Verjüngungs-Methode für Eizellen: junge Follikel verbessern Eizell-Reifung
Follikelzellen junger Mäuse verjüngen Eizellen alter Mäuse und führen zu besserer Eizellreifung und Lebendgeburtenrate
Eizell-Verjüngungs-Methoden könnten die Chance auf erfolgreiche Schwangerschaften bei Älteren erhöhen
Forschende loben die anspruchsvolle Technik und sehen noch viele Hürden bis zur Anwendung an Menschen
Forschende aus Singapur haben erstmals die Eizelle einer alten Maus in den Follikel einer jungen Maus transplantiert und Mechanismen untersucht, die die Eizelle „verjüngen“. Sie zeigen: Ein so entstandener chimärer Follikel verbessert die Eizellreifung und die Lebendgeburtenrate nach In-vitro-Fertilisation (IVF) bei Mäusen. Ihre Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Aging“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).
Leiter der Arbeitsgruppe „Mouse Embryology“, Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster
Ergebnisse der Studie
„Diese Maus-Studie zeigt, dass es in vitro (außerhalb des Körpers; Anm. d. Red.) möglich ist, die Eizelle eines jungen Eierstockfollikels durch die Eizelle eines alten Follikels (im Sinne des Alters der Mutter) zu ersetzen. So entsteht ein Chimär-Follikel. In diesem neuen Follikel erfährt die alte Eizelle eine junge Umgebung, in der die schwachen oder defekten Reize des alten weiblichen Körpers – insbesondere der Granulosa-Zellen (Follikelzellen; Anm. d. Red.) – durch die stärkeren und gesünderen Reize eines jungen Körpers ersetzt werden. Wenn ich einen starken Vergleich anstellen darf: Es ist so, als würde man das Gehirn eines alten Menschen in den Schädel eines jungen Menschen stecken. Viele zelluläre Parameter der alten Eizellen haben sich so verändert, dass sie den Parametern der jungen Eizellen ähneln. Überraschenderweise wurden auch neue ‚Transzona Projections‘ (spezielle Zell-Zell-Verbindungen; Anm. d. Red.) gebildet, die von den jungen Granulosa-Zellen ausgehend die bereits vorhandene Zona Pellucida (Hülle um die Eizelle; Anm. d. Red.) der alten Eizelle durchdringen. Diese und andere Änderungen können theoretisch zu einer Verjüngung der alten Eizelle führen. Wenn man sich jedoch die funktionellen Daten anschaut, sieht man, dass – obwohl es eine Verjüngung auf molekulare Ebene gibt – die Geburtenraten nach IVF mit verjüngten Eizellen immer noch niedrig sind. Es gibt eine Verbesserung, aber es ist nicht so, dass die alten Eizellen nach der Transplantation so gut funktionieren wie die jungen.“
Methodik der Studie
„Ich finde die Methode beziehungsweise die Technik genial, spannend und gleichzeitig erstaunlich einfach in der Durchführung (Siehe Abbildung 3 in den Extended Data in der Studie). Die Idee ist nicht neu, Follikel in vitro durch die Kombination von Eizellen und somatischen Zellen (Zellen, die keine Eizelle oder Spermium sind; Anm. d. Red.) aus unterschiedlichen Spenderinnen zu bilden. Aber eine Eizelle aus einem erwachsenen Follikel zu ersetzen, das ist neu. Ich halte es für ein Paradigmenwechsel, denn es legt nahe, dass Eizellen nicht nur aufgrund einer inneren Uhr alt werden, sondern auch aufgrund des somatischen Körpers.“
Folgen für die Forschung
„Die Maus-Experimente wurden in vitro durchgeführt. In rein wissenschaftlicher Hinsicht, also bei Mäusen verbleibend, wäre es interessant, die Experimente in vivo umzusetzen, das heißt, die Chimär-Follikel wieder in den Eierstock zurückzuführen. Es wäre noch interessanter, die Granulosa-Zellen in jungen Lebensjahren aus dem Eierstock zu isolieren, zu kryokonservieren und sie in fortgeschrittenem Alter wieder in den Eierstock einzusetzen. Bevor aber diese Versuche am Menschen in Erwägung gezogen werden, sollte eine unabhängige Wiederholung/Bestätigung dieser Maus-Ergebnisse gezeigt werden.“
Anwendung bei Menschen
