Künstliche Intelligenz in der Medizin: Qualität, Implementierung und Vertrauen
künstliche Intelligenz zeigt in Studien Potenzial für medizinische Anwendung
aktuell noch kein flächendeckender Einsatz in deutschen Kliniken
Forschende geben Beispiele und erklären, wie es um Qualität, Transparenz, Implementierung und das Vertrauen in die Technologien steht
Was Ärztinnen und Ärzte in einer jahrelangen Ausbildung lernen, soll künstliche Intelligenz (KI) genauso gut können. Immer wieder berichten Studien und Medien von vielversprechenden Fähigkeiten künstlicher Intelligenz, etwa in radiologischer Diagnostik und für die Anamnese und Therapieentscheidung in der klinischen Medizin. Systemverändernd sei dies, wenn das belastete Personal so Zeit sparen und die Behandlung verbessert werden könne. Unklar bleibt dabei oft, ob die Technologie über Studien hinaus im Krankenhausalltag wirklich einen Mehrwert liefert.
Für Patientinnen und Patienten scheint im Krankenhaus eher selten konkreter Einfluss solcher Technologien ersichtlich. Stattdessen wird ihr ausgedruckter Arztbrief weiterhin an die Hausärztin gefaxt. Anscheinend gibt es Hürden bei der Übertragung von Studienergebnissen und der Implementierung von KI in den Klinikalltag.
„Ich halte Anteile an Unternehmen, die KI-Anwendungen in der Medizin entwickeln. Da das Statement sehr allgemein ist, empfinde ich das persönlich hier nicht als Konflikt, aber erwähne es der Transparenz halber trotzdem.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe ich keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Prof. Dr. Speidel geht zu Frage 1 ausführlicher auf KI-Anwendungen in verschiedenen Bereichen der Medizin ein:
„Radiologie: KI ist derzeit am stärksten im Bereich der medizinischen Bildgebung etabliert. In Deutschland wird sie bereits eingesetzt, um Lungentumore auf CTs zu erkennen, Notfallbefunde zu priorisieren oder Organvolumina in MRTs zu vermessen. Besonders erfolgreich ist der Einsatz bei Brustkrebs-Screenings, wo die Erkennungsrate nachweislich verbessert wurde. Zahlreiche CE-zertifizierte KI-Systeme – etwa zur Schlaganfall-Erkennung oder Mammografie-Auswertung – sind verfügbar. Die Radiologie profitiert zudem von gut strukturierten Bilddaten, die sich besonders gut für Deep-Learning-Modelle eignen.“
„Pathologie: Mit der zunehmenden Digitalisierung gewinnt KI auch in der Pathologie an Bedeutung – etwa zur Tumorerkennung, Zellzählung oder Prognoseabschätzung bei Biopsien. Deutsche Labore investieren in digitale Scanner, Pilotprojekte erproben KI-gestützte Diagnostik. Obwohl der Einstieg langsamer verläuft als in der Radiologie – vor allem wegen technischer Hürden –, wird KI perspektivisch eine wichtige Rolle bei Diagnostik und Qualitätssicherung spielen.“
„Dermatologie: In der Dermatologie wird KI in Deutschland vor allem zur Früherkennung von Hautkrebs eingesetzt, etwa durch die Analyse von Dermatoskopiebildern mithilfe zertifizierter Systeme, die Ärzt:innen bei der Unterscheidung zwischen gut- und bösartigen Hautveränderungen unterstützen. Auch in der Teledermatologie kommt KI zum Einsatz, um auffällige Fälle zu priorisieren. Darüber hinaus hilft sie bei der Vermessung und Verlaufskontrolle chronischer Hauterkrankungen sowie in der Forschung zur Analyse großer Bilddatensätze. Herausforderungen bestehen aktuell noch bei der Datenvielfalt, insbesondere im Hinblick auf unterschiedliche Hauttypen, sowie bei der Integration in klinische Routinen.“
„Gastroenterologie: In der Gastroenterologie wird KI vor allem für die Echtzeitanalyse von endoskopischen Bilddaten eingesetzt, beispielsweise bei der Koloskopie zur Erkennung von Polypen und Adenomen in bereits zertifizierten Produkten. KI-Systeme können kleine oder unauffällige Läsionen erkennen, die dem menschlichen Auge leicht entgehen – und so zur Darmkrebsprävention beitragen. Darüber hinaus wird KI eingesetzt, um Entzündungsmuster bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (zum Beispiel Colitis ulcerosa) zu klassifizieren und den Schweregrad automatisch zu bewerten.“
„Dokumentation: In Deutschland wird KI zunehmend genutzt, um unstrukturierte klinische Dateneffizient auszuwerten – rund 80 Prozent davon sind Freitext. In Forschungsprojekten konnte gezeigt werden, dass lokal betriebene Sprachmodelle zuverlässig Arztberichte zusammenfassen können – datenschutzkonform und teils fehlerärmer als manuell erstellte Texte. Erste Kliniken setzen KI bereits für Spracherkennung und Berichtsentwürfe ein.“
„Chirurgie: Deutschland nutzt bereits zahlreiche robotergestützte Systeme wie Da Vinci, die zunehmend durch KI ergänzt werden – etwa zur Erkennung anatomischer Strukturen in Live-Videos oder zur Steuerung chirurgischer Instrumente, im Moment allerdings nur in Forschungsprojekten. Künftig sollen etwa Augmented-Reality-Überlagerungen oder prädiktive Algorithmen operative Entscheidungen unterstützen. Auch in der Ausbildung und prä- sowie postoperativen Risikoabschätzung kommt KI zum Einsatz. Vollautonome Eingriffe sind noch Zukunftsmusik – kurz- bis mittelfristig wird KI jedoch als präzise Assistenz zur Fehlervermeidung, Qualitätssicherung und Standardisierung beitragen. Im Vergleich zur Radiologie oder Pathologie bestehen zusätzliche Herausforderungen im Bereich der Daten – etwa Videoaufnahmen oder Sensordaten –, die oft unstrukturiert, schwer standardisierbar und aufwendig zu annotieren sind. Gleichzeitig müssen KI-Systeme im OP in Echtzeit funktionieren, hohe Zuverlässigkeit bieten, besonders bei der Steuerung von Robotersystemen, und sich nahtlos in bestehende Workflows integrieren lassen.“
„Personalisierte Onkologie: Aufgrund der Komplexität von Therapieentscheidungen bietet die Onkologie großes Potenzial für KI. In Deutschland wird KI bereits zur personalisierten Medizin in der Forschung eingesetzt – etwa zur Analyse von Genomdaten, Bildgebung und Patientenakten, um passende Therapien zu identifizieren. Beispiel hierfür ist die Entwicklung von digitalen Zwillingen, die individuelle Therapieergebnisse simulieren. Auch Konzepte wie das ‚virtuelle Tumorboard‘ gewinnen an Bedeutung, indem KI Pathologie, Radiologie und Klinikdaten kombiniert. Zusätzlich beschleunigt KI die Medikamentenentwicklung.“
„Monitoring und Prävention: KI erweitert die medizinische Versorgung über die Klinik hinaus. In deutschen Intensivstationen werden KI-Systeme getestet, die Vitaldaten analysieren und frühzeitig vor Sepsis oder Organversagen warnen. Auch Wearables gewinnen an Bedeutung: So analysieren KI-gestützte Apps EKG-Daten oder Hautbilder zur Früherkennung von Herzrhythmusstörungen und Hautkrebs. Für chronische Erkrankungen überwachen KI-Anwendungen Werte wie Blutzucker oder Atmung. Diese Entwicklungen stärken Prävention und Langzeitversorgung deutlich.“
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2023): Sprachmodell für medizinische Fragen. Statements. Stand: 12.07.2023.
Science Media Center (2022): Sechs Merkmale für gute Algorithmen in der Medizin. Statements. Stand: 18.01.2022.
Science Media Center (2021): Explainable AI in der Medizin. Statements. Stand: 15.07.2021.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Lauritzen AD et al. (2024): Early Indicators of the Impact of Using AI in Mammography Screening for Breast Cancer. Radiology. DOI: 10.1148/radiol.232479.
[2] Eisemann N et al. (2025): Nationwide real-world implementation of AI for cancer detection in population-based mammography screening. Nature Medicine. DOI: 10.1038/s41591-024-03408-6.
[3] Windecker D et al. (2025): Generalizability of FDA-Approved AI-Enabled Medical Devices for Clinical Use. JAMA Network Open. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2025.8052.
[4] Djoumessi K et al. (2025): An inherently interpretable AI model improves screening speed and accuracy for early diabetic retinopathy. PLOS Digital Health. DOI: 10.1371/journal.pdig.0000831.
[5] U.S. Food and Drug Administration (10.07.2025): Artificial Intelligence‑Enabled Medical Devices.
Liste der FDA-zugelassenen KI-Medizinanwendungen.
[6] Siemens Healthineers (27.07.2019): AI‑based AI‑Rad Companion Chest CT software from Siemens Healthineers registered for use in Europe. Pressemitteilung.
[7] Paige AI: AI-Assisted Diagnostics.
Firmenwebseite mit KI-Anwendungen für die Pathologie.
[8] Koch L et al. (2024): Distribution shift detection for the postmarket surveillance of medical AI algorithms: a retrospective simulation study. npj Digital Medicine. DOI: 10.1038/s41746-024-01085-w.
Prof. Dr. Christian Ledig
Inhaber des Lehrstuhls für Erklärbares Maschinelles Lernen, Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich halte Anteile an Unternehmen, die KI-Anwendungen in der Medizin entwickeln. Da das Statement sehr allgemein ist, empfinde ich das persönlich hier nicht als Konflikt, aber erwähne es der Transparenz halber trotzdem.“
Prof. Dr. Felix Nensa
Forschungsgruppenleiter am Institut für künstliche Intelligenz in der Medizin und leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Universitätsklinikum Essen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Philipp Berens
Professor für Data Science, Direktor des Hertie Institute for AI in Brain Health, und Sprecher des Exzellenzclusters „Maschinelles Lernen: Neue Perspektiven für die Wissenschaft“, Eberhard Karls Universität Tübingen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe ich keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Daniel Rückert
Professor für KI in Medizin und Gesundheitsversorgung, Leiter des Instituts für KI und Informatik in der Medizin, Technische Universität München (TUM), und Professor für visuelle Informationsverarbeitung, Abteilung für Informatik, Imperial College London, Vereinigtes Königreich
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Stefanie Speidel
Professorin für Translationale Chirurgische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT)