine gute Zusammenarbeit etwa in den USA nicht geschehen: Hier vor Ort haben wir Pionierarbeit in diesem Gebiet geleistet, aber dieses Ping-Pong mit der Regierung hat in den USA nicht stattgefunden und auch anderswo ist es schwierig. Fortschritte werden etwa in Australien gemacht. Das Vereinigte Königreich ist ein Vorbild für andere Länder und könnte eine Leitlinie für weitere Fortschritte bieten.“
Personalisierter Ansatz
„Sehr gut an der Studie ist der personalisierte Ansatz. Nicht allen Frauen wurde der Vorkern-Transfer angeboten, sondern nur denen mit einem hohen Mutationslevel. Frauen mit einem niedrigem Mutationslevel wurde stattdessen eine Präimplantationsdiagnostik angeboten. Insgesamt haben beide Prozesse gut funktioniert, mit einer guten Entwicklung der Embryonen, erfolgreichen Schwangerschaften und geborenen lebensfähigen Kindern.“
„Nur wenige Patientinnen mit Mutationen in Mitochondrien brauchen den Mitochondrien-Ersatz. Anderen kann mit einer Präimplantationsdiagnostik geholfen werden. Das ist sehr viel einfacher, weil man hierfür keine Eizellspende braucht, sodass nicht noch eine weitere Person involviert ist. Wenn allerdings schon ein hoher Mutationsanteil in den Eizellen erwartet wird, dann ist eine Präimplantationsdiagnostik nicht effektiv, weil keine Embryonen mit niedrigen Leveln an mutierten Mitochondrien gefunden werden können. Hier kommt ein Mitochondrien-Ersatz infrage.“
Heteroplasmie bei den Kindern und deren potenziellen Nachkommen
„Die bei zwei Kindern detektierten Raten an mutierter mitochondrialer DNA von zwölf und 16 Prozent sind nicht hoch genug, um eine Erkrankung auszulösen. Das lässt sich nicht garantieren, aber diese Raten sind erstmal weit unter dem Level, das eine Erkrankung auslösen würde.“
„Eine Weitergabe an Nachkommen der weiblichen Kinder ist theoretisch möglich. Zwei Kinder mit einer Heteroplasmie von fünf und zwölf Prozent sind Mädchen. Das sind zwar relativ niedrige Heteroplasmielevel, wo die Chance hoch ist, dass es keine Konsequenzen für ihre Nachkommen gibt. Um sicherzugehen, könnte man bei einem Kinderwunsch bei diesen Mädchen eine Präimplantationsdiagnostik anbieten. Ich erwarte nicht, dass eine erneute Mitochondrien-Ersatztherapie bei ihnen nötig sein wird. Die Mädchen, beziehungsweise dann Frauen, haben die Freiheit, solch eine medizinische Behandlung zu wählen oder auch nicht: Es ist ihre Entscheidung.“
Interaktion zwischen Mitochondrien der Spenderin und Kern-DNA der Eltern
„Die Funktion der Fortpflanzung, der Reproduktion ist es, Gene zu mischen. Das geschieht bei der normalen Reproduktion und das geschieht bei der Mitochondrien-Ersatztherapie, grundsätzlich gibt es dazwischen keinen Unterschied. Bei der natürlichen Fortpflanzung werden die Gene des Spermiums jedes Mal mit den Mitochondrien der Eizelle neu kombiniert, ein natürlicher Mechanismus über Generationen. Ich halte die Idee der Nicht-Kompatibilität für einen Mythos, denn grundsätzlich ist es normal, dass sich Gene neu kombinieren.“
stellvertretende Leiterin des IVF-Labors, der UniCareD Kryobank und der UniKiD Forschung, Universitätsklinikum Düsseldorf
Bedeutung der Ergebnisse für die deutsche Reproduktionsmedizin