„Ich sehe einige Schwierigkeiten. Erstens müsste man, um die Eierstockfollikel so zu isolieren, wie es in der Maus-Studie geschehen ist, den Eierstock mittels Operation aus dem Körper der Frau isolieren. Zweitens: Die erforderliche Technologie für die Kultivierung menschlicher Follikel ist äußerst anspruchsvoll. Drittens: Menschliche Follikel wachsen viele Wochen lang, nicht nur ein paar Tage. In diesem viel längeren Zeitraum als bei Mäusen sind die epigenetischen Risiken (Risiken für Veränderungen des Aktivitätszustands der Gene; Anm. d. Red.) größer. Nicht zuletzt handelt es sich um eine Transplantation, das heißt wir benötigen zwei Frauen – die Spenderin des jungen Follikels und die Spenderin der alten Eizelle – und es gibt rechtliche und regulatorische Aspekte zu beachten. Die Eizellspende ist in Deutschland im Gegensatz zur Samenspende nicht erlaubt.“
Andere Mittel zur Eizellverjüngung
„Es gibt im Tiermodell Behandlungen mit Spermidin, Coenzym Q, Resveratrol (im ganzen Körper oder bei isolierten Eizellen in vitro), aber ich weiß nicht, ob sie beim Menschen anwendbar sind.“
stellvertretende Leiterin des IVF-Labors, der UniCareD Kryobank und der UniKiD Forschung, Universitätsklinikum Düsseldorf
Ergebnisse der Studie
„Die Autoren um Wang et al. untersuchten in ihrer Studie die zellulären und molekularen Interaktionen zwischen den in den Follikeln eingebetteten Eizellen und den umgeben Granulosa- und Cumuluszellen (spezielle Follikelzellen; Anm. d. Red.) hinsichtlich der Alterungs-Effekte im Mausmodell. Zunächst wurden die Granulosazellen von jungen und älteren Mäusen auf Proliferations- und Apoptosemarker (Wachstums- und Zelltod-Marker; Anm. d. Red.) analysiert. Die Cumuluszellen junger Mäuse zeigten eine stärkere Proliferation bei geringeren Apoptoseraten im Vergleich zu den Cumuluszellen älterer Mäuse. Danach wurden in einem 3D- und 2D-Zellkulturmodell die Eizellen gegenläufig transferiert, um die Auswirkungen des somatischen Umfelds auf die Reifung und Entwicklungskompetenz der älteren und jungen Eizellen zu untersuchen: Eizellen aus älteren Mäusen zeigten sich aktiver und die aus jüngeren Mäusen weniger aktiv. Im Mausmodell konnte in drei Ansätzen gezeigt werden, dass die Entwicklungskompetenz älterer Eizellen in jungen somatischen Zellen im Vergleich zu älteren Eizellen, die in alten Cumuluszellen verbleiben, nahezu verdoppelt wird.“
Methodik der Studie
„Methodisch ist die Studie gut nachvollziehbar und mit hochauflösender Mikroskopie und molekularen Techniken durchgeführt worden. Ebenso konnten die Ergebnisse durch die Generierung lebender Nachkommen aus in vitro gereiften Eizellen bestätigt werden.“
Folgen für die Forschung
„Zukünftig wird Forschung über Langzeiteffekte der entstandenen Nachkommen der in vitro Reifung von Eizellen älterer Mäuse in den jüngeren somatischen Zellen folgen.“
Anwendung bei Menschen
„Die Studie ist auf das Mausmodell limitiert, was den Erkenntnisgewinn aber nicht schmälert. In In-vitro-Versuchen wird die Maus, als Säugetier mit schneller Generationenfolge, häufig herangezogen. Im Gegensatz zum Menschen ist die Lebenszeit einer Maus deutlich reduziert und die Folge von Juveneszenz, Adoleszenz und Seneszenz (Alterung; Anm. d. Red) ist schneller.“
„Die In-vitro-Reifung von menschlichen Eizellen ist derzeit noch sehr limitiert möglich. Es werden verschiedene Ansätze von der Reifung von Eizellen aus ovariellem Cortex (Eierstock-Rinde; Anm. d. Red.) oder nach Punktion unreifer Follikel verfolgt. Daher ist die Umsetzung im Menschen derzeit noch nicht vorstellbar. Darüber hinaus gibt es neben nationalen legislativen Beschränkungen auch ethische Bedenken, da beim Transfer von Eizellen immer ein Spender- und Empfänger-Ansatz zugrunde liegt.“
Andere Mittel zur Eizellverjüngung
