Metastudie: Mikroplastik reduziert die Photosynthese an Land und im Meer
Mikroplastik senkt laut Studie die Photosyntheseleistung in terrestrischen und marinen Ökosystemen
Autorinnen und Autoren leiten daraus weltweit erhebliche landwirtschaftliche Ertragseinbußen ab
Expertin und Experte äußern sich skeptisch zu den Ergebnissen und Extrapolationen auf Ertragseinbußen
Mikroplastik kann die Photosynthese von Pflanzen und Algen beeinträchtigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine in der Fachzeitschrift „PNAS“ veröffentlichte Metastudie, die am 10.03.2025 erschienen ist (siehe Primärquelle). Laut der Studie verringert Mikroplastik den Gehalt des Pigments Chlorophyll-a in Pflanzen und Algen und senkt dadurch die globale Photosyntheseleistung um sieben bis zwölf Prozent. Wie die Forschenden berichten, sollen damit auch Ertragsminderungen bei den Nutzpflanzen Reis, Mais und Weizen sowie in der Aquakultur und Fischerei verbunden sein. Für die drei genannten Nutzpflanzen prognostizieren die Forschenden jährliche Ertragsverluste von 110 bis 361 Millionen Tonnen – das entspricht im Median knapp neun Prozent der weltweiten Erträge aus dem Jahr 2022 [I].
Leiter der Arbeitsgruppen Ökosystem-Ökologie und Walddynamik, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), und Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
Generell
„Die Autoren der Metastudie kombinieren für eine Literatur-Metaanalyse insgesamt 157 Studien und daraus 3286 Datenpunkte, um die Auswirkungen von Mikroplastik auf die Photosynthese von terrestrischen Pflanzen und phototrophen (die Nutzung von Licht als Energiequelle; Anm. d. Red.) Organismen aus marinen und Süßwasserökosystemen zu untersuchen. Des Weiteren nutzen sie maschinelles Lernen, um die Effekte zu validieren und die Einflüsse unterschiedlicher Parameter wie Konzentration des Mikroplastiks, Größe der Partikel und Dauer der Exposition zu untersuchen und den Einfluss der verschiedenen in den Studien beschriebenen phototrophen Organismen einzuschätzen.“
„Das Ergebnis der Synthese aus den verschiedenen Studien ist, dass Mikroplastik zu einer Reduktion der Photosynthese von im Mittel 12,12 Prozent bei terrestrischen Pflanzen, von 9,24 Prozent bei Meerwasser- und 9,24 Prozent bei Süßwasserorganismen führt.“
Einordnung des Ergebnisses
„Wir wissen, dass vor allem sehr kleine Nanoplastikpartikel, die meist als Nanoplastik bezeichnet werden, in dieser Studie jedoch als Teil des Mikroplastiks definiert sind, mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer (µm) in Pflanzen und Cyanobakterien eindringen und Membranen schädigen können. Dies führt zu einer direkten Schädigung des Photosyntheseapparats und zu oxidativem Stress, der ebenfalls die Photosynthesleistung reduziert. Die vorliegende Studie zeigt auch, dass die Partikelgröße neben der Partikelkonzentration ganz entscheidend für den negativen Effekt ist. Die Effektgrößen, die dargestellt sind, sind plausibel. In einem von unserer Gruppe im vergangenen Jahr publizierten Artikel mit zwei Baumarten haben wir Reduktionen der Photosyntheseeffizienz von 10 bis 18 Prozent festgestellt [II].“
Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf die globale Maßstabsebene
„Für mich ist dieser Aspekt der kritische Teil der Studie. Ich denke, es ist sehr wichtig die Größenordnung einer möglichen Reduktion der Photosyntheseleistung durch die Plastikverschmutzung darzustellen. Dies ist neben anderen Effekten wie der Anreicherung von Nanoplastik in der Nahrungskette wichtig für die Ernährungssicherung in Zukunft, die ja auch vom Klimawandel und anderer Art der Umweltverschmutzung bedroht ist.“
„Ich halte eine solche Extrapolation grundsätzlich für gerechtfertigt, um ein mögliches Verlustpotenzial zu kalkulieren. In dieser Studie erfolgt dies mithilfe von Modellen, die die Photosynthese und den Biomassezuwachs berechnen und für Gewässer zusätzlich die Fangquoten für die Fischerei mit und ohne den Einfluss von Mikroplastik ableiten. Das so kalkulierte Verlustpotenzial ist dann eine Größenordnung, die aufzeigt, welche Auswirkungen Mikro- und Nanoplastik haben, wenn global Schwellenwerte der Plastikverschmutzung überschritten werden.“
Hier liegt meiner Ansicht aber auch die Schwäche der Studie – eher in der Darstellung und Kommunikation als in den Ergebnissen und der Methodik selbst: Die detaillierte Kartendarstellung der Verluste, beispielsweise der Produktion von Nutzpflanzen, skaliert nur mir der jährlichen Produktion, da die Verluste ja in den Modellen überall proportional kalkuliert werden. Das ist sicherlich nicht falsch, erzeugt meiner Meinung nach aber den Eindruck sehr exakte Aussagen für Regionen machen zu können. Die tatsächliche, bereits heute vorhandene und zukünftige Reduktion der Photosynthese hängt aber sicher sehr stark von der tatsächlichen Plastikbelastung der Böden und Gewässer ab, die regional sehr unterschiedlich sein kann. Das aber kann und will die Projektion in dieser Studie aber nicht berücksichtigen, da es insbesondere für den terrestrischen Bereich noch viel zu wenige Daten gibt. Stattdessen wird hier das Verlustpotenzial berechnet.“
Implikationen
„Die Studie zeigt, dass Plastikverschmutzung ein wichtiger Faktor sein kann, der möglicherweise bereits heute, aber vor allem in Zukunft neben dem Klimawandel die Nahrungsmittelproduktion beinträchtigen kann. Sie zeigt auch auf, wie unterschiedliche Szenarien der Reduktion der Plastikverschmutzung dazu führen können, diese möglichen Verluste der Produktion zu vermeiden.“
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig
Anmerkung zum Statement
„Ich beschränke mich in den konkreten Kritikpunkten dieser Stellungnahme auf den terrestrischen Teil der Studie, da die anderen Bereiche nicht ausreichend durch meine Expertise abgedeckt sind.“
Methodik im Kontext des aktuellen Forschungsstands
„Innerhalb der vergangenen Jahre ist die Publikationsaktivität zu Umweltwirkungen von Mikroplastik stark angestiegen. Es erscheint daher folgerichtig, die zahlreichen Ergebnisse zu systematisieren. Ziel einer Metaanalyse ist, aus einem großen Datensatz generelle Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu identifizieren. In umwelt- und agrarwissenschaftlichen Disziplinen können solche Synthesestudien einen bedeutenden Wissensgewinn erzielen.“
Einordnung der Ergebnisse
„Bei der Interpretation der vorliegenden Analyse ist meines Erachtens jedoch große Vorsicht geboten. Aus einer Vielzahl von Studiendesigns generelle Schlüsse über einen singulären Effekt – die Photosyntheseaktivität – von einer singulären Ursache – Zugabe von Mikroplastik – abzuleiten, halte ich zum aktuellen Stand der Forschung zur Wirkung von Mikroplastik in Pflanzen für nicht möglich.“
Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf die globale Maßstabsebene
„Die Forschung zu Mikroplastikvorkommen, -verhalten und Wirkweisen in Böden ist noch sehr jung. Sowohl die akkumulierten Plastikmengen im Boden als auch die Interaktionen mit Pflanzen sind noch weitgehend unerforscht. Es gibt schlichtweg keinen ausreichenden Wissens- und Datenbestand in diesem Forschungsfeld, der eine Metaanalyse rechtfertig, wie sie hier durchgeführt wurde. Die Studie missachtet diese Unsicherheiten und setzt die aus Laborstudien mit einer Auswahl an Pflanzenarten errechnete mittlere Effektgröße ein, um pauschal eine Wirkung auf die gesamte terrestrische Pflanzenwelt zu übertragen. Dabei vernachlässigen die Autor*innen, dass zum einen in Ackerböden vorhandenes Mikroplastik aus den unterschiedlichsten Quellen eingetragen wird und teilweise seit Jahrzehnten zwischen Atmosphäre und Biosphäre zirkuliert [1].“
„Des Weiteren vernachlässigen sie, dass die Pflanzenart bei der Wechselwirkung mit Mikroplastik eine erhebliche Rolle spielen kann, dass Mikroplastikkonzentrationen in realen Ackerböden extrem variabel sind [2] und eine standardisierte und verlässliche Mikroplastikanalytik auf globaler Ebene derzeit noch nicht existiert [3].“
„Mikroplastik ist ein Sammelbegriff einer extrem heterogenen und zudem uneinheitlich abgegrenzten Stoffgruppe. Dieser Umstand, sowie die oben ausgeführte Komplexität der Wirkzusammenhänge, wurden in den angewandten Modellen zu stark vereinfacht.“
Implikationen
„Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass im Forschungsfeld Mikroplastik in der Umwelt die Datenerhebung und Modellierung parallel und ineinandergreifend betrieben werden sollte, um einen größtmöglichen Erkenntnisgewinn zu erzielen. In diesem Fall wurden jedoch Modellierungen mit nicht belastbaren Parametern und Grundannahmen betrieben. Die Behauptung, dass Mikroplastik in Ackerböden aktuell zu erheblichen Ertragseinbußen führt, entbehrt einer ausreichenden wissenschaftlichen Grundlage. Daraus zu schlussfolgern, die Studienergebnisse könnten die Verhandlung internationaler Abkommen zum Erreichen der Welternährungsziele informieren, ist anmaßend und konstruiert.“
„Ich habe mit Matthias Rillig in der Vergangenheit zusammengearbeitet und publiziert, sehe das aber nicht als Interessenkonflikt an.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Zhu R et al. (2025): A global estimate of multiecosystem photosynthesis losses under microplastic pollution. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.2423957122.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2024): Problemfelder Plastik. Living Fact Sheet. Stand: 20.09.2024.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Brahney J et al. (2021): Constraining the atmospheric limb of the plastic cycle. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.2020719118.
[2] Büks F et al. (2020): Global concentrations of microplastics in soils – a review. Soil. DOI: 10.5194/soil-6-649-2020.
[3] van Mourik LM et al. (2021): Results of WEPAL-QUASIMEME/NORMANs first global interlaboratory study on microplastics reveal urgent need for harmonization. The Science of the total environment. DOI: 10.1016/j.scitotenv.2021.145071.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Ritchie H et al. (2023): Agricultural Production. Our World in Data.
[II] Murazzi ME et al. (2024): Uptake and physiological impacts of nanoplastics in trees with divergent water use strategies. Environmental Science: Nano. DOI: 10.1039/D4EN00286E.
Prof. Dr. Arthur Gessler
Leiter der Arbeitsgruppen Ökosystem-Ökologie und Walddynamik, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), und Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe mit Matthias Rillig in der Vergangenheit zusammengearbeitet und publiziert, sehe das aber nicht als Interessenkonflikt an.“
Dr. Elke Brandes
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“