Soziale Medien: Verbote und Altersgrenzen für Jugendliche
Soziale Medien wie Whatsapp, Instagram und Tiktok sind nach Regelung der Anbieter erst ab dem 13. Lebensjahr zugelassen. Es wird aber derzeit kein wirksames Altersverifikationssystem (AVS) eingesetzt, um eine Nutzung von jüngeren Kindern auszuschließen.
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Das SMC hat die Expertinnen und den Experten am Ende des Press Briefings gefragt, welche Lösung sie als sinnvoll und realistisch einschätzen und worauf bei der Berichterstattung zu diesem Thema geachtet werden sollte. Die Antworten möchten wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung stellen .
Senior Researcher für Medienrecht & Media Governance, Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI), Hamburg
„Wir haben fast gar nicht die Perspektive der Kinderrechte angesprochen. Die Kinder haben eigene Rechte. Darüber können wir als Erwachsene nicht urteilen, aber wir können dabei helfen, dass sie möglichst gut gewährleistet sind. Kinderrechte bestehen aus drei Dimensionen: Dem Schutz, über den wir ganz viel gesprochen haben, der Befähigung, über die wir auch gesprochen haben, und der Teilhabe, also Partizipation – auch bei Entscheidungen wie Verboten und Altersverifikation. Deswegen würde ich mich freuen, wenn es eine Lösung gäbe, die die Kinderrechte mitberücksichtigt. Solch eine könnte zum Beispiel sein, dass wir uns vor allen Dingen auf die altersangemessene Gestaltung dieser Angebote konzentrieren. Ich finde die Vorstellung als Anfangsidee gar nicht so verkehrt, dass wir sagen: Soziale Netzwerke bieten einen Basis-Account, bei dem alle problematischen Funktionen und nicht altersgemäßen Inhalte zunächst erst einmal zur Seite geräumt sind und der eine einigermaßen unbeschwerte Teilhabe an diesen Plattformen ermöglicht, für alle Altersstufen. Wenn ich dann mehr möchte, zum Beispiel direkte Kontaktaufnahme mit Dritten, muss ich mich altersverifizieren, um dann auch die erwachsenen Inhalte oder Funktionen nutzen zu können.“
Leiterin der Forschungsgruppe Internetnutzungsstörungen, Universitätsklinikum Tübingen
„Ich möchte mich da Herrn Dreyer anschließen. Ich finde, das wäre eine wunderschöne Sache, wenn es das geben würde. Ich persönlich bin sehr pessimistisch, dass die Anbieter die Anwendungen so gestalten, dass sie wirklich kinderfreundlich sind, weil sie dann nämlich nichts mehr daran verdienen. Dann dürften die Anwendungen nämlich keine Werbung mehr haben, müssten Zeitbeschränkungen einführen, dürften keine Algorithmen mehr nutzen, weniger Daten der Nutzenden verarbeiten und so weiter. Ich glaube, dass sie kein echtes Interesse daran haben werden, es so zu gestalten, aber gut – wünschen darf man es sich ja trotzdem.“
„Was meiner Ansicht nach noch weiter dazugehört, ist schulische Prävention. Ich habe auch die Hoffnung, dass wenn wir die Eltern gut begleiten, wir auch da einen wichtigen Beitrag bei der Gestaltung oder Entwicklung der Medienkompetenz leisten können. Aber auch da bin ich nur mäßig optimistisch. Wir würden einen Teil der Eltern erreichen und einen großen Teil auch wieder nicht. Deswegen setze ich auf die Schule, wo wir nun einmal alle Kinder und Jugendlichen haben. Und dass sie da eben nicht nur lernen, wie ich eine PowerPoint-Präsentation gestalte. Aber viele Dinge, die Kinder und Jugendliche brauchen, um sich sicher im Netz bewegen zu können, werden momentan noch nicht oder nur in einzelnen Schulen vermittelt. Eine flächendeckende gute Medienkompetenz, bei der auch die Kinder und die Jugendlichen bei der Gestaltung mitbeteiligt werden, halte ich für eine tolle Maßnahme.“
„Ich denke, wir brauchen eine gesellschaftliche Aufklärung und eine Diskussion, auch eine Werbekampagne, um von dieser Normalität wegzukommen, dass wir alle ‚suchten‘ und das irgendwie okay ist. Ich bin auch für eine Altersverifikation, auf welches Alter auch immer man sich festlegt – das muss ein Kompromiss verschiedener Perspektiven sein. Kinder und Jugendliche müssen da miteinbezogen werden. Ich halte es noch für eine denkbare Idee, dass Kinder und Jugendliche nur gemeinsam mit Eltern – also mit Eltern-Accounts sozusagen – soziale Netzwerke nutzen, damit wir auch über die Teilhabe nicht einfach so hinweggehen, sondern sie auch wirklich ernsthaft diskutieren, was viel zu selten gemacht wird.“