„Derzeit in einigen Ländern bereits angewandte Techniken sind: der Transfer von Mitochondrien aus jüngeren Eizellen während der ICSI-Behandlung (Intracytoplasmatische Spermieninjektion, Einbringen eines Spermiums in eine Eizelle; Anm. d. Red.) von Eizellen älterer Frauen, der Transfer der Vorkerne (Eizell-Anteil nach Befruchtung mit Spermium vor Verschmelzung der beiden; Anm. d. Red.) aus den älteren Eizellen in jüngere Eizellen oder die Injektion angereicherten Plasmas (Konzentrat aus Eigenblut; Anm. d. Red.) in den Eierstock zur Reaktivierung der somatischen Aktivität.“
Arbeitsgruppenleiter am BioMedizinischen Centrum München (BMC), Lehrstuhl Zellbiologie (Anatomie III), Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Ergebnisse der Studie
„Die Studie lenkt den Blick auf die direkte Kommunikation zwischen Eizellen und Granulosazellen im Follikel des Eierstocks. Strukturelle Voraussetzungen dafür sind ‚transzonale Zell-Projektionen‘ zwischen Eizellen und Granulosazellen, die offenbar im Alter bei der Maus abnehmen, beziehungsweise nach experimenteller Eizellentransplantation wiederhergestellt werden.
Sie bestehen aus Zellfortsätzen mit mechanischen Haftkontakten und kleinen Kommunikationskanälen, den ‚Gap Junctions‘. ‚Gap Junctions‘ erlauben den Austausch von kleinen Molekülen, die dann offenbar wiederum das Potenzial haben, so die Studie, die Eizelle unter anderem nach Transplantation zu verjüngen und das Befruchtungspotential – Blastozystenrate (Rate der Embryonen kurz nach Befruchtung; Anm. d. Red.) und Nachkommenzahl – zu steigern, wenngleich das Niveau jüngerer Tiere/Eizellen nicht erreicht wird.“
„Die Autoren postulieren einen verbesserten metabolischen Austausch (‚enhanced metabolic flux‘) zwischen Eizellen und Granulosazellen im Follikel als Grund der Verjüngung. Aber wie dieser genau aussieht, um welche Moleküle es sich handelt, die hier wichtig sind, und wie der komplexe Mechanismus der Verjüngung in der Eizelle überhaupt abläuft, das bleibt offen.“
„Neu ist demnach vor allem die Beobachtung, dass die Kommunikationsfähigkeit zwischen Granulosazellen und Eizelle ‚altert‘, experimentell wieder hergestellt werden kann und, dass dieser Kommunikation eine sehr viel wichtigere Rolle zukommt als bislang angenommen.“
Methodik der Studie
„Die Methodik der Studie – Transplantation von Eizellen und Generierung von chimären Follikeln, 3D-Kultur – ist ‚State of the Art‘. Es ist zu hoffen, dass andere Labore diese Methodik aufgreifen, anwenden und die Ergebnisse wiederholen können werden. Diese ausgefeilte, technisch elegante und aufwendige Studie ist letztlich aber deskriptiv und beantwortet nicht die Frage nach den zugrunde liegenden Mechanismen, die für die Verjüngung der Eizelle verantwortlich sind. Hier gibt es viele offene Fragen.“
Folgen für die Forschung
„In der Maus: Es gilt zunächst, die Experimente zu wiederholen und die Ergebnisse zu bestätigen. Dann gilt es vor allem herauszufinden, wie sich die transzonalen Zell-Projektionen und besonders die ‚Gap Junctions‘ zwischen Granulosazellen und Eizelle in ihrem Aufbau, ihrer Zusammensetzung und in der Funktionalität im Alter ändern: Sind zum Beispiel andere Connexine (Proteine der ‚Gap Junctions‘; Anm. d. Red.) im Spiel, und wenn ja, welche? Dann stellt sich die Frage, welche Moleküle der jungen Granulosazellen via ‚Gap Junctions‘ hier die Verjüngung der Eizelle bewirken und wie sie das tun. Diese und weitere Punkte wurden in der Studie leider noch nicht adressiert.“
„Im Menschen: Was den Menschen angeht, gilt es zunächst zu prüfen, inwieweit sich die Gap Junctions zwischen Granulosazellen und Eizelle auch im zunehmenden Alter und überhaupt bei Infertilität ändern – ob also eine vergleichbare Situation wie bei der Maus vorliegt. Falls dies der Fall ist, ergeben sich, wie angedeutet, weitere logische Experimente.“
Anwendung bei Menschen
„Direkte praktische Konsequenzen, außer der Eröffnung eines neuen Forschungsfeldes, sehe ich derzeit nicht. Dies ist aber sicher bereits eine wichtige Konsequenz. Zunächst gilt, wie erwähnt, zu prüfen, inwieweit sich im humanen Eierstock die ‚Gap Junctions‘ und die Kommunikation zwischen Granulosazellen und Eizelle auch im Alter und bei Infertilität ändern. Falls das der Fall ist, gilt es die Mechanismen dieser Regulation zu verstehen. Erst dann kann man darüber nachdenken, ob sich aus der Mausstudie möglicherweise weitere Konsequenzen für den Menschen ergeben. Die Methodik, wie bei der Maus beschrieben, die auf Spender und Empfänger basiert, wäre meiner Ansicht nach zudem weder aus rechtlich-ethischen noch aus praktischen Gründen beim Menschen anwendbar.“
Andere Mittel zur Eizellverjüngung
Auf die Frage, welche Mittel zur Eizellverjüngung es bisher gibt:
„Meines Wissens fast gar keine – es wurden aber zum Beispiel Mitochodrien- Transplantationen in ‚alte Eizellen‘ ins Spiel gebracht.“
Professorin für Reproduktionsbiologie am Institut für Zellbiologie und Zentrum für Reproduktionsgesundheit, University of Edinburgh, Vereinigtes Königreich, und Leiterin der Forschungsgruppe für Ovarentwicklung am Institut für Zellbiologie
Ergebnisse der Studie
„Dies ist eine gut durchgeführte und technisch anspruchsvolle Studie, die die Auswirkungen der alternden somatischen Zellumgebung auf die Eizellqualität in Sekundärfollikeln der Maus untersucht.“
„Die Studie gibt einen guten Einblick in die Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen Eizelle und somatischen Zellen in der Schlüsselphase des frühen Wachstums, in der die Eizelle ihre meiotische und entwicklungsbezogene Kompetenz erwirbt. Sie zeigt, dass alternde somatische Zellen diese Prozesse möglicherweise nicht mehr so effektiv unterstützen.“
Methodik der Studie
„Die Methodik, junge Eizellen in alte Follikel zu transferieren, und umgekehrt, ist komplex und erfordert ein Maß an Können und Expertise, das nur wenige Labore erreichen können.“
Anwendung bei Menschen
„Diese Studie bietet zwar einen verbesserten Einblick in die Entwicklung von Mäuse-Eizellen, aber es ist unwahrscheinlich, dass diese Techniken bei der IVF beim Menschen angewandt werden können. Das liegt vor allem daran, dass der Prozess mit Eizellen und Follikeln aus einem viel früheren Stadium beginnen muss als die, die zurzeit genutzt werden. Follikel-Kulturmethoden für menschliche Zellen werden gerade entwickelt, und diese Studie liefert einige Ideen zur Verbesserung dieser Methoden, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung durch somatische Zellen.“
„Insgesamt handelt es sich um eine interessante Grundlagenstudie, die aber noch weit von einer Anwendung beim Menschen entfernt ist.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte bestehen nicht.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Wang HY et al. (2024): Rejuvenation of aged oocyte through exposure to young follicular microenvironment. Nature Aging. DOI: 10.1038/s43587-024-00697-x.
PD Dr. Michele Boiani
Leiter der Arbeitsgruppe „Mouse Embryology“, Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster
Dr. Dunja M. Baston-Büst
stellvertretende Leiterin des IVF-Labors, der UniCareD Kryobank und der UniKiD Forschung, Universitätsklinikum Düsseldorf
Prof. Dr. Artur Mayerhofer
Arbeitsgruppenleiter am BioMedizinischen Centrum München (BMC), Lehrstuhl Zellbiologie (Anatomie III), Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Prof. Dr. Evelyn Telfer
Professorin für Reproduktionsbiologie am Institut für Zellbiologie und Zentrum für Reproduktionsgesundheit, University of Edinburgh, Vereinigtes Königreich, und Leiterin der Forschungsgruppe für Ovarentwicklung am Institut für Zellbiologie