„Da bisher keine heilenden Therapien für mitochondriale Erkrankungen existieren, eröffnen Fortschritte in der assistierten Reproduktionstechnologie neue Möglichkeiten, um die Weitergabe solcher Varianten zu verringern. Die Präimplantationsdiagnostik, die üblicherweise zur Erkennung von Defekten der Kern-DNA eingesetzt wird, kann auch verwendet werden, um Embryonen mit einem niedrigen Anteil an mütterlicher krankhafter mitochondrialer DNA-Variante zu identifizieren und so das Erkrankungsrisiko zu senken.“
„Der Austausch der Vorkerne der Zygote der Spenderin durch die Vorkerne der Patientin gelang in 127 von 160 Fällen (79,4 Prozent). Von den daraus entstandenen 127 Embryonen waren am darauffolgenden Tag (Tag 1) noch 122 (96,1 Prozent) intakt. Die Anzahl intakter Zygoten pro durchgeführtem Vorkerntransfer (insgesamt 33 Eingriffe) lag zwischen null und sieben.“
„Bei 37 der 39 Patientinnen (95 Prozent) in der Präimplantationsdiagnostik-Gruppe erfolgte eine Beurteilung der Embryonen am dritten Tag nach der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Für die Präimplantationsdiagnostik wurde eine Blastomere an Tag drei der embryonalen Entwicklung biopsiert und der Transfer erfolgte zumeist im Frischzyklus nach der Analyse der mitochondrialen DNA aus der Blastomere.“
„Eine Umsetzung in Deutschland ist unter den jetzigen gesetzlichen Vorgaben (Embryonenschutzgesetz) nicht möglich, da die Eizellspende verboten ist.“
Identifikation und Beratung von Frauen mit mitochondrialen Erkrankungen
„Je früher und massiver eine Mitochondrienerkrankung auftritt, umso früher können die Patientinnen identifiziert werden. Patientinnen in Deutschland werden ausführlich humangenetisch beziehungsweise interdisziplinär gemäß der aktuellen S1-Leitlinie ‚Mitochondriale Erkrankungen‘ beraten. Eine Entscheidung bezüglich der Möglichkeiten einer reproduktiven Maßnahme und einer möglichen Präimplantationsdiagnostik fällt im gemeinsamen Gespräch mit den Patientinnen und abhängig vom Grad der Heteroplasmie. Ein Vorkerntransfer ist in Deutschland aufgrund des Verbots der Eizellspende nicht möglich. Als Alternativen bleiben Eizellspende im Ausland oder Adoption.“
Zukunft der Reproduktionsmedizin für Menschen mit mitochondrialen Erkrankungen
„In Deutschland wurde 2009 ein Patientenregister für mitochondriale Erkrankungen gegründet. Für die Reproduktionsmedizin wäre es vorteilhaft, wenn dort auch reproduktive Ergebnisse gesammelt würden, beziehungsweise Analyseergebnisse, falls eine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt wurde. Leider existiert keine Quervernetzung der Register.“
„Des Weiteren wird generell in Deutschland die Suche nach Biomarkern unterstützt, um die Diagnosegenauigkeit für mitochondriale Erkrankungen zu erhöhen.“
„Für die Reproduktionsmedizin sehe ich derzeit in Deutschland keine Anwendung der in der Studie vorgestellten Technik ohne eine ausführliche Erneuerung des Embryonenschutzgesetzes und der Legalisierung der Eizellspende.“
„Die neue EU SOHO-Richtlinie wird in den nächsten Jahren in Kraft treten. Diese soll vor allem den genetischen Hintergrund von Kindern aus Eizell- und Samenspende (neben den Novellierungen des Samenspenderegisters) stärker absichern, sodass an der Stelle bei Drei-Eltern-Konstellationen noch viele offene Fragen auftreten werden.“
Über den Vorkerntransfer
„Bei der mitochondrialen Spende mittels Vorkerntransfers wird das Kerngenom aus einer befruchteten Eizelle der betroffenen Frau in eine entkernte, befruchtete Eizelle einer gesunden Spenderin übertragen. Die Vorkerne werden einzeln aus den Zygoten der Patientinnen entfernt und nach kurzer Behandlung mit einem Fusionsmittel (Hämagglutinierendes Virus der Japan-Hülle) gemeinsam unter der Zona pellucida (Schutzhülle um die Eizelle; Anm. d. Red.) der entkernten Spender-Eizelle platziert. Basierend auf Erkenntnissen aus präklinischen Studien ist es Standard, die Eizellen von Patientinnen, für die ein Vorkerntransfer geplant wird, einzufrieren (Vitrifikation), da die Spendereizellen nicht immer zur selben Zeit und in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.“
„Krankhafte Varianten der mitochondrialen DNA können entweder homoplasmisch (in allen mitochondrialen DNA-Kopien vorhanden) oder heteroplasmisch (nur in einem Teil der Kopien vorhanden) sein. Homoplasmische Varianten werden vollständig an alle Nachkommen weitergegeben, allerdings kann ihre Ausprägung (Penetranz) individuell unterschiedlich sein.“
Ergebnisse der Studie: Schwangerschaftsrate und Heteroplasmierate
„Klinische Schwangerschaften wurden bei acht von 22 Patientinnen (36 Prozent), die eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) im Rahmen eines Vorkerntransfers erhielten, sowie bei 16 von 39 Patientinnen (41 Prozent), die ICSI im Rahmen einer Präimplantationsdiagnostik (PID) durchliefen, bestätigt. Der Pronukleartransfer führte zu acht Lebendgeburten und einer laufenden Schwangerschaft. Die PID resultierte in 18 Lebendgeburten.“
„Die Heteroplasmie-Werte im Blut der acht Säuglinge nach Pronukleartransfer lagen zwischen nicht nachweisbar und 16 Prozent. Im Vergleich zu den entkernten Zygoten war der Anteil der krankhaften mütterlichen mitochondrialen DNA bei sechs Neugeborenen um 95 bis100 Prozent und bei zwei Neugeborenen um 77 bis 88 Prozent reduziert. Für zehn der 18 Säuglinge nach Präimplantationsdiagnostik lagen ebenfalls Heteroplasmie-Daten vor – dabei lagen die Werte zwischen nicht nachweisbar und sieben Prozent.“
„Aus bislang ungeklärten Gründen kann die geringe Menge an übertragener mütterlicher mitochondrialer DNA in etwa 20 Prozent der embryonalen Stammzelllinien, die aus Embryonen nach einer mitochondrialen Spende hervorgegangen sind, auf homoplasmisches Niveau ansteigen. Darüber hinaus wurde bei einem von sechs Säuglingen, die nach einem maternalen Spindeltransfer zur Behandlung von Unfruchtbarkeit geboren wurden, ein erhöhter Heteroplasmie-Wert (40 bis 60 Prozent) der mütterlichen mtDNA festgestellt [7]. Diese Beobachtungen werfen die Frage auf, ob eine mitochondriale Spende in allen Fällen – insbesondere bei homoplasmischen Varianten – zuverlässig die Weitergabe krankhafter mitochondrialer DNA verhindern kann.“
Über mitochondriale Erkrankungen
„Etwa einer von 5000 Menschen erkrankt an einer mitochondrialen Erkrankung, was sie zu einer der häufigsten erblichen Erkrankungen macht, obwohl die Symptome oft sehr unterschiedlich sein können. Die Symptome mitochondrialer Erkrankungen sind sehr vielfältig und können verschiedene Organe betreffen, zum Beispiel die Muskeln mit Muskelschwäche und -schmerzen, das Nervensystem mit Enzephalopathie, Epilepsie und neurologischen Störungen, das Herz mit einer Erkrankung des Herzmuskels, die Augen mit Erblindung und Sehstörungen, die Ohren mit Schwerhörigkeit und das endokrine System mit einem Diabetes mellitus.“
„Weitere Beispiele für Mitochondriopathien mit benannten Syndromen sind: Autosomal-dominante Optikusatrophie (ADOA) mit langsam progredientem, meist beidseitigem, zentralem Visusverlust; Kearns-Sayre-Syndrom mit Überleitungsstörungen am Herz, degenerativen Veränderungen an der Retina und externer Ophthalmoplegie; chronisch-progressive externe Ophthalmoplegie, die eine unvollständige Form des Kearns-Sayre-Syndrom darstellt und durch eine externe Ophthalmoplegie imponiert; MERRF-Syndrom mit zerebellärer Ataxie, Myokloni, generalisierten Krampfanfällen, Kleinwuchs und Demenz; MELAS-Syndrom mit Krampfanfällen, Demenz und Kopfschmerzen.“
„Neben den hier aufgelisteten Krankheitsentitäten existiert eine Vielzahl weiterer, teils sehr seltener Syndrome, die den Mitochondriopathien zuzurechnen sind, aber oft noch wenig erforscht oder noch nicht beschrieben wurden.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte, was diese Studien angeht.“
„Ich forsche selbst auf dem Gebiet des mitochondrialen Ersatzes (unsere Arbeit wird zitiert). Ich habe keinen finanziellen Interessenkonflikt.“
„Für mich besteht kein Interessenkonflikt.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Über die mitochondriale DNA
In einer einzelnen Zelle können sich je nach Gewebe mehr als 1000 Mitochondrien befinden. Mitochondrien sind die einzigen menschlichen Zellorganellen, die eine eigene DNA besitzen. Der Großteil ihrer Proteine wird von Genen auf der DNA im Zellkern codiert, nur 37 Gene in den Mitochondrien selbst. Diese finden sich auf der zirkulären mitochondrialen DNA, die 16.569 Basenpaare umfasst – zum Vergleich: Das gesamte menschliche Erbgut besteht aus circa 3,2 Milliarden Basenpaaren. Es gibt verschiedene Erkrankungen, die durch Mutationen im Erbgut von Mitochondrien ausgelöst werden können. Die Gene von Mitochondrien mutieren besonders viel, verglichen mit dem Erbgut in den Zellkernen.
Folgen mitochondrialer Mutationen
Wenn einzelne Mitochondrien mutieren, liegen innerhalb einer Zelle Mitochondrien mit verschiedenen Erbinformationen vor, dies wird Heteroplasmie genannt. Bei der Zellteilung werden die Mitochondrien zufällig auf die neuen Zellen aufgeteilt. Damit die Mutationen allerdings zu Symptomen einer Erkrankung führen, müssen sie in einer bestimmten Konzentration in mehreren Zellen eines Gewebes vorliegen. Da Mitochondrien für die Energieversorgung der Zellen zuständig sind und verschiedene Gewebe unterschiedliche Energiebedarfe haben, gibt es unterschiedliche Raten an mutierten Zellen, die zu einer Erkrankung führen können. Viele mitochondriale Erkrankungen betreffen das Nervensystem, führen etwa zu Krampfanfällen, Blindheit und Muskellähmungen, da die betreffenden Organe wie Gehirn, Nerven und Muskeln besonders viel Energie benötigen [IV].
Vererbung mitochondrialer Mutationen
Mitochondrien werden fast vollständig mütterlich vererbt, weil sie in der Eizelle vorliegen. Selbst wenn die Mutter keine krankheitsauslösend hohe Konzentration von mutierten Mitochondrien in ihren Geweben trägt, kann das in ihren Eizellen trotzdem der Fall sein. Das liegt daran, dass bei der Zellteilung die Mitochondrien in einer Zelle zufällig auf die neuen Zellen verteilt werden. Sollten sich so bei Eizellbildung mutierte Mitochondrien in einzelnen Eizellen konzentriert haben, besteht das Risiko für Erkrankungen des entstehenden Kindes. Der Mitochondrienersatz durch Mitochondrien von gesunden Spenderinnen könnte vorbeugend wirken.
Arten der Mitochondrien-Ersatztherapie
Es gibt zwei Arten der Mitochondrien-Ersatztherapie: Beim maternalen Spindeltransfer (MST) wird die mütterliche Kern-DNA vor der Befruchtung, wenn während der Zellteilung der Spindelapparat ausgebildet ist, aus der Eizelle entnommen und mit der der Spenderinneneizelle ausgetauscht. Erst danach wird die so neu entstandene Eizelle befruchtet. Beim Vorkerntransfer (PNT) werden zunächst sowohl die mütterliche als auch die Spenderinneneizelle befruchtet. Dann werden die beiden Vorkerne mit den Erbinformationen von Mutter und Vater aus der mütterlichen Eizelle mit denen in der befruchteten Spenderinneneizelle ausgetauscht. Das Ziel dieser Techniken: Ein Embryo mit den Kern-Erbinformationen der Eltern und den Mitochondrien einer gesunden Spenderin. Der Anteil der mütterlichen mutierten Mitochondrien (der sogenannte Carry-over) sollte dabei idealerweise auf weniger als zwei Prozent gesenkt werden, damit das Kind nicht erkrankt.
Mögliche Risiken und offene Fragen
Risiken sehen Forschende zum einen im sogenannten genetischen Drift [V]. Dabei könnten sich der Anteil der mitübertragenen mütterlichen fehlerhaften Mitochondrien erhöhen und so möglicherweise trotz der MRT zu Erkrankungen führen. Um herauszufinden, ob und wann dies geschieht, sind Langzeitstudien notwendig. Ein weiteres Risiko, besonders bei weiblichen Nachkommen, ist die erneute Weitergabe restlicher mutierter mütterlicher Mitochondrien an die Nachkommen, wenn bei der Eizellbildung der Anteil steigt. Außerdem ist unklar, inwiefern mitochondriale DNA und die Kern-DNA interagieren und eine MRT zu Veränderungen beim Kind führen kann.
Auch ethische Fragestellungen werden diskutiert: Von der Identität des Kindes mit gespendeten Mitochondrien, auch wenn die mitochondrialen Gene nicht für Persönlichkeit codieren, über die Eizellspende und das Risiko der Spenderin, dem Zugang zur bisher limitierten MRT, bis hin zu bisher unbekannten Langzeiteffekten.
Alternativen zur MRT
Als Alternativen zur MRT gibt es generell den Verzicht auf ein genetisch verwandtes Kind, etwa über Adoption oder Eizellspende. Eine weitere Möglichkeit wäre die Präimplantationsdiagnostik nach IVF: Dabei werden die Embryonen vor der Implantation auf Gendefekte in den Mitochondrien untersucht und ausgewählt. Der Einsatz der Präimplantationsdiagnostik ist in Deutschland in einem entsprechenden Gesetz geregelt: Bei Vorliegen eines hohen Risikos für eine schwerwiegende Erkrankung kann eine Zelle des Embryos genetisch untersucht werden, wenn eine Ethikkommission ihre Einwilligung dazu gibt.
Weitere Alternativen wären ursächliche Therapien der Erkrankungen. Solche sind noch nicht verfügbar und werden noch erforscht. Dazu zählen etwa Gentherapien [VI] oder Basen-Editierung [VII].
Einen Überblick über Strategien, um mitochondriale Erkrankungen zu verhindern, finden Sie hier: [III].
Primärquellen
Hyslop LA et al. (2025): Mitochondrial Donation and PGT to Reduce Risk of Mitochondrial DNA Disease. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2415539.
McFarland R et al. (2025): Mitochondrial Donation within a Reproductive Care Pathway for mtDNA Disease. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2503658.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Centre UK (2025): expert reaction to two papers on the use of mitochondrial donation and preimplantation genetic testing for mitochondrial disease, as published in NEJM. Stand: 16.07.2025
Science Media Center (2016): Erstes Baby nach Keimbahntherapie mit Zellkern-Transfer lebend geboren. Statements. Stand: 27.09.2016
Hyslop LA et al. (2016): Towards clinical application of pronuclear transfer to prevent mitochondrial DNA disease. Nature. DOI: 10.1038/nature18303.
Vorarbeiten der Studienautorinnen und -autoren.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Costa-Borges N et al. (2023): First pilot study of maternal spindle transfer for the treatment of repeated in vitro fertilization failures in couples with idiopathic infertility. Fertility and Sterility. DOI: 10.1016/j.fertnstert.2023.02.008.
[2] Savash M et al. (2025): Mitochondrial DNA ‘reversal’ is common in children born following meiotic spindle transfer, potentially reducing the efficacy of mitochondrial replacement therapies. Konferenzabstract.
[3] Hudson G et al. (2019): Reversion after replacement of mitochondrial DNA. Nature. DOI: 10.1038/s41586-019-1623-3.
[4] Kang E et al. (2016): Mitochondrial replacement in human oocytes carrying pathogenic mitochondrial DNA mutations. Nature. DOI: 10.1038/nature20592.
[5] Mackey DA et al. (2022): Is the disease risk and penetrance in Leber hereditary optic neuropathy actually low?. The American Journal of Human Genetics. DOI: 10.1016/j.ajhg.2022.11.014.
[6] Kotrys AV et al. (2024): Single-cell analysis reveals context-dependent, cell-level selection of mtDNA. Nature. DOI: 10.1038/s41586-024-07332-0.
[7] Zhang J et al. (2016): First live birth using human oocytes reconstituted by spindle nuclear transfer for mitochondrial DNA mutation causing Leigh syndrome. Fertility and Sterility. DOI: 10.1016/j.fertnstert.2016.08.004.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Human Fertilisation and Embryology Authority (2016): Scientific review of the safety and efficacy of methods to avoid mitochondrial disease through assisted conception – Scientific review: 2016 update. Human Fertilisation and Embryology Authority.
[II] Human Fertilisation and Embryology Authority: Mitochondrial donation treatment.
Webseite mit Informationen der HFEA zur Umsetzung der MRT.
[III] Castelluccio N et al. (2025): Genetic and reproductive strategies to prevent mitochondrial diseases. Human Reproduction Update. DOI: 10.1093/humupd/dmaf004.
[IV] Ng YS et al. (2015): Mitochondrial disease: genetics and management. Journal of Neurology. DOI: 10.1007/s00415-015-7884-3.
[V] Yamada M et al. (2020): Mitochondrial Genetic Drift after Nuclear Transfer in Oocytes. International Journal of Molecular Sciences. DOI: 10.3390/ijms21165880.
[VI] ClinicalTrials.gov: Efficacy & Safety Study of Bilateral IVT Injection of GS010 in LHON Subjects Due to the ND4 Mutation for up to 1 Year (REFLECT).
Link zur laufenden klinischen Studie.
[VII] Joore IP et al. (2025): Correction of pathogenic mitochondrial DNA in patient-derived disease models using mitochondrial base editors. Plos Biology. DOI: 10.1371/journal.pbio.3003207.
Prof. Dr. Jochen Taupitz
Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Recht, Universität Mannheim, und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Biomedizin der Universitäten Heidelberg und Mannheim
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Heidi Mertes
associate professor in Medical Ethics, Department of Philosophy and Moral Sciences, Ghent University, Belgien und president of the Belgian Federal Commission for Research on Embryos in vitro
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Dr. Holger Prokisch
Leiter der Forschungsgruppe Genetik von Mitochondriopathien, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Nils-Göran Larsson
Leiter der Arbeitsgruppe Maintenance and expression of mtDNA in disease and ageing, Department of Medical Biochemistry and Biophysics, Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte, was diese Studien angeht.“
Prof. Dr. Marcus Deschauer
Leiter der Arbeitsgruppe Erbliche seltene neurologische Erkrankungen und Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München (TUM)
Prof. Dieter Egli Ph.D.
Associate Professor of Developmental Cell Biology (in Pediatrics and Obstetrics and Gynecology), Columbia University, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigte Staaten
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich forsche selbst auf dem Gebiet des mitochondrialen Ersatzes (unsere Arbeit wird zitiert). Ich habe keinen finanziellen Interessenkonflikt.“
Dr. Dunja M. Baston-Büst
stellvertretende Leiterin des IVF-Labors, der UniCareD Kryobank und der UniKiD Forschung, Universitätsklinikum Düsseldorf
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Für mich besteht kein Interessenkonflikt.“