Mäuse mit Mammut-Fell durch Geneditierung erzeugt
US-amerikanische Forschende erschaffen Mäuse mit Mammut-Eigenschaften
Forschung soll das langfristige Ziel unterstützen, ausgestorbene Arten zu konservieren
unabhängige Forschende betonen den Mehrwert der Ergebnisse für die Tierzucht, die Rückkehr von Mammuts steht aber noch vor zahlreichen Hürden
Das ausgestorbene Wollmammut (Mammuthus primigenius) besaß ein dickes wolliges Fell und weitere kälteangepasste Merkmale, die das Überleben in der rauen arktischen Umgebung ermöglicht haben. Forschende der US-amerikanischen Biotechfirma Collosal berichten nun in einem noch nicht begutachteten Preprint, wie sie mit Hilfe von mehreren zugleich veränderten Genen in einem Mausmodell bisher unbekannte Phänotypen schaffen konnten. Diese erlaubten Einblicke in die komplexe Haarmorphologie sowie die Entwicklung von Wollhaaren bei Säugetieren. Die Studie ist auf dem Preprint-Server bioRxiv erschienen (siehe Primärquelle).
Leiter des Forschungsbereichs für Xenotransplantation, Technische Universität München (TUM)
Zur Studie
„Diese Studie untersucht genetische Modifikationen zur Wiederherstellung von Wollhaarmammut-Merkmalen, indem eine Maus als Modellorganismus genutzt wird. Durch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Gene, die mit Haarstruktur und Kältetoleranz zusammenhängen, wurden Mäuse mit ausgeprägten Haarveränderungen gezüchtet. Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf zehn Gene, die mit Haarlänge, -dicke, -textur und -farbe sowie mit dem Fettstoffwechsel in Verbindung stehen.“
Relevanz für Tierzüchtung
„Diese Forschung ist jedoch nicht nur für die Wiederherstellung ausgestorbener Arten von Interesse, sondern auch für die Nutztierzüchtung im Allgemeinen. Die erfolgreiche gleichzeitige Modifikation mehrerer Gene zeigt das Potenzial für eine präzisere genetische Anpassung von Nutztieren an verschiedene Umweltbedingungen. CRISPR/Cas9 wurde bereits bei verschiedenen Nutztieren eingesetzt, darunter Schweine, Rinder und Schafe. Schweine wurden genetisch so verändert, dass sie resistent gegen bestimmte Viren wie das PRRS-Virus sind. Darüber hinaus wurden in den USA sogenannte GalSafe-Schweine zugelassen, bei denen spezifische Oberflächenzuckermoleküle (Alpha-Gal) inaktiviert wurden. Diese sind besonders für Menschen mit Fleischallergien geeignet. Außerdem wurden hornlose Rinder entwickelt, um das schmerzhafte Enthornen zu vermeiden, und Schafe mit erhöhter Muskelmasse gezüchtet, um die Fleischproduktion zu steigern. In den USA wurden hitzeresistente Rinder zugelassen, und auch in Japan sowie Südamerika gibt es erste genehmigte genom-editierte Tiere. In der Europäischen Union hingegen verhindern strenge Gentechnik-Regulierungen bisher eine Marktzulassung solcher Tiere für die Landwirtschaft.“
Möglichkeiten und Limitationen der Geneditierung
„Die Anzahl der Gene, die gleichzeitig mit modernen Genscheren wie CRISPR/Cas verändert werden können, hängt von mehreren Faktoren ab, darunter die Effizienz der Genschere, die Zell- oder Organismusart und das Verständnis der genetischen Interaktionen. Ein bemerkenswertes Experiment wurde von eGenesis (USA) durchgeführt, bei dem 59 Genkopien einer viralen Polymerase in Schweinen simultan inaktiviert wurden – ein bisheriger Rekord für gleichzeitige Geninaktivierungen. Allerdings besteht bei solch hohen Eingriffsraten das Risiko, dass eine Vielzahl gleichzeitiger DNA-Brüche zum Verlust genetischer Informationen oder zu Veränderungen der Chromosomenstruktur führt.“
„Die funktionale Interaktion der modifizierten Gene stellt eine weitere kritische Hürde dar. Je mehr Gene gleichzeitig verändert werden, desto wichtiger ist es, ihr Zusammenspiel genau zu verstehen. Manche Gene beeinflussen sich gegenseitig, sodass eine Modifikation unerwartete Nebenwirkungen haben kann. Besonders bei komplexen Merkmalen, die durch viele Gene gesteuert werden – wie Stoffwechselprozesse –, sind detaillierte Kenntnisse über Genregulation und genetische Netzwerke essenziell.“
Wiederherstellung ausgestorbener Arten
„Während bestimmte Merkmale ausgestorbener Arten in lebende Verwandte integriert werden können, ist die vollständige Wiederherstellung einer Art weitaus komplexer. Dies liegt an genetischen Lücken, epigenetischen Unklarheiten und der Herausforderung, eine gesunde Population zur Zucht zu erhalten.“
