Neuartiges Antibiotikum gegen Gonorrhö
Gepotidacin in Phase-III-Studie nicht schlechter als deutsche Standardtherapie gegen Gonorrhö, auch gegen resistente Erreger
auslösendes Bakterium gegen viele Antibiotika resistent, neue Therapiemöglichkeiten sind relevant
Expertinnen und Experte betonen die Relevanz der Entwicklung neuer Antibiotika, für genitale Infektionen scheine das Mittel geeignet zu sein
Das neue Antibiotikum Gepotidacin ist wirksam gegen Gonorrhö, die auch als Tripper bekannte sexuell übertragbare Krankheit. Das ist das Ergebnis einer randomisiert kontrollierten Phase-III-Studie, die das neuartige Medikament mit der bisherigen Standardbehandlung verglichen hat. Durch seine Angriffsstellen im Bakterium soll es auch gegen aktuell schon antibiotikaresistente Erreger wirksam sein. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht (siehe Primärquelle). Das Pharmaunternehmen GSK hatte bereits im vergangenen Jahr Daten aus der Studie in einer Pressemitteilung bekannt gegeben [I].
Leiterin des Konsiliarlabors für Gonokokken, Fachgebiet Sexuell übertragbare bakterielle Krankheitserreger, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Antibiotikaresistenzen bei Gonorrhö
„Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae sind in den vergangenen Jahren wegen zunehmend erschwerter Behandelbarkeit in den Fokus gerückt. Seit Einführung der antibiotischen Therapie haben Gonokokken gegen alle bisher eingesetzten Antibiotika Resistenzen entwickelt, wodurch die Therapieoptionen stark eingeschränkt sind. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits 2012 einen globalen Aktionsplan initiiert und N. gonorrhoeae im Jahr 2017 als einen Erreger mit hoher Priorität eingestuft, für den aufgrund besorgniserregender Resistenz-Zunahme dringend neue Antibiotika benötigt werden.“
„Die letzten verbleibenden Optionen für eine empirische Erstbehandlung sind Ceftriaxon plus Azithromycin oder eine Ceftriaxon-Monotherapie – in Deutschland mit folgenden Dosierungen: Ceftriaxon ein bis zwei Gramm intravenös oder intramuskulär plus Azithromycin 1,5 Gramm oral oder eine Ceftriaxon-Monotherapie mit ein bis zwei Gramm, internationale Dosierungs-Empfehlungen sind abweichend. Diese Therapiemöglichkeiten sind gefährdet, da die Berichte über eine zunehmende Resistenz gegen Ceftriaxon und Azithromycin weltweit zunehmen. In mehreren Ländern, darunter auch in Deutschland, wurden sporadisch Gonokokken-Isolate mit Resistenzen gegen Ceftriaxon in Kombination mit hochgradigen Resistenzen gegen Azithromycin identifiziert.“
Resistenzlage in Deutschland
„In Deutschland erfolgt die Antibiotikaresistenz-Surveillance von N. gonorrhoeae in Kooperation des Robert Koch-Instituts (RKI), des Konsiliarlabors für Gonokokken und einem deutschlandweiten Labornetzwerk. Seit Januar 2021 wird die probenbasierte, phänotypische und genotypische Resistenz-Surveillance zusammen mit der Meldepflicht für Nachweise von N. gonorrhoeae mit verminderter Empfindlichkeit oder Resistenz für Cefixim, Ceftriaxon und Azithromycin nach Paragraph 7 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes vom 03/2020 unter dem Namen Go-Surv-AMR als Amtsaufgabe des RKI durchgeführt.“
„Hierbei zeigt sich die Resistenzlage für das als Erstlinientherapeutikum eingesetzte Ceftriaxon mit 0 bis 0,3 Prozent resistenter Stämme in den Jahren 2014 bis 2023 stabil. Es werden Einzelfälle mit Ceftriaxon-Resistenz beobachtet. Für Cefixim finden sich Resistenzraten von 0,6 bis 1,9 Prozent im selben Zeitraum. Eine kontinuierliche und starke Resistenzentwicklung ist gegenüber dem Makrolid Azithromycin mit zuletzt bis zu 25,4 Prozent resistenter Isolate in den Jahren 2022/23 zu beobachten. Zudem konnten vereinzelt auch high-level-Azithromycin-resistente N. gonorrhoeae-Stämme – mit einer minimalen Hemmkonzentration von über 256 Milligramm pro Liter (niedrigste Wirkstoffkonzentration, bei der sich das Bakterium in der Kultur nicht mehr vermehrt; Anm. d. Red.) – nachgewiesen werden.“
„Die Resistenzraten gegenüber weiteren Antibiotika, wie Ciprofloxacin (54,3 bis 71,5 Prozent) und Penicillin (high-level-Resistenzen von 12,0 bis 29,8 Prozent und insgesamt circa 80 Prozent resistente Isolate) lagen in Deutschland in den Jahren 2014 bis 2023 sehr hoch. Für Tetrazyklin gibt es seit 2018 kontinuierliche Surveillance-Daten mit hohen Resistenzraten (78,0 bis 95,4 Prozent). Die Ergebnisse dieser Surveillance dienen als Evidenzbasis für die Formulierung der jeweils aktuellen deutschen Therapieleitlinien.“
Internationale Resistenzlage
Im internationalen Vergleich zeigen sich in Europa und Nordamerika ähnliche Resistenzsituationen mit einigen regionalen Abweichungen. In Großbritannien ist zum Beispiel seit Herbst 2014 ein Zirkulieren von high-level-Azithromycin-resistenten Stämmen bekannt. Surveillance-Protokolle für weitere globale Regionen werden aufgebaut, geben aber derzeit noch keine belastbaren Zahlen ab. Berichte lassen vermuten, dass in einigen Weltregionen mit höheren Resistenzraten, vor allem auch für Cephalosporine (Antibiotikaklasse, zu der Ceftriaxon gehört; Anm. d. Red.), zu rechnen ist.“
Ergebnisse der Studie
„Die Entwicklung eines neuen Antibiotikums oder Therapieansatzes ist ein wichtiger Fortschritt und wird in der medizinischen Versorgung in Zukunft benötigt. Bei dem vorgestellten Antibiotikum handelt es sich um einen neuartigen Triazaacenaphthylen-Inhibitor. Dieser blockiert zwei bakterielle Typ-II-Topoisomerase-Enzyme – die DNA-Gyrase und die Toposiomerase IV – und hemmt die DNA-Replikation durch einen neuartigen Wirkmechanismus. Mutationen in der Bindungsstelle eines der beiden Targets müssen beachtet und überwacht werden, da sie den Therapieerfolg durch Resistenzentwicklung kompromittieren könnten.“
„In-vitro-Studien (Studien außerhalb des Körpers; Anm. d. Red) haben gezeigt, dass N. gonorrhoeae eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Gepotidacin aufweist. In einer randomisierten kontrollierten Phase-II-Studie erzielten einmalige orale Gepotidacin-Dosen von 1500 Milligramm und 3000 Milligramm in 97 Prozent (29/30) beziehungsweise 95 Prozent (37/39) eine Heilung der urogenitalen Gonokokken-Infektionen [III]. In der Phase-III-Studie wurden orale Gepotidacin-Dosen von zwei Mal 3000 Milligramm im Abstand von zehn bis zwölf Stunden verabreicht und führten zu einem Therapieerfolg bei unkomplizierter urogenitaler Gonorrhö. Bei nicht-genitalen Infektionen ist die Datenlage klein, wobei bei einzelnen Rachen-Infektionen keine Heilung und Verbleib der Bakterien nach der Behandlung beobachtet wurde.“
Vorteile und Nebenwirkungen
„Die Einnahme als Pille ist ein Vorteil gegenüber der Standardtherapie mit Ceftriaxon, welche in die Vene oder in den Muskel verabreicht werden muss. Studienergebnisse zeigen ein gutes Sicherheitsprofil. Bekannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und vaginale Hefepilzinfektionen. Schwerwiegende Nebenwirkungen betreffen das Herz (QT-Zeit-Verlängerung), cholinerge Effekte (Durchfall, Erbrechen, Muskelspasmen, vermehrter Speichelfluss und Schwitzen) und Überempfindlichkeitsreaktionen (Exanthem, Quincke-Symptomatik). Nieren- und Leberfunktionseinschränkungen sind zu berücksichtigen.“
Fazit
„Die Entwicklung neuartiger Antibiotika oder Therapieansätze ist für die Behandlung der Gonorrhö sehr zu begrüßen. Dabei muss auch für ein neu entwickeltes Antibiotikum die Entstehung von Resistenzen beachten werden, um die Wirksamkeit langfristig zu erhalten. Eine enge Überwachung und kontinuierliche Evaluierung im klinischen Alltag sind daher unerlässlich. Es werden zudem weitere Daten zur Wirksamkeit der Behandlung auch bei nicht-genitalen Gonokokken-Infektionen, insbesondere im Rachen, benötigt.“
Professorin für Epidemiologie und Public Health und Leiterin der Arbeitsgruppe "Sexual and Reproductive Health", Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern, Schweiz
Zusammenfassung
„Gepotidacin scheint für die Behandlung von bestätigter unkomplizierter Gonorrhö wirksam zu sein, aber es bestehen weiterhin Unsicherheiten, was die Möglichkeit einer Resistenz bei Racheninfektionen angeht.“
Relevanz von Gepotidacin
„Gepotidacin ist ein neues antibakterielles Medikament. Es ist das erste in seiner Klasse der Triazaacenaphthylene. Es hemmt die Replikation der bakteriellen DNA durch Bindung an einen Rezeptor auf zwei verschiedenen Enzymen.“
„Gepotidacin wird in Form von Kapseln eingenommen – im Gegensatz zu Ceftriaxon, das intramuskulär gespritzt werden muss. Ceftriaxon ist derzeit das einzige zugelassene Medikament, das für die empirische Erstbehandlung von Gonorrhö empfohlen wird.“
Beurteilung der Methodik
„Die Methoden der Studie waren im Allgemeinen von hohem Standard und gut beschrieben. Die Forscher*innen unternahmen angemessene Schritte, um Verzerrungen zu minimieren, insbesondere da die Studie aufgrund der unterschiedlichen Dosierungsart und -häufigkeit ‚open-label‘ war (entblindete Studie, bei der den Teilnehmenden bekannt ist, welches der Medikamente sie bekommen; Anm. d. Red.).“
„Das Gepotidacin-Schema von zwei Dosen in dieser Phase-III-Studie wurde aufgrund von Resistenzen gegenüber dem in der Phase-II-Studie verwendeten Schema – einer Einzeldosis – geändert [III]. Ein Schwachpunkt dieser Studie ist, dass die Entnahme von Proben aus dem Rektum und dem Rachenraum nicht verpflichtend war, so dass das Ausmaß des Behandlungsversagens hier nicht bei allen Teilnehmern untersucht werden konnte.“
„Bei der Studie handelte es sich um eine ‚non-inferiority‘-Studie, das heißt, sie sollte zeigen, dass Gepotidacin mindestens genauso gut ist wie die derzeit empfohlene Behandlung mit Ceftriaxon plus Azithromycin. Die primäre Analyse umfasste die ‚Mikro-Intention-to-Treat‘-Population (Teilnehmende, die mindestens eine Dosis des Medikaments erhielten und laborchemisch nachgewiesen ein Gonorrhö-Bakterium hatten, das Ceftriaxon-sensibel war; Anm. d. Red.).“
Einordnung der Ergebnisse
„In der aktuellen Studie waren zwei Dosen orales Gepotidacin bei Teilnehmer*innen mit unkomplizierter urogenitaler Gonorrhö nicht schlechter als eine Einzeldosis intramuskuläres Ceftriaxon plus eine Einzeldosis orales Azithromycin, welche zur gleichen Zeit verabreicht wurden. Alle Teilnehmer*innen beider Gruppen mit urogenitalen N. gonorrhoeae waren mikrobiologisch nachgewiesen geheilt.“
„Bei den Teilnehmer*innen mit mikrobiologischen Ergebnissen zu Beginn und bei der Nachuntersuchung wiesen jedoch zwei von 16 Teilnehmer*innen mit N. gonorrhoeae im Rachenraum noch immer Bakterien bei der Nachuntersuchung auf (gegenüber null von 16 Teilnehmer*innen, die Ceftriaxon plus Azithromycin erhielten – eine Differenz von -12,5 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall -36,5 bis 8,7 Prozent)). Aufgrund der geringen Stichprobengröße ist dieses Ergebnis mit großer Unsicherheit behaftet. Die Gründe für das Scheitern der Behandlung waren nicht klar.“
„An der Studie nahmen hauptsächlich Männer teil, von denen die meisten Sex mit Männern haben (MSM). Dies ist zu erwarten, da MSM in den Ländern, in denen die Studie durchgeführt wurde, die am stärksten von Gonorrhö betroffene Bevölkerungsgruppe sind. Eine geschlechtsspezifische Wirksamkeit konnte aufgrund der geringen Anzahl von Frauen nicht berechnet werden.“
„Ein neues orales Antibiotikum könnte zur Behandlung von Menschen mit unkomplizierter Gonorrhö eingesetzt werden, bei denen eine nicht-genitale Infektion ausgeschlossen wurde, wenn zum Beispiel Ceftriaxon nicht verwendet werden kann.“
Antibiotikaresistenzen bei Gonorrhö
„Antibiotikaresistente Gonorrhö ist eine globale Bedrohung. N. gonorrhoeae erwirbt leicht eine Resistenz gegen antibakterielle Mittel. Er war in der Lage, eine Resistenz gegen alle antibakteriellen Mittel zu entwickeln, die jemals zur Behandlung empfohlen wurden. Derzeit ist Ceftriaxon – in den Muskel gespritzt – das einzige zugelassene antimikrobielle Mittel, das noch als Erstbehandlung für Gonorrhö empfohlen wird. Antimikrobiell resistente Stämme von Gonorrhö treten immer häufiger auf.“
„Schwere Gonorrhö-Infektionen werden sehr viel häufiger, wenn sich Ceftriaxon-resistente Stämme weiterverbreiten. Gonorrhö kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen, insbesondere bei Frauen und bei Neugeborenen, wenn sie während der Geburt weitergegeben wird. Gonorrhö ist eine sexuell übertragbare Infektion, die mit antibakteriellen Medikamenten geheilt werden kann und in der Regel keine Symptome verursacht. Bei Frauen kann sie jedoch zu Beckenentzündungen, Eileiterschwangerschaften und Unfruchtbarkeit führen. In der Schwangerschaft kann Gonorrhö zu Frühgeburten führen, und bei infizierten Neugeborenen kann sie Augeninfektionen verursachen, die unbehandelt zur Erblindung führen können. In seltenen Fällen kann Gonorrhö auch zu Blutbahn- und Gelenkinfektionen führen.“
Auf die Frage, welchen Mehrwert Gepotidacin bei der Behandlung von Infektionen mit antibiotikaresistenten Gonorrhö-Bakterien haben könnte:
„Diese Frage kann auf der Grundlage dieser Studie nicht beantwortet werden. Gepotidacin würde einen Mehrwert bieten, wenn es nachweislich Ceftriaxon-resistente Stämme erfolgreich behandeln könnte. Diese Studie umfasste jedoch nur Teilnehmer*innen mit Ceftriaxon-empfänglichen N. gonorrhoeae.“
Resistenzentwicklung bei Gepotidacin
„In dieser Studie führte Gepotidacin bei 93,2 Prozent (109/117) der Teilnehmer*innen mit Ciprofloxacin-resistenten N. gonorrhoeae zu einer mikrobiologischen Heilung, doch sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Entwicklung künftiger Resistenzen zu verstehen.“
„Bei den beiden Teilnehmern mit persistierendem N. gonorrhoeae aus dem Rachenraum wurde keine Resistenz festgestellt. Die geringe Zahl der nachgewiesenen Infektionen macht weitere Untersuchungen erforderlich.“
Zulassung von Gepotidacin durch die EMA
„Dafür spricht: Diese Studie bietet eine gewisse Unterstützung für die EMA-Zulassung bei unkomplizierter urogenitaler Gonorrhö, wenn eine Infektion an nicht-genitalen Stellen (insbesondere im Rachenraum) ausgeschlossen wurde.“
„Dagegen spricht: Aufgrund der Beobachtung der Persistenz von N. gonorrhoeae bei zwei von 16 Racheninfektionen und der geringen Anzahl von Frauen in der Studie sind weitere Untersuchungen erforderlich.“
Andere neue Antibiotika gegen Gonorrhö
„Zoliflodacin ist ein weiteres neues antibakterielles Mittel – aus der Klasse der Spiropyrimidinetrion-Antibiotika –, das auf eine andere Untereinheit der Gyrase abzielt und die Topoisomerase II hemmt. In einer Phase-III-Studie war Zoliflodacin den Wirkstoffen Ceftriaxon und Azithromycin nicht unterlegen [V]. Zoliflodacin wird ausschließlich für die Behandlung von Gonorrhö entwickelt.“
Leiter der Arbeitsgruppe Zellbiologie, Fachbereich Biologie, Universität Konstanz
Einordnung der Ergebnisse
„Die Ergebnisse der EAGLE1-Studie sind eine schlechte Nachricht für Gonokokken und lassen hoffen, dass die Medizin für die Behandlung von Gonorrhö einen neuen treffsicheren Pfeil im Köcher hat. Die Wirksamkeit von Gepotidacin bei zweimaliger oraler Gabe von drei Gramm ist bei dieser Phase-III-Studie mit insgesamt etwa 280 behandelten Männern und 35 behandelten Frauen – die vor allem in europäischen Industrienationen rekrutiert wurden (Deutschland, Spanien, UK) sowie in Australien, USA und Mexiko – identisch zur Wirksamkeit der aktuellen Kombitherapie aus intramuskulär injiziertem Ceftriaxon (500 Milligramm) und oraler Gabe von Azithromycin (ein Gramm).“
„Während in vorherigen Phase-II-Studien [III] mit einmaliger Gabe von drei Gramm Gepotidacin noch mehrere Behandlungs-Misserfolge und die Entstehung von Gepotidacin-resistenten Stämmen in einzelnen Patienten beobachtet wurde – insbesondere bei bereits vorliegender ParC-Asp86Asn-Mutation, die Fluorchinolon-Resistenz vermittelt, und die in Verbindung mit einer neu hinzugekommen Punktmutation im GyrA-Gen (Ala92Thr) zu erniedrigter Empfindlichkeit der Bakterien gegenüber Gepotidacin (MICs größer 32 Mikrogramm pro Milliliter) geführt hatte – konnte in dieser Studie mit angepasster, zweifacher Gabe von Gepotidacin bei keinem der etwa 200 Gonokokken-Isolate eine entsprechende Resistenz beziehungsweise eine damit einhergehende reduzierte Empfindlichkeit gegen Gepotidacin festgestellt werden.“
„Insgesamt sind die Ergebnisse dieser Phase-III-Studie vielversprechend und bieten eine neue Behandlungsoption bei unkomplizierter Gonokokkeninfektion im Genital- und Rektalbereich. Bei Rachen-Infektion wurden in mehreren Fällen Gonokokken auch nach Gepotidacin-Behandlung nachgewiesen, eine Neuinfektion der Patienten konnte aber nicht ausgeschlossen werden und die Fallzahlen waren mit drei Personen niedrig, so dass für diese Fälle die Wirksamkeit der Behandlung noch nicht klar beurteilt werden kann.“
Vorteile und Nebenwirkungen
„Im Unterschied zur intramuskulären Gabe von aktuell verwendeten Antibiotika wie Ceftriaxon, das inzwischen in den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich in Monotherapie verwendet wird, lässt sich Gepotidacin oral einnehmen: auf den ersten Blick eine Vereinfachung der Behandlung. Dennoch hat die einmalige Verabreichung eines Antibiotikums durch den Arzt den Vorteil, dass die Therapietreue der Behandelten durch den Arzt sichergestellt werden kann, während eine zweimalige Gabe des oral verabreichten Gepotidacin das Risiko birgt, dass Patienten die zweite Dosis auslassen. Dies könnte bei Gepotidacin tatsächlich eine Rolle spielen, da die Behandlung mit Gepotidacin doch mit einer deutlichen Zunahme der Nebenwirkungen – wie Durchfall, Übelkeit und neurologischen Symptomen – verbunden ist und mehrere Teilnehmer nach der ersten Gepotidacin-Gabe die Studie abgebrochen haben.“
Resistenzentwicklung bei Gepotidacin
„Ein Wermutstropfen bleibt: Bei Gepotidacin handelt es sich zwar um einen neuen Wirkstoff, der aber auf bereits bekannte Zielstrukturen (Gyrase und Topoisomerase) abzielt. Diese zellulären Ziele sind auch die Zielstrukturen der lange Zeit zur Gonorrhö-Behandlung eingesetzten Fluorchinolone. Deshalb kommen in Gonokokken-Populationen bereits Varianten vor, die eine Fluorchinolon-Resistenz basierend auf Mutationen in diesen Ziel-Genen aufweisen (GyrA Ala92Thr; ParC Asp86Asn) und dadurch bereits eine niedrigere Empfindlichkeit gegenüber Gepotidacin zeigen können. Es ist deshalb zu vermuten, dass Gepotidacin bei einem umfassenden Einsatz der Medizin eine Verschnaufpause, aber keinen langfristigen Erfolg bei der Eindämmung der Gonorrhö gewähren wird.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich kenne die ersten beiden Autoren als Berufskollegen. Seit mehr als 15 Jahren habe ich mit keinem von ihnen an einer Studie oder einer Publikation gearbeitet.“
„Ich gehöre einer wissenschaftlichen Expertengruppe für Zoliflodacin an und erhalte Forschungsmittel von der Global Antibiotic Research and Development Partnership (GARDP), die Zoliflodacin für den Einsatz in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen entwickelt. Zoliflodacin ist auch ein neuer, erster Gyrase/Topoisomerase-Hemmer seiner Klasse.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] GSK (17.04.2024): EAGLE-1 phase III data show potential for gepotidacin as a new oral treatment option for uncomplicated urogenital gonorrhoea (GC) amid growing resistance to existing treatments. Pressemitteilung.
[II] Lan PT et al. (2024): The WHO Enhanced Gonococcal Antimicrobial Surveillance Programme (EGASP) identifies high levels of ceftriaxone resistance across Vietnam, 2023. The Lancet Regional Health. DOI: 10.1016/j.lanwpc.2024.101125.
[III] Taylor SN et al. (2018): Gepotidacin for the Treatment of Uncomplicated Urogenital Gonorrhea: A Phase 2, Randomized, Dose-Ranging, Single-Oral Dose Evaluation. Clinical Infectious Diseases. DOI: 10.1093/cid/ciy145.
[IV] Wagenlehner F et al. (2024): Oral gepotidacin versus nitrofurantoin in patients with uncomplicated urinary tract infection (EAGLE-2 and EAGLE-3): two randomised, controlled, double-blind, double-dummy, phase 3, non-inferiority trials. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(23)02196-7.
[V] Global Antibiotic Research & Development Partnership (01.11.2023): Positive results announced in largest pivotal phase 3 trial of a first-in-class oral antibiotic to treat uncomplicated gonorrhoea. Pressemitteilung.
Dr. Susanne Buder
Leiterin des Konsiliarlabors für Gonokokken, Fachgebiet Sexuell übertragbare bakterielle Krankheitserreger, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Nicola Low
Professorin für Epidemiologie und Public Health und Leiterin der Arbeitsgruppe "Sexual and Reproductive Health", Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern, Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich kenne die ersten beiden Autoren als Berufskollegen. Seit mehr als 15 Jahren habe ich mit keinem von ihnen an einer Studie oder einer Publikation gearbeitet.“
„Ich gehöre einer wissenschaftlichen Expertengruppe für Zoliflodacin an und erhalte Forschungsmittel von der Global Antibiotic Research and Development Partnership (GARDP), die Zoliflodacin für den Einsatz in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen entwickelt. Zoliflodacin ist auch ein neuer, erster Gyrase/Topoisomerase-Hemmer seiner Klasse.“
Prof. Dr. Christof Hauck
Leiter der Arbeitsgruppe Zellbiologie, Fachbereich Biologie, Universität Konstanz