Studien zeigen Sicherheit der Stammzelltherapie bei Parkinson
eine Heilung der Parkinson-Erkrankung ist bislang nicht möglich, Stammzelltherapien könnten das ändern
zwei Studien zeigen, dass aus Stammzellen gewonnene Nervenzellen sicher in das Gehirn transplantiert werden können
Forschende bewerten die Ansätze als vielversprechend, wenngleich noch keine eindeutigen Rückschlüsse auf eine langfristige Wirksamkeit möglich seien
Zwei aktuelle „Nature“-Studien zeigen, dass Transplantationen von im Labor gezüchteten Nervenzellen bei Parkinson-Patientinnen und -patienten sicher sind – und in einigen Fällen sogar messbare Verbesserungen bringen können. Beide Studien setzen auf unterschiedliche Stammzelltypen als Ausgangszellen, kommen aber zu ähnlichen, hoffnungsvollen Ergebnissen (siehe Primärquellen).
Oberarzt der Klinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM), und Leiter der Spezialambulanz für Motoneuronerkrankungen und Parkinsonerkrankungen
Studiendesign
„Tabar et al. nutzten sogenannte hES-Zellen (humane embryonale Stammzellen), welche insgesamt zwölf Patienten in einer niedrigen und einer höheren Dosis in beide Putamina (Gehirnregion; Anm. d. Red.) mittels Kanülen implantiert wurden. Die Sicherheitsdaten sind sehr ermutigend und zeigen auch ein Jahr nach der Transplantation keine schweren behandlungsbedingten Nebenwirkungen. Da wegen der Herkunft der Zellen eine immunsuppressive Therapie nach der Operation durchgeführt werden musste, hatten einige Patienten jedoch Nebenwirkungen wie beispielsweise Übelkeit und Gelenkschmerzen in diesem Zusammenhang berichtet. Die bei früheren Transplantationsstudien gemeldeten und gefürchteten Dyskinesien (Bewegungsstörungen; Anm. d. Red.) traten nicht auf, was die Autoren unter anderem auf die bessere Reinheit ihrer Stammzellpräparation zurückführen, die keine serotonergen Progenitoren enthält (Vorläufer von serotonin-produzierenden Nervenzellen; Anm. d. Red.). Da die Kohortengröße sehr klein war und es sich um eine Open-Label-Studie handelt, sollten Aussagen zur Wirksamkeit nicht überinterpretiert werden. Insgesamt zeigte sich eine Stabilisierung der Symptome mit einer Tendenz zur Besserung, vor allem in der Kohorte der höheren Dosierung.“
„Im Gegensatz dazu beschreiben Sawamoto et al. die bilaterale Implantation von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) in beide Putamina von insgesamt acht Patienten im Rahmen einer monozentrischen Studie. Die iPS stammen aus dem Blut eines einzigen Spenders, welcher homozygot für den häufigsten Haplotyp innerhalb der japanischen Population war und welcher rund 17 Prozent dieser Population abdeckt. Eine Immunsuppression mittels Tacrolimus war jedoch auch hierbei für 15 Monate erforderlich. Die Therapie wurde im Wesentlichen gut vertragen: Bei einem Patienten kam es zu Dyskinesien, weitere berichteten von Nebenwirkungen der Immunsuppression. Auch hier zeigten sich klinisch leichte Verbesserungen, die aufgrund der sehr kleinen Stichprobe nicht überbewertet werden dürfen. Die Nachverfolgung war in dieser Studie etwas länger, nämlich 24 Monate.“
„Beide Studien zusammen zeigen in einem sehr frühen klinischen Stadium an einer kleinen Gruppe von fortgeschrittenen Parkinsonpatienten, dass die Implantation von hES- oder iPS-Zellen über eine Beobachtungszeit von ein bis zwei Jahren sicher und verträglich zu sein scheint. Sie zeigen erste Hinweise auf Wirksamkeit, wobei die kleine Gruppengröße und die Open-Label-Studien keine definitive Aussage über die Wirksamkeit erlauben.“
„Beides sind Phase 1- beziehungsweise -1/2-Studien mit Fokus auf Sicherheit und Verträglichkeit. Als solche wurden bei Tabar et al. insgesamt nur zwölf Patienten sequenziell eingeschlossen, bei Sawamoto sogar nur acht Patienten, was jedoch für diese früher Entwicklungsphase durchaus üblich ist. Vor allem die Aussagen zur Sicherheit und Verträglichkeit stehen im Vordergrund.“
Vergleich zu früheren Studien
„Im Gegensatz zu früheren Transplantationsstudien kann sowohl mit hES- als auch mit iPS-Zellen eine große Menge Transplantat unter entsprechenden Reinheitsvorkehrungen hergestellt und später ,von der Stange‘ transplantiert werden. Die Zellen müssen also nicht für jeden Patienten einzeln hergestellt werden. Die Transplantate scheinen auch eine höhere Reinheit zu haben als in früheren Studien, sodass Kontaminationen mit serotonergen Progenitoren, die für die schweren Transplantat-bedingten Dyskinesien angeschuldigt wurden, weniger wahrscheinlich sind. Auch die Entstehung von Tumoren aus diesen Vorläuferzellen wurde in beiden Studien nicht beobachtet. Nachteil bei beiden Verfahren ist die Notwendigkeit einer zumindest zeitweisen immunsuppressiven Therapie (12 bis 15 Monate), die zwar mit Nebenwirkungen einhergeht, welche jedoch größtenteils gut beherrschbar waren.“
Zustand der Patientinnen und Patienten
„In beiden Studien haben die behandelten Patienten die Therapie offensichtlich gut vertragen. Ihr Zustand zwölf Monate nach der Operation und auch in der erweiterten Beobachtungsphase von 18 bis 24 Monaten war im Wesentlichen stabil. Klinisch zeigten sie tendenziell eine leichte Verbesserung, vor allem in der Hochdosisgruppe bei Tabar et al., wobei diese Daten mit größter Vorsicht zu interpretieren sind, da gerade bei Parkinsonstudien ein sehr ausgeprägter Placeboeffekt bekannt ist. Die kleinen Kohortengrößen und die fehlende Verblindung lassen hier einfach keine belastbaren Aussagen zu. Die Levodopa-Äquivalenzdosis (Rechenwert zur Wirkstärke verschiedener Parkinson-Medikamente; Anm. d. Red.) ist in beiden Gruppen bei Tabar et al. ein Jahr nach der Behandlung etwas rückläufig gewesen, aber auch das muss in großen verblindeten Studien bestätigt werden.“
Unterschied embryonale und induzierte pluripotente Stammzellen
„Wie der Name schon sagt, stammen humane embryonale Stammzellen (hES) ursprünglich von menschlichen Embryonen, deren Zellen mit Erlaubnis für diese Therapien weiterentwickelt wurden. Ihr Einsatz erfordert eine immunsuppressive Therapie und ist ethisch aufgrund ihres Ursprungs umstritten.“
„Induzierte pluripotente Stammzellen stammen aus adulten Zellen eines Spenders und könnten prinzipiell auch vom Patienten selbst stammen. Ethische Bedenken, die bei hES bestehen, kommen hier deutlich weniger zum Tragen, wenngleich sie auch hier nicht vollständig ausgeräumt sind (genetische Manipulation, Datenschutz und möglicher Missbrauch).“
Zeitpunkt der Therapie
„Sicherheit und Verträglichkeit sind eine notwendige Bedingung für solche Studien und ein solches künftiges Therapieverfahren. Ansonsten muss sich eine solche Therapie – die im Wesentlichen auf den langfristigen, kontinuierlichen Ersatz von Dopamin abzielt – immer an den bereits bestehenden Möglichkeiten der dopaminergen Therapie messen. Dies ist gerade bei der Parkinsonerkrankung eine große Herausforderung, da Patienten bereits jetzt über eine lange Zeit mit sehr wirksamen Medikamenten symptomatisch behandelt werden können und diese Therapie sehr sicher ist. Gerade in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung kommt es jedoch zu starken Wirkungsschwankungen, die medikamentös schwer zu behandeln sind und wo sogenannte nicht-orale Folgetherapien (Tiefe Hirnstimulation, Pumpentherapien) ansetzen.“
„Die Zelltransplantation ändert nichts an der Grunderkrankung, welche trotz der Transplantation weitergeht. Es ist bekannt, dass transplantierte Zellen nach mehreren Jahren die Alpha-Synuclein-Pathologie (krankhafte Veränderung und Ablagerung des Proteins Alpha-Synuclein im Gehirn; Anm. d. Red.) ihrer Umgebung entwickeln. Herausforderungen wie etwa Demenz, die beispielsweise durch die Ausbreitung der Erkrankung in andere Hirnareale entstehen, werden durch eine solche Therapie nicht adressiert.“
„Insofern wird eine solche Therapie eher fortgeschrittenen Stadien vorbehalten sein und man wird Patienten sorgfältig auswählen müssen, damit diejenigen behandelt werden, die am meisten von dieser doch aufwendigen Therapie profitieren. Die Kriterien für die Auswahl der am besten geeigneten Patienten sind noch nicht klar. Sawamoto et al. legen nahe, dass vor allem jüngere Patienten profitieren, die noch nicht sehr schwer betroffen waren. Und genau hier wird es auszubalancieren sein, an welcher Stelle der Einsatz einer solchen anspruchsvollen chirurgischen Therapie im Vergleich zu der ebenfalls immer weiter verbesserten nicht-zellbasierten Therapie stehen kann.“
„Sollte der Sicherheitsaspekt und die Nebenwirkungen der Immunsuppression sich weiterhin als gut beherrschbar erweisen, könnte diese Therapie künftig eine Alternative für aktuelle gerätegestützte Verfahren wie die Tiefe Hirnstimulation oder Pumpentherapie darstellen und Patienten für viele Jahre einen kontinuierlichen Dopaminspiegel garantieren. Eine Heilung der Parkinsonerkrankung stellen diese Therapien nicht dar, aber sie könnten signifikant zu einer längeren guten Lebensqualität beitragen.“
Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen, Universitätsklinikum Tübingen, und Leiter der klinischen Forschung am Forschungszentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Standort Tübingen
Studiendesign
„Tabar et al. beschreiben die Ergebnisse einer Studie, in der zwei verschiedene Dosen von aus humanen embryonalen Stammzellen abgeleiteten dopaminergen Vorläuferzellen in das Putamen (Gehirnregion; Anm. d. Red.) von fünf beziehungsweise sieben Patienten mit Parkinson eingebracht wurden. Eine Immunsuppression erfolgte für ein Jahr. Es konnte gezeigt werden, dass dieser Eingriff gut vertragen wird, PET-Untersuchungen deuteten darauf hin, dass die implantierten Zellen überleben und Dopamin speichern können. Die Verträglichkeit war offenbar gut, keine Tumorbildung, es gab Hinweise für eine leichte dosisabhängige Verbesserung.“
„Sawamoto et al. nutzten dagegen induzierte pluripotente Stammzellen von einem gesunden Spender und differenzierten diese in dopaminerge Vorläuferzellen, die sie sieben Patienten mit Parkinson (drei Niedrigdosis, vier Hochdosis) in das Putamen transplantierten. Auch hier war die primäre Zielgröße Sicherheit und Verträglichkeit, die Beobachtungsphase betrug zwei Jahre. Auch hier zeigte sich eine leichte Besserung der Symptomatik und eine deutliche Dopamin-Anreicherung in PET-Untersuchungen.“
Ergebnisse
„Die Kohortengröße ist adäquat für eine Bewertung von Sicherheit und Verträglichkeit im Rahmen einer Pilotstudie. Aber das ist es dann eben auch. Therapeutische Wirksamkeit kann nicht wirklich evaluiert werden. Beide Studien zeigen relativ ähnliche Ergebnisse und zeigen damit, dass zwei verschiedene Möglichkeiten zur Generierung dopaminerger Vorläuferzellen ähnliche Ergebnisse aufweisen.“
„Nach den Angaben der Publikationen scheinen die Transplantationen gut verträglich zu sein. In der japanischen Publikation wird über leicht zunehmende Überbewegungen bei einigen Patienten berichtet. Dies kann aber durch Medikationsanpassung korrigiert werden. Im Effekt scheinen embryonale und pluripotente Stammzellen ähnlich zu sein, embryonale Stammzellen haben bekanntermaßen ein größeres Problem mit der Akzeptanz, allerdings wird von Tabar et al. eine etablierte Zelllinie benutzt, sodass nicht für jede Transplantation eine embryonale Quelle erforderlich ist.“
Klinischer Einsatz
„Der Ersatz geschädigter Dopaminzellen ist offensichtlich dann sinnvoll, wenn das Ausmaß der Schädigung ein Stadium erreicht hat, in dem eine medikamentöse Therapie nicht mehr ausreicht. Ich würde mir hier also keine Vorteile einer besonders frühen Therapie erwarten. Ein mögliches Problem könnte sein, dass diese Therapie überwiegend die motorischen Symptome verbessern kann, für die es auch eine Reihe anderer therapeutische Optionen wie die tiefe Hirnstimulation oder Pumpentherapien gibt. Ob kognitive oder andere nicht motorische Probleme, die im späteren Stadium der Parkinsonkrankheit die Lebensqualität in erster Linie definieren, durch einen Zellersatz ebenfalls positiv beeinflusst werden können, ist meines Erachtens unklar.“
stellvertretender Vorstand des Instituts für Molekularbiologie, Leiter der Arbeitsgruppe für Genomik, Stammzellbiologie und Regenerative Medizin, Universität Innsbruck, Österreich
Zusammenfassung und Bedeutung
„Die zwei unabhängig voneinander publizierten Phase-1 beziehungsweise Phase-1/2-Studien zeigen erstmals vielversprechende Ergebnisse zur Stammzell-basierten therapeutischen Behandlung der Parkinsonschen Erkrankung. Dabei wurden Vorläufer von speziellen Neuronen, sogenannte dopaminerge Vorläuferzellen, welche aus pluripotenten Stammzellen gewonnen wurden, transplantiert.“
„In der von Tabar et al. publizierten Phase-1-Studie wurden zwölf Parkinson-Patienten mit aus humanen embryonalen Stammzellen (hES) abgeleiteten dopaminergen Vorläuferzellen behandelt. Die Zellen wurden direkt in das betroffene Kerngebiet des Großhirns, das Putamen, beidseitig implantiert. Es gab zwei Dosierungsgruppen (niedrig und hohe Zellzahl), und alle Teilnehmenden erhielten eine Immunsuppression für ein Jahr, um eine Abstoßungsreaktion des Zielgewebes gegenüber den transplantierten Zellen zu minimieren. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf und mittels PET-Bildgebungsverfahren wurde nach 18 Monaten eine erhöhte Aufnahme von 18F-DOPA nachgewiesen, was auf ein Überleben der Transplantate hinweist.“
„Zur Bestimmung einer potenziellen klinischen Verbesserung infolge der Transplantation wurde der sogenannte MDS-UPDRS-Teil-III-Score angewendet. Diese Skala stellt ein weitverbreitetes Beurteilungssystem der Schwere der Parkinson-Symptome dar. In der Hochdosisgruppe verbesserte sich der MDS-UPDRS-Score im Schnitt um 23 Punkte, was als deutliche Verbesserung gewertet werden kann. Außerdem wurden keine transplantatbedingten Störungen des Bewegungsablaufes (Dyskinesien) beobachtet, wie sie zuvor bei der Transplantation von fetalen Zellen berichtet worden war. Diese Daten zeigen, dass die Behandlung sicher und gut verträglich war, und unterstützen die Weiterführung in größeren Studien.“
„In der von Sawamoto et al. publizierten Phase-1/2-Studie erhielten sieben Patienten dopaminerge Vorläuferzellen, welche aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) gewonnen wurden. Im Gegensatz zu hES-Zellen müssen zur Herstellung von iPS-Zellen keine humanen Embryonen verwendet werden, sondern Blutzellen, welche in Stammzellen reprogrammiert werden. Die iPS-Zellen wurden durch ein ähnliches Protokoll in dopaminerge Vorläuferzellen vorgereift und vor der Transplantation mittels eines Antikörpers aufgereinigt. Die von Sawamoto und Kollegen transplantierten Zellen wurden durch ein ähnliches Verfahren ebenfalls beidseitig ins Putamen transplantiert, und die Patienten über einen etwas längeren Zeitraum, nämlich 24 Monate, beobachtet. Auch diese Studie berichtet keine schwerwiegenden Nebenwirkungen oder Hinweise auf Tumorbildung oder übermäßiges Zellwachstum. In vier von sechs Patienten zeigten sich Verbesserungen in der MDS-UPDRS-Bewertung. Auch die 18F-DOPA-Aufnahme stieg durchschnittlich um über 40 Prozent, besonders stark in der Hochdosisgruppe. Diese Ergebnisse belegen die Sicherheit, Überlebensfähigkeit und Dopaminproduktion der transplantierten iPS-Zellen und deuten auf einen klinischen Nutzen hin.“
Bisherige Arbeiten zum Thema
„Beide Studien legen nahe, dass aus pluripotenten Stammzellen gewonnene dopaminerge Vorläuferzellen sicher transplantierbar sind, keine Tumoren bilden und klinische Verbesserungen der motorischen Symptome bei Parkinson-Patienten bewirken können. Die Parkinson-Krankheit ist durch den Verlust dopaminerger Neuronen in den Basalganglien des Gehirns gekennzeichnet. Erste Transplantationen solcher Nervenzellen aus fötalem Gewebe wurden bereits in den 1980er-Jahren durchgeführt, zeigten teils gute Erfolge, waren aber von hoher Variabilität, ethischen Bedenken und begrenzter Gewebeverfügbarkeit geprägt. Daher gilt Parkinson als ein vorrangiges Ziel für Stammzelltherapien mit erneuerbaren Zellquellen, wie hES- oder iPS-Zellen. Die erste klinische Studie mit hES-Zellen begann 2015 in China (NCT03119636); 24 Patienten wurden behandelt, jedoch wurden bislang keine klinischen Daten veröffentlicht. Auch eine weitere australische Studie wurde abgebrochen. Die nun publizierten Studien US-amerikanischer und japanischer Wissenschaftler stellen deswegen einen wichtigen Meilenstein bei der Entwicklung von Stammzell-basierten Therapien der Parkinson-Erkrankung dar. Ergebnisse aus klinischen Phase-1-Studien liefern wichtige Hinweise zur Sicherheit und Machbarkeit neuer Therapien, müssen jedoch in größeren, kontrollierten Folgestudien bestätigt werden, um ihre Wirksamkeit und Übertragbarkeit auf breitere Patientengruppen verlässlich beurteilen zu können.“
Methodik
„Das methodische Vorgehen beider Studien in Bezug auf Zellgewinnung, Bildgebung und klinischer Wirkung ist zielführend und adäquat. Allerdings müssen die Aussagen zur Wirksamkeit kritisch hinterfragt werden. Phase-1- und Phase-1/2-Studien dienen primär der Feststellung der Sicherheit und Machbarkeit. Dementsprechend fehlen ein Placebo- oder Kontrollarm mit konservativer Therapie. Frühere Studien mit fetalen Transplantaten haben gezeigt, dass Placeboeffekte einen nicht zu vernachlässigen Einfluss auf den Therapieerfolg aufweisen können. Weiterhin besteht eine begrenzte Aussagekraft zur Wirksamkeit durch sehr kleine Fallzahlen und dadurch fehlende Statistik. Es liegen auch über 18 beziehungsweise 24 Monate hinaus keine Langzeitdaten vor, die zum Beispiel für eine robustere Einschätzung der Tumorigenität wichtig sind.“
Forschungsstand
„Die aus pluripotenten Stammzellen generierten dopaminergen Vorläuferzellen stellen derzeit die Speerspitze zelltherapeutischer Spitzenforschung im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen (NDD) dar. Entsprechende Therapien anderer NDD wie Multiple Sklerose, Alzheimer oder ALS befinden sich relativ dazu in früheren Phasen der Entwicklung, da hier (bislang) keine standardisierten Differenzierungsprotokolle in pathophysiologisch relevante Zelltypen existieren.“
Zustand der Patientinnen und Patienten
„Die Patienten zeigten eine gute Verträglichkeit der Therapie bei gleichzeitigem Erhalt oder sogar Verbesserung ihrer motorischen Funktionen. Klinische Scores und bildgebende Parameter deuteten auf eine funktionelle Integration der transplantierten Zellen hin, wobei der allgemeine Gesundheitszustand über den Beobachtungszeitraum stabil blieb. Die alleinige Verwendung des MDS-UPDRS-Scores zur Beurteilung des Schweregrades ist hingegen problematisch. Zwar ist der Score standardisiert, bildet aber nicht alle Aspekte der Erkrankung objektiv ab. Größere Teile des Scores beruhen auf klinischer Einschätzung und Selbstberichten des Patienten. Das kann zu Beobachtervariablitität (observer and physician bias) und Schwankungen in der Bewertung führen. Zusätzliche objektive Messmethoden, wie digitale Bewegungsanalytik sollten durchgeführt werden. Weiterhin einschränkend gelten die schon zuvor beschriebenen Limitierungen bezüglich der Fallzahl und begrenzten Beobachtungsdauer. Außerdem fehlen randomisierte Kontrollen beziehungsweise ein Placebo-Arm, die in weitergehenden Studien im Fokus stehen müssen.“
Unterschied embryonale und induzierte pluripotente Stammzellen
„Beide Zellquellen, hES-Zellen und iPS-Zellen, sind pluripotent, das heißt, sie können in beliebige Zelltypen des Organismus ausdifferenziert werden. Allerdings müssen zur Herstellung von iPS-Zellen im Gegensatz zur Gewinnung von hES-Zellen, keine humanen Embryonen verwendet werden; iPS-Zellen können aus somatischen Zellen wie Haut- oder Blutzellen durch sogenannte Zell-Reprogrammierung gewonnen werden. Dadurch gibt es kaum ethische beziehungsweise rechtliche Einschränkungen bei der Verwendung von iPS-Zellen. Außerdem könnten sie auch individuell vom Patienten gewonnen werden und dadurch eine autologe Transplantation ermöglichen, was bei hES-Zellen nicht der Fall ist. In der von Sawamoto et al. publizierten Studie wurden allogene HLA-typisierte iPS-Zellen verwendet, die mit einem größeren Teil der japanischen Bevölkerung immunkompatibel sind. Diese Zellen weisen eine höhere Verträglichkeit des Transplantats gegenüber dem Empfängerorganismus dar. Eine noch bessere Verträglichkeit wäre bei autologen iPS- oder induzierten neuralen Stammzellen (iNS) gegeben.“
Weitere Studien
„Weiterführende Studien müssten randomisiert und geblindet durchgeführt werden, und das mit einem Kontrollarm, welcher konventionelle Therapien wie die Tiefe Hirnstimulation beinhaltet. Weiterhin muss eine längerer Beobachtungszeitraum berücksichtigt werden, um Nutzen gegenüber Risiken einzuschätzen.“
Zeitpunkt der Therapie
„Die derzeitigen Daten mit allerdings sehr niedrigen Fallzahlen deuten auf eine höhere Wirksamkeit bei jüngeren Patienten hin.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte zu Zelltherapien.“
„Ich bin Mitglied eines Advisory Boards der Firma Bluerock Therapeutics, die an der Publikation von Tabar et al. beteiligt ist.“
„Es liegt kein Interessenkonflikt vor.“
Primärquellen
Tabar V et al. (2025): Phase I trial of hES-cell-derived dopaminergic neurons for Parkinson’s disease. Nature: DOI: 10.1038/s41586-025-08845-y.
Sawamoto N et al. (2025): Phase I/II trial of iPS-cell-derived dopaminergic cells for Parkinson’s disease. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-08700-0.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Bayer (13.01.2025): BlueRock Therapeutics advances investigational cell therapy bemdaneprocel for treating Parkinson’s disease to registrational Phase III clinical trial. Pressemitteilung.
Prof. Dr. Paul Lingor
Oberarzt der Klinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM), und Leiter der Spezialambulanz für Motoneuronerkrankungen und Parkinsonerkrankungen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte zu Zelltherapien.“
Prof. Dr. Thomas Gasser
Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen, Universitätsklinikum Tübingen, und Leiter der klinischen Forschung am Forschungszentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Standort Tübingen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin Mitglied eines Advisory Boards der Firma Bluerock Therapeutics, die an der Publikation von Tabar et al. beteiligt ist.“
Prof. Dr. Frank Edenhofer
stellvertretender Vorstand des Instituts für Molekularbiologie, Leiter der Arbeitsgruppe für Genomik, Stammzellbiologie und Regenerative Medizin, Universität Innsbruck, Österreich
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es liegt kein Interessenkonflikt vor.“