Neue Vogelgrippe-Variante in Kühen in den USA nachgewiesen
erneuter Eintrag der H5N1 in Kühen in den Vereinigten Staaten nachgewiesen
neue Virusvariante D1.1 hat im Menschen bereits in zwei Fällen zu schweren Verläufen geführt
Forschende blicken mit Sorge auf Dynamik der Virusverbreitung und das damit steigende Zoonosepotenzial
Eine zweite Variante des Vogelgrippevirus H5N1 ist bei Milchkühen in den USA nachgewiesen worden. Das teilte das US-Landwirtschaftsministerium mit [I]. Es handelt sich um den Genotyp D1.1 der Klade 2.3.4.4b von H5N1. Beim ersten Nachweis des Erregers in Milchkühen in den USA im Frühjahr 2024 wurde hingegen der Genotyp B3.13 identifiziert. Damit gab es nun innerhalb eines Jahres bereits zum zweiten Mal einen Eintrag von H5N1 in Milchkühe. Dies deutet auch darauf hin, dass das Virus ein anhaltendes Risiko für Kühe und Menschen, die eng mit Kühen arbeiten, darstellen könnte. Die Ausbreitung der bisherigen Variante B3.13 konnte bislang nicht gestoppt werden.
Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie, Universitätsklinikum Freiburg
Einordnung der Situation
„Dieser zweite Eintrag von H5N1 bei Milchkühen in den USA ist eine Warnung, dass diese Viren auch in Zukunft die Artenbarriere überwinden können. Leider ist die Ursache für die Infektion dieser Tiere unklar, aber wir müssen davon ausgehen, dass dies jederzeit auch in Europa oder Deutschland passieren kann.“
Zusammenhang mit Eindämmungsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten
„Dies hat höchstwahrscheinlich nichts mit den Eindämmungsmaßnahmen von H5N1 in Rindern zu tun, da es sich um die Einschleppung eines neuen H5N1-Virus handelt. Möglicherweise ist es die große Zahl H5N1-infizierter Vögel in den USA, die eine solche – hoffentlich sehr seltene – Übertragung auf Milchkühe ermöglicht, und die besondere Situation, dass sich aviäre H5N1-Viren im Euter von Milchkühen explosionsartig vermehren.“
Unterschiede zwischen den Varianten D1.1 und B3.13
„Die Varianten unterscheiden sich im Genom. Beim Menschen sind sowohl Fälle von D1.1 als auch von B3.13 aufgetreten, wobei es sich überwiegend um leichte Fälle handelte. D1.1 hat jedoch auch einen Todesfall und einen Fall von schwerer Krankheit verursacht. Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, ob diese neue Variante bei Milchkühen schneller zu Erkrankungen führt, aber die Krankheitssymptome von D1.1 und B3.13 scheinen vergleichbar zu sein.“
Potenzielle Wege des Eintrags
„Auch in diesen Fällen ist nicht bekannt, wie das Virus übertragen wurde. Zuerst wurde das Virus bei Routinekontrollen in großen Milchsilos entdeckt und dann wurde zurückverfolgt, welche Milchkühe in welchem Betrieb tatsächlich infiziert waren. Ich gehe davon aus, dass auch dieses Virus zu hohen Titern im Euter infizierter Milchkühe führt.“
Leiterin des Instituts für Virologie und Immunologie, Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Mittelhäusern, Schweiz
Einordnung der Situation
„Im Moment wissen wir noch sehr wenig über D1.1 in Milchkühen, was eine gut informierte Abschätzung des Risikos erschwert. Die Tatsache, dass ein weiteres H5N1-Virus den Weg in Milchkühe geschafft hat, ist aber bedenklich und zeigt klar, dass aufgrund der massiven Viruszirkulation in den USA wegen zahlreichen Ausbrüchen in Wildvögel und in Nutzgeflügel, die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Übertritt steigt. Auch bedenklich ist, dass das D1.1-Virus eine PB2-Mutation (Mutation im Polymerase-basic-2-Protein; Anm. d. Red.) aufweist, die eine Virusvermehrung in Säugetieren erleichtern könnte. Es ist also essenziell, Maßnahmen zu treffen, die eine Weiterverbreitung des Virus in Kühen, aber auch in Geflügel, verhindern. Entscheidend ist, dem Virus möglichst wenig Gelegenheit zu geben, sich weiter an Säugetiere anzupassen.“
Zusammenhang mit Eindämmungsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten
„Der Eintrag reflektiert vor allem die Vogelgrippe-Situation bei Wildvögeln und Nutzgeflügel in den USA. In den vergangenen Wochen und Monaten waren Millionen Vögel betroffen und das führte entsprechend zu einer hohen Virenlast in der Umgebung und somit zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass sich andere Spezies anstecken. Ob die in den vergangenen Wochen eingeführten Eindämmungsmaßnahmen wirken, wird sich nun zeigen. In den vergangenen Monaten wurde die Überwachungstätigkeit in den USA, zum Beispiel durch Tankmilchuntersuchungen, gestärkt und so wurde dieser Fall überhaupt erkannt.“
Unterschiede zwischen den Varianten D1.1 und B3.13
„Basierend auf den vorliegenden Daten kann man noch nicht beurteilen, ob D1.1 in Kühen krankmachender als B3.13 ist. D1.1 ist seit Herbst 2024 der prädominante Genotyp in Wildvögeln in den USA und auch weitverbreitet in Geflügel. D1.1 und B3.13 sind aber nicht nahe verwandt. Studien in Deutschland haben gezeigt, dass die Fähigkeit, sich in Euterzellen zu vermehren, nicht spezifisch für B3.13 ist.“
Potenzielle Wege des Eintrags
„Da die Infektion mit D1.1 in Milchkühen über die Tankmilchüberwachung entdeckt wurde, kann man im Moment davon ausgehen, dass die Übertragung zwischen Kühen vergleichbar mit B3.13 ist. Genaueres weiß man bisher nicht, aber das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Wir hoffen, dass dank der verstärkten Überwachung der Milchproduktionskette in den USA bald mehr Erkenntnisse vorliegen und dass die Weiterverbreitung möglichst unterbunden werden kann.“
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Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Animal and Plant Health Inspection Service (31.01.2025): APHIS Confirms D1.1 Genotype in Dairy Cattle in Nevada. Pressemitteilung des U.S. Department of Agriculture.
[II] Friedrich-Loeffler-Institut (06.02.2025): Zweiter H5N1-Virusstamm in Milchkuhherden in USA festgestellt. Pressemitteilung des Instituts.
[III] U.S Center for Disease Control and Prevention: H5 Bird Flu: Current Situation.
[IV] U.S Center for Disease Control and Prevention (26.12.2024): Genetic Sequences of Highly Pathogenic Avian Influenza A(H5N1) Viruses Identified in a Person in Louisiana.
[V] Ison MG et al. (2024): The Emerging Threat of H5N1 to Human Health. NEJM. DOI: 10.1056/NEJMe2416323.
Prof. Dr. Martin Schwemmle
Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie, Universitätsklinikum Freiburg
Prof. Dr. Barbara Wieland
Leiterin des Instituts für Virologie und Immunologie, Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Mittelhäusern, Schweiz