Was ist vom geplanten Industriestrompreis zu erwarten?
Subvention des Strompreises soll energieintensive Industrie ab 2026 entlasten
EU-Beihilferahmen schreibt vor, dass Subvention nur drei Jahre gelten darf und Hälfte der erhaltenen Gelder in Dekarbonisierung reinvestiert werden muss
Forschende betonen relevantes Verhältnis zwischen Strom- und Gaspreis und weisen darauf hin, dass Investitionen in Dekarbonisierung zwar sehr wichtig, aber schwierig zu kontrollieren seien
Der Koalitionsausschuss hat am 13.11.2025 bestätigt, dass der sogenannte Industriestrompreis ab Januar 2026 durch Subventionen die energieintensive Industrie entlasten soll [I] [II]. Die genaue Ausgestaltung muss noch von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Allerdings setzt der neue Beihilferahmen „Clean Industrial Deal State Aid Framework“ (CISAF) bereits konkrete Rahmenbedingungen: Es dürfen maximal 50 Prozent des Stromverbrauchs subventioniert werden, der Preis darf auf maximal fünf Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) gesenkt werden, mindestens 50 Prozent der erhaltenen Gelder müssen von den Firmen in Dekarbonisierung reinvestiert werden und der Industriestrompreis darf maximal drei Jahre lang gelten [III].
Der subventionierte Strompreis soll von 2026 bis 2028 gelten. Im medial zirkulierenden Beschlusstext des Koalitionsausschusses ist von einem Zielpreis der geförderten Strommenge von 5 ct/kWh die Rede [I].
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Bewertung des geplanten Industriestrompreises
„Das neue ‚Clean Industrial Deal State Aid Framework ‘ (CISAF) der Europäischen Kommission erlaubt in Abschnitt 4.5 eine direkte Förderung der Strombezugskosten. Für die Hälfte des Strombezugs energieintensiver Unternehmen kann der Strompreis auf maximal fünf Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) gesenkt werden. Auch wenn eine solche Maßnahme letztlich den bestehenden Stromverbrauch subventioniert, setzt die EU-Kommission mit dem CISAF auch sinnvolle Zukunftsimpulse: Unternehmen, die von einer Strompreisreduktion profitieren, müssen mindestens die Hälfte der Fördermittel so reinvestieren, dass dies nicht zu einem Anstieg der fossilen Energienachfrage führt. Es wäre daher zu begrüßen, wenn die Bundesregierung die Reinvestitionsanforderungen gezielt mit Investitionen in den klimaneutralen Umbau der Industrie verknüpft. Das könnte sie etwa durch die Förderung der direkten Elektrifizierung industrieller Prozesse tun, die als robuste und kosteneffiziente Dekarbonisierungs-Strategie gilt.“
Subventionierte Branchen
„Bei der nationalen Ausgestaltung eines Industriestrompreises sollte zudem die Abgrenzung der begünstigten Unternehmen idealerweise an ihrer Energiekostenintensität ausgerichtet werden – also dem Anteil ihrer Energiekosten an ihrer Bruttowertschöpfung. Denn ein branchenübergreifender Industriestrompreis, der auch Industriezweige fördert, die keine energieintensiven Grundstoffe herstellen – etwa die Automobilindustrie oder den Maschinenbau – wäre eine kostenintensive Maßnahme für den Bundeshaushalt mit begrenzter ökonomischer Wirkung. In diesen Branchen liegt der Energiekostenanteil an der Bruttowertschöpfung im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Entsprechend wäre der betriebswirtschaftliche Effekt eines vergünstigten Strompreises hier kaum spürbar. Eine gezielte Entlastung wäre dagegen für die international im Wettbewerb stehende Grundstoffindustrie sinnvoll – insbesondere die Grundstoffchemie, Metallherstellung und -verarbeitung sowie die Glasindustrie. Deren Energiekostenanteile liegen deutlich im zweistelligen Prozentbereich.“
Abteilungsleiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, und Professor für empirische Industrieökonomie an der Technischen Universität Berlin
Noch unklare Aspekte
„Das ‚Clean Industrial Deal State Aid Framework ‘ (CISAF) setzt einige Vorgaben, dennoch bleiben zentrale Fragen offen: Wer ist antragsberechtigt? Wie wird die Einhaltung der Reinvestitionspflicht überprüft? Und wie lässt sich ein Preisschock nach Ablauf der Förderung vermeiden? Begünstigt werden sollten Unternehmen aus wenigen, stark energieintensiven und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb stehenden Branchen. Dazu zählen etwa die Aluminiumproduktion, die Herstellung von Industriegas sowie die Papierindustrie.“
„Zudem wären strikte Kontrollmechanismen und der Nachweis erforderlich, dass die geförderten Investitionen tatsächlich zur Dekarbonisierung der Produktion beitragen. Gleichwohl erscheint eine Umsetzung in dieser Form wenig realistisch. Der politische Druck, den Kreis der Begünstigten nicht zu klein zu halten, ist erheblich. Die Rede ist von Unternehmen aus der sogenannten EU-Carbon-Leakage-Liste. Diese umfasst insgesamt rund 200 Sektoren und Teilsektoren in der