Dozentin und Forscherin an der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften, Università della Svizzera italiana, Lugano, Schweiz
„Was mir wichtig ist, noch auf den Weg zu geben ist, dass wir doch oft sehr stark über die negativen Aspekte sprechen: den klinischen Aspekt, die negativen Folgen, die Einschränkungen. Dadurch sehen wir oft nicht, dass es auch positive Aspekte gibt. Diese werden nicht ermöglicht, wenn bestimmte Einschränkungen durchgeführt werden. Wir sehen das nicht nur in der Forschung, wo wir uns verstärkt auf die negativen Aspekte konzentrieren, sondern auch in der Berichterstattung. Es wurde gerade der Fall angesprochen vom Amoklauf in Graz. Denken Sie vielleicht an das Beispiel des Mädchens, das Selbstmord begangen hat, weil es in den sozialen Medien gecyberbullyt, also gemobbt, wurde. Das sind Fallbeispiele, die Klicks und die entsprechende Resonanz fördern, aber eben auch einen gewissen Bias in unsere Gesellschaft geben und dann auch Ängste schüren. Wir wollen einen bewussten Umgang mit sozialen Medien fördern und nicht unbedingt Angst machen oder etwas tabuisieren, stigmatisieren. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, der jetzt nicht weiter diskutiert wurde. Wenn wir etwas tabuisieren, dann wird es auch interessant und dann wird das genutzt und vielleicht nicht so genutzt, wie wir das gerne als Forschende oder als Erwachsene allgemein für unsere Kinder und Jugendlichen möchten. Es ist ganz wichtig, da auch offen, vielseitig und auch kritisch zu berichten und sich zu informieren. Und wie gesagt: Die aktuelle Forschungslage ist da leider komplex und noch nicht so eindeutig. Das wollen viele oft nicht hören, aber das ist nun einmal die Situation.“
„Von meiner Seite bestehen keine Interessenkonflikte. Der Transparenz halber weise ich aber darauf hin, dass ich als unabhängiger Gutachter und Sachverständiger ehrenamtlich an jugendmedienschutzrechtlichen Prüfungen und Begutachtungen von Medienangeboten und technischen Schutzinstrumenten für Einrichtungen der Selbstkontrolle beteiligt bin (FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V.; USK - Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle GmbH). Ich bin zudem Vorsitzender des Kuratoriums der FSF (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.).“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2024): Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Press Briefing. Stand: 04.12.2024.
Science Media Center (2023): Auswirkungen sozialer Medien auf mentale Gesundheit. Press Briefing. Stand: 12.12.2023.
Kommission für Jugendmedienschutz (Stand: 25.06.2025): Datenbank Technischer Jugendmedienschutz.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Düll S (18.06.2025): Digitale Teilhabe ist Realität und muss gelernt werden. Deutscher Lehrerverband.
Dr. Stephan Dreyer
Senior Researcher für Medienrecht & Media Governance, Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI), Hamburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Von meiner Seite bestehen keine Interessenkonflikte. Der Transparenz halber weise ich aber darauf hin, dass ich als unabhängiger Gutachter und Sachverständiger ehrenamtlich an jugendmedienschutzrechtlichen Prüfungen und Begutachtungen von Medienangeboten und technischen Schutzinstrumenten für Einrichtungen der Selbstkontrolle beteiligt bin (FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V.; USK - Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle GmbH). Ich bin zudem Vorsitzender des Kuratoriums der FSF (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.).“
Dr. Isabel Brandhorst
Leiterin der Forschungsgruppe Internetnutzungsstörungen, Universitätsklinikum Tübingen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Anne-Linda Camerini Ph.D.
Dozentin und Forscherin an der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften, Università della Svizzera italiana, Lugano, Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“