Messe Husum Wind 2023: Welche Rolle spielt Repowering für die Energiewende?
Austausch alter durch neue, leistungsfähigere Windräder kann Stromerzeugung deutlich steigern
Windkraft-Ausbauziel 2030 lässt sich so mit ähnlich vielen Anlagen wie heute erreichen
Repowering dürfte wegen sinkender Strompreise an Fahrt gewinnen, nicht alle Altanlagen eigenen sich jedoch dafür
Der Zubau neuer Windkraftanlagen steigt zwar, aber nicht so schnell, wie die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat (zum Beispiel [I]). Als eines der entscheidenden Hindernisse für eine weitere Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie an Land gelten nach wie vor die Genehmigungen für neue Anlagen. Trotz aller Bemühungen nimmt das Tempo nur langsam zu. Eine mögliche Zwischenlösung, bis die geänderten Rechtsvorgaben bei neuen Windkraftanlagen wirken, könnte der Ersatz alter Windkraftanlagen durch moderne und leistungsfähigere sein – das sogenannte Repowering. Das ist in den zurückliegenden zwölf Monaten deutlich vereinfacht worden, und könnte Erfolg haben. So kündigte das norwegische Unternehmen Statkraft an, mehrere alte Windparks aufkaufen und die Windräder durch neue ersetzen zu wollen [II]. Auf der kommenden Wind- und EE-Messe Husum Wind ist Repowering ebenfalls eines der Themen [III].
energiewirtschaftlicher Referent, Fachagentur Windenergie an Land e.V., Berlin
Aktuelle Lage des Repowering
„Knapp ein Drittel der in diesem Jahr bis Ende August installierten Windenergieleistung wurde im Ersatz für Altanlagen errichtet. Damit liegt die Repowering-Quote so hoch wie seit 2014 nicht mehr. Das gestiegene Repowering verwundert nicht, denn mittlerweile sind über 7.800 Windturbinen 20 Jahre und länger am Netz und damit grundsätzlich ‚reif‘ für den Ersatz durch neue, erheblich leistungsstärkere Windturbinen. Hinzu kommt, dass die seit Herbst 2021 massiv gestiegenen Börsenstrompreise, die den Weiterbetrieb von Altanlagen sehr lukrativ gestalteten, zur Mitte dieses Jahres wieder deutlich zurückgegangen sind, wodurch der Ersatz der Altanlagen – statt deren Weiterbetrieb – wieder stärker in den Fokus gerückt ist.“
„Das Repowering hat aber auch infolge von Rechtsänderungen seitens der Europäischen Union – Stichwort: EU-Notfallverordnung – wie auch des deutschen Gesetzgebers – Sondervorschriften für das Repowering von Windturbinen in [1] [2] [3] – nochmals an Bedeutung gewonnen. Mit den heutigen Vorgaben sollten sich der Altanlagenersatz leichter und auch deutlich schneller genehmigen lassen. Hinzu kommt, dass heute ein Repowering auch außerhalb von ausgewiesenen Windflächen grundsätzlich möglich ist. Das hat etwas Gewicht, denn ein erheblicher Anteil der ausgeförderten Anlagen steht an Standorten, die nicht Teil heutiger Windflächenausweisung sind. Ich erwarte, dass die Erleichterungen für Repowering-Projekte spätestens ab dem Frühjahr 2024 in zahlreichen Regionen zu steigenden Genehmigungszahlen führen werden.“
Wann der Weiterbetrieb alter Anlagen sinnvoll sein kann
„Der Weiterbetrieb von Altanlagen macht immer dann Sinn, wenn am Standort ein Repowering nicht möglich ist, etwa weil sich mit größer dimensionierten Neuanlagen Abstandserfordernisse zu Wohnsiedlungen nicht gewährleisten lassen. Stehen dem Repowering weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse im Weg, ist es regelmäßig wirtschaftlicher, den Standort mit neuen Anlagen zu bestücken als Altanlagen bis an deren technisches Lebensende weiter zu betreiben.“
Potenzial von Repowering
„Heute sind rund 28.600 Windturbinen mit 59,6 GW Leistung am Netz. Mit derselben Anlagenzahl ließen sich Ende 2030 auch 115 GW Leistung betreiben; denn Windturbinen, die heute genehmigt werden – und in den nächsten ein bis zwei Jahren in Betrieb gehen – haben bereits eine durchschnittliche Generatorleistung von 5,5 MW. Die sehr dynamische Entwicklung der Anlagentechnik lässt erwarten, dass zum Ende des Jahrzehnts Anlagen im Schnitt mehr als 6 MW aufweisen werden. Unter der Annahme, dass Altanlagen nach 25 Betriebsjahren stillgelegt werden, ergibt sich bis 2030 ein Rückbaupotenzial von 11.500 Anlagen. Werden diese durch Neuanlagen der 5,5 bis 6,5 MW-Klasse ersetzt, ließen sich bis Ende des Jahrzehnts darüber 115 GW installierte Windenergieleistung erreichen – ohne dass in Summe mehr Windräder in Deutschland stehen müssten als dies heute schon der Fall ist.“
Lehrstuhl für Windenergietechnik, Universität Rostock
Wann der Weiterbetrieb alter Anlagen sinnvoll sein kann
„Die Entscheidung für oder gegen Weiterbetrieb von Altanlagen wird von den Betreibern getroffen. Als die Börsenpreise für Strom hoch waren, hat es sich richtig gelohnt, die alten Windenergieanlagen weiter laufen zu lassen. Jetzt, nachdem sich das wieder normalisiert hat, sieht es wieder anders aus. Man muss beachten, dass der Strom der alten Anlagen von den Gestehungskosten her teurer ist als der von neuen. Trotzdem kann es so sein, dass man mit Anlagen, die ihre im Business Case geplante Lebensdauer überschritten haben, bei denen die Kredite abgezahlt sind und bei denen man nicht mit größeren technischen Schwierigkeiten zu tun hat, für eine begrenzte Zeit noch günstig Strom produzieren kann.“
Juniorprofessur für Umwelt und Energieökonomie, Universität Leipzig, und Wissenschaftler im Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
„Repowering von alten Windenergieanlagen ist grundsätzlich wichtig für das Gelingen der Energiewende. Aufgrund der ambitionierten Ausbauziele der Bundesregierung werden Flächen für neue Windenergieanlagen auf absehbare Zeit knapp bleiben. Umso wichtiger ist es daher, dass bestehende Standorte weiter genutzt werden können – zumal dort oft die Akzeptanz höher ist als an neuen Standorten. Gleichzeitig ist es aber auch richtig, dass Repowering an manchen Standorten ausgeschlossen wird – etwa wenn deutlich größere Anlagen Lärmgrenzwerte überschreiten würden oder die Standorte in Schutzgebieten liegen.“
„Die Bundesregierung hat bereits viele Regelungen auf den Weg gebracht – auf lokaler Ebene besteht aber oft noch Unsicherheit, wie diese angewendet werden sollen. Wichtig sind daher konkrete Umsetzungsleitfäden für die Verwaltungsbehörden, insbesondere wenn das Repowering außerhalb ausgewiesener Windflächen erfolgen soll.“
Wann der Weiterbetrieb alter Anlagen sinnvoll sein kann
„Der Weiterbetrieb von Altanlagen ist aus meiner Sicht richtig, soweit er betriebswirtschaftlich Sinn ergibt. Statistiken zeigen, dass schon heute viele Altanlagen auch dann weiter betrieben werden, wenn die staatliche Förderung ausgelaufen ist. Oft verkaufen sie ihren Strom dann direkt an Abnehmer über so genannte Power-Purchase-Agreements. Aus meiner Sicht sind weitere staatliche Förderungen hier nicht notwendig.“
Potenzial von Repowering
„Heute drehen sich in Deutschland circa 29.000 Windräder an Land. Langfristig werden etwa 30.000 bis 40.000 Windräder benötigt. Also nur etwas mehr als heute. Allerdings werden die Windräder deutlich größer sein als viele Altanlagen.“
Alle: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG): § 16b Repowering von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Sondervorschriften für Windenergieanlagen. Stand: 26.07.2023.
[2] Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (WindBG): §6 Verfahrenserleichterungen in Windenergiegebieten; Verordnungsermächtigung. Stand: 26.07.2023.
[3] Baugesetzbuch (BauBG): § 245e Überleitungsvorschriften aus Anlass des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land, und § 249 Sonderregelungen für Windenergieanlagen an Land. Stand: 26.07.2023.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Science Media Center (2023): Das Wind-Ausbauziel 2024. Data Report, Stand 24.07.2023. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/data-report/details/news/das-wind-ausbauziel-fuer-2024/
[II] Statkraft (2023): Statkraft übernimmt weiteres Windpark-Portfolio der Breeze Serie. Pressemitteilung, Stand 31.08. 2023. https://www.statkraft.de/presse/2023/statkraft-ubernimmt-weiteres-windpark-portfolio-der-breeze-serie/
[III] Husum Wind (2023): Unsere Messethemen. Online-Auftritt der Messe https://husumwind.com/messethemen/
Jürgen Quentin
energiewirtschaftlicher Referent, Fachagentur Windenergie an Land e.V., Berlin
Prof. Dr. Uwe Ritschel
Lehrstuhl für Windenergietechnik, Universität Rostock
Prof. Dr. Paul Lehmann
Juniorprofessur für Umwelt und Energieökonomie, Universität Leipzig, und Wissenschaftler im Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig