Studie vergleicht Lithium-Produktion und Bedarf für Elektromobilität in Europa, China und USA
Studie sieht im Jahr 2030 bereits Knappheit, besonders in Europa
bislang sind Lithium-Ionen-Batterien Standard in Elektrofahrzeugen und der Rohstoff Lithium daher essenziell für die Mobilitätswende
Forscher sehen teils methodische Mängel der Studie und weisen darauf hin, dass wichtige Teile der Lieferkette nicht beachtet werden
Forschende aus China, Schweden und Norwegen haben im Rahmen einer Modellierungsstudie die Lithium-Versorgung Europas, Chinas und der USA – drei große Märkte für Elektromobilität – untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass in allen drei Regionen Knappheiten entstehen können, obwohl aufseiten der Unternehmen zwischen 2025 und 2030 eine steigende Produktion geplant ist. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Cell Reports Sustainability“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).
Professor für Ökologische Ressourcentechnologie, Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Universität Bayreuth
„Die Herausforderungen für die Lithium-Lieferkette aufgrund des schnellen Wachstums des Marktes für Elektrofahrzeuge sind bekannt. China, Europa und die USA liefern sich einen Wettbewerb um die Ansiedlung und die Ausweitung der Produktion von Unternehmen in allen Stufen der Lieferkette. Dies fängt bei den Rohstoffvorkommen in Salzseen an und hört bei den Batteriesystemen auf. Die Autoren dieser Studie haben sich nun in ihrer Analyse ausschließlich auf den Handel mit Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid, zwei Zwischenprodukten, konzentriert.“
Komplexität der Lieferkette
„Der verfolgte Modellierungsansatz der Autoren ist auf die Produktion und den Handel mit Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid beschränkt. Die Autoren erwähnen zwar den für die globale Versorgung sehr wichtigen Handelsstrom von Lithiumgestein zur weiteren Verarbeitung von Australien nach China textlich, werten diesen allerdings nicht quantitativ aus. Damit fehlt in den modellierten Szenarien ein wesentlicher Baustein der globalen Lithium-Lieferkette und die Ergebnisse dieses Fachaufsatzes sollten daher nicht überinterpretiert werden.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Neue Technologien, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
„Die Autoren der Studie entwerfen Szenarien für die Nachfrage und Produktion von Lithium auf Grundlage international anerkannter Prognosen und den Ankündigungen der Produzenten. Die Erfahrung zeigt, dass letztere häufig sehr optimistisch planen. Die Bandbreite der berücksichtigten Szenarien deckt jedoch einige mögliche Entwicklungen ab und scheint damit recht robust. Das Kernergebnis der Studie steigender Lithium-Nachfrage und unklarer Versorgungslage sollte also ernst genommen werden. Im Betrachtungszeitraum bis 2030 dürften auch Alternativtechnologien wie Natrium-Ionen-Batterien besonders im Elektrofahrzeugmarkt noch keinerlei Entlastung bringen.“
Komplexität der Lieferkette
„Die Wertschöpfungs- und Lieferkette für Elektrofahrzeugbatterien ist sehr lang. In der Studie wird sie jedoch stark auf die Inverkehrbringung der Fahrzeuge, also die Nachfrage, sowie die Gewinnung von Lithium, also das Angebot, verkürzt. Die Diskussion um Liefer- und Importabhängigkeiten beschreibt insofern nur unzureichend die realen Bedingungen. So kommt bereits heute eine große Zahl der in Europa in Verkehr gebrachten Batterien aus Asien, das darin enthaltene Lithium aber aus Australien oder Südamerika.“
„Besteht deshalb in Europa eine Versorgungsknappheit mit Lithium? Offenbar nicht, denn darum müssen sich nicht zuletzt die Zulieferer in der Materialindustrie kümmern, und die sitzen überwiegend in China oder Südkorea. Korrekt ist sicherlich das Bild einer Rohstoffabhängigkeit Europas, der USA oder in Teilen auch Chinas von anderen Regionen der Welt. Der Rohstoffmarkt selbst ist aber als global anzusehen. Übersteigt die globale Nachfrage das globale Angebot, kommt es dort zu einer Versorgungsknappheit an Elektrofahrzeugen oder Batterien, wo die am wenigsten zahlungskräftigen Endkunden sitzen. Dies ist erfahrungsgemäß nicht in Europa oder den USA der Fall und hat mit den eigenen Produktionskapazitäten für Rohstoffe wenig zu tun.“
Maßnahmen für geringeren Lithium-Verbrauch
„Die Empfehlung der Studienautoren zu einem effizienten Einsatz des zur Verfügung stehenden Lithiums etwa durch kleinere Batterien, oder ‚shared mobility‘, ist nicht nur zum Schließen möglicher Versorgungslücken, sondern auch aus einer Nachhaltigkeitsperspektive sinnvoll. Insofern ist dieser Vorschlag sehr begrüßenswert. Allerdings bestehen zumindest in Europa und den USA abgesehen vom Kaufpreis aktuell keinerlei staatliche Anreizmechanismen, die Autohersteller oder Käufer dazu motivieren würden.“
Leiter der Forschungsgruppe „Forschung für nachhaltige Energietechnologien“ am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
„Das Ergebnis ist nicht überraschend und wird durch andere Studien und Berichte schon länger und wiederholt dargestellt [1] [2] [3]. Einen wirklich neuen Ansatz kann ich in der Studie nicht erkennen. Schön ist allerdings die detaillierte und transparente Darstellung der verschiedenen Minenprojekte und potenziellen Kapazitätsentwicklungen in den USA, der EU und China in der ‚Supplemental Information‘ der Studie und die sich daraus ergebende regionenspezifische Problembeschreibung mit dem entsprechend regional unterschiedlichen Handlungsdruck.“
Bedarfs-Abschätzung
„Der Bedarf an stationären Lithium-Energiespeichern für Energienetze wurde nicht thematisiert, sondern nur der Automobilsektor. Dieser wird aber vorrausichtlich auch den größten Anteil am Bedarf verursachen. Allerdings wird zum einen der Bedarf an Speichern im stationären Bereich möglicherweise unterschätzt, zum anderen würde die Inklusion dieses Sektors das Rohstoffproblem zusätzlich verschärfen [4]. Das Thema Recycling und sekundäres Lithium wurde im Artikel thematisiert, jedoch in den Ergebnissen nicht quantitativ berücksichtigt. Andere kritische Rohstoffe von Lithium-Batterien – wie zum Beispiel natürliches oder synthetisches Graphit – werden gänzlich nicht thematisiert.“
Lithium-Preise
„Grundsätzliches Problem für die marktgetriebene Entwicklung neuer Lithium-Minen ist der aktuell sehr niedrige Lithiumpreis [5]. Dies bedeutet: Investoren scheuen sich hierdurch und aufgrund weiterer Marktrisiken, in neue Minen zu investieren. Das ist ein großes Problem, da Minen eine Vorlaufzeit von fünf bis 15 Jahren benötigen, bevor diese tatsächlich Lithium produzieren können. Hinzu kommt die notwendige Aufbereitungsindustrie für die Herstellung von Lithiumprodukten. Wie stark die Preise bei einer zukünftigen Verknappung ansteigen könnten, ist nicht absehbar. Zum einen sind alternative Technologien – also natriumbasierte Batterietechnologien – für den automobilen und stationären Bereich bereits verfügbar und können sehr zeitnah in China im industrielen Maßstab herstellt werden [6]. Zum anderen gibt es in anderen Ländern – zum Beispiel in Bolivien – auch große Lithium Vorkommen, die bei einem steigenden Lithiumpreis wirtschaftlich abgebaut werden könnten.“
Komplexität der Lieferkette
„Die Autoren argumentieren nur auf der Ebene der Lithiumprodukte wie zum Beispiel Lithiumcarbonat und deren Handel. Das wird aber in den Schlussfolgerungen nicht wirklich berücksichtigt. Beispielsweise könnte Australien als größter Exporteur des Rohstoffs Lithium mehr eigene Aufbereitungskapazitäten oder Kooperationen zur Aufbereitung aufbauen und hierdurch selbst Lithiumprodukte für den Welthandel anbieten.“
„Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Xia Q et al. (2025): Long on expectations, short on supply: Regional lithium imbalances and the effects of trade allocations by China, the EU, and the USA. Cell Reports Sustainability. DOI: 10.1016/j.crsus.2025.100404.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] IEA (2023): Critical Minerals Market Review 2023. Bericht.
[2] Jégourel Y (2025): The lithium market: between the needs of the energy transition and major strategic issues. Bericht.
[3] Brunelli K et al. (2023): Fact Sheet: Lithium Supply in the Energy Transition.
[4] Weil M et al. (2020): Chapter 5 - Stationary battery systems: Future challenges regarding resources, recycling, and sustainability. The Material Basis of Energy Transitions. DOI: 10.1016/B978-0-12-819534-5.00005-2.
[6] Morris C (28.04.2025): CATL plans to mass-produce Naxtra sodium-ion EV battery packs by the end of 2025. Charged – Electic Vehicles Magazine.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2020): Lithium: Informationen zur Nachhaltigkeit. Bericht.
Prof. Dr. Christoph Helbig
Professor für Ökologische Ressourcentechnologie, Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Universität Bayreuth
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“
Dr. Christoph Neef
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Neue Technologien, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Dr. Marcel Weil
Leiter der Forschungsgruppe „Forschung für nachhaltige Energietechnologien“ am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“