„Ein großes Hindernis für die Wiederherstellung ausgestorbener Arten ist die Qualität und Vollständigkeit ihres genetischen Materials. DNA zersetzt sich nach dem Tod eines Organismus, insbesondere unter warmen Bedingungen. Während in Permafrost konservierte (Mammut-) DNA in relativ gutem Zustand ist, sind die genetischen Überreste vieler anderer ausgestorbener Tiere stark fragmentiert. Diese Lücken können durch den Vergleich mit nah verwandten Arten teilweise geschlossen werden, doch bleibt dies eine Annäherung, keine vollständige Rekonstruktion. Kleine Fehler oder unvollständige Abschnitte können dazu führen, dass das Genom nicht korrekt funktioniert oder bestimmte biologische Prozesse gestört sind.“
„Zusätzlich spielen epigenetische Mechanismen eine entscheidende Rolle. Die Frage, wann und wie bestimmte Gene aktiviert oder stillgelegt werden, ist bei ausgestorbenen Arten weitgehend unbekannt. Selbst wenn es gelingt, ein vollständiges Genom wiederherzustellen, gibt es keine Garantie, dass die genetischen Schalter korrekt aktiviert werden. Dies könnte dazu führen, dass essenzielle physiologische Prozesse nicht ordnungsgemäß ablaufen.“
„Ein weiteres großes Problem ist, dass selbst wenn ein einzelnes Exemplar einer ausgestorbenen Art erschaffen wird, dies nicht ausreicht, um eine lebensfähige Population aufzubauen. Eine gesunde Art benötigt genetische Vielfalt, um gegen Krankheiten und Umweltveränderungen gewappnet zu sein. Bei modernen Zuchtprogrammen wird darauf geachtet, Inzucht zu vermeiden. Bei der Wiederbelebung ausgestorbener Tiere wäre die genetische Basis jedoch stark limitiert, was die Überlebensfähigkeit der Population gefährden könnte.“
Fazit
„Insgesamt handelt es sich hierbei um einen vielversprechenden Forschungsansatz, der zur Aufklärung der genetischen Grundlagen von Haareigenschaften und Stoffwechselprozessen beiträgt. Während er möglicherweise eines Tages tatsächlich zur Wiederherstellung ausgestorbener Arten beitragen könnte, bleibt dies eine wissenschaftliche und technische Herausforderung mit erheblichen biologischen Einschränkungen.“
Research Fellow, Department of Genetics, Harvard Medical School, Vereinigte Staaten
„Der Preprint zeigt eine solide Arbeit der Genom-Editierung in der Maus. Ich gratuliere der Firma Colossal zur Geburt ihrer ersten Tiere! Aber wie bereits im Manuskript beschrieben, sind diese Genom-Editierungen mausspezifisch und haben nichts mit Elefanten oder gar Mammuts zu tun. Wir sind seit 1981 in der Lage, Mäuse aus kultivierten embryonalen Stammzellen zu züchten, und die ersten Knockout-Mäuse wurden 1989 erzeugt – also vor fast 40 Jahren.“
„Seitdem sind wir in der Mausgenetik sehr gut geworden: Zehntausende verschiedene gentechnisch veränderte Mausrassen wurden geschaffen, aber die meisten Techniken lassen sich nicht auf andere Arten anwenden, nicht einmal auf Ratten (die enge Verwandte der Maus sind) – und schon gar nicht auf Elefanten. Bei Elefanten sind selbst grundlegende Fortpflanzungstechniken wie Superovulation und die künstliche Befruchtung (in-vitro Fertilization, IVF) noch nie gelungen. Selbst wenn diese Methoden so gut funktionieren würden wie bei Mäusen, müssten Hunderte von Mäusebabys gezeugt werden, um ein paar genetisch veränderte Tiere zu erhalten – bei Elefanten ist das schlicht nicht machbar, da eine Elefantenkuh nur ein Kalb (in seltenen Fällen zwei) gebären kann. Die größten Einschränkungen bei der Wiedereinführung des Wollhaarmammuts wären also: fehlende Fortpflanzungstechnologien bei Elefanten, sehr langsame Fortpflanzung, Trächtigkeit und Geschlechtsreife bei Elefanten, fehlende keimbahnkompetente embryonale Stammzelllinien für Säugetiere, die keine Mäuse sind, und fehlende geeignete Kleintiermodelle, um die Mammut-Editierungen zu testen – Mäuse sind evolutionär zu weit von Elefanten entfernt.“
„Meine Forschung wird von Colossal finanziert. Ich arbeite als Postdoc im Labor von Prof. George Church, der Mitbegründer von Colossal ist. Ansonsten keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Chen R et al. (2025): Multiplex-edited mice recapitulate woolly mammoth hair phenotypes. BioRxiv. DOI: 10.1101/2025.03.03.641227.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Centre (2025): expert reaction to unpublished preprint on inducing loss of function of genes in mice to produce woolly mammoth- like hair phenotypes. roundup. Stand: 05.03.2025.
Dr. Konrad Fischer
Leiter des Forschungsbereichs für Xenotransplantation, Technische Universität München (TUM)
Sergiy Velychko Ph.D.
Research Fellow, Department of Genetics, Harvard Medical School, Vereinigte Staaten
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Meine Forschung wird von Colossal finanziert. Ich arbeite als Postdoc im Labor von Prof. George Church, der Mitbegründer von Colossal ist. Ansonsten keine Interessenkonflikte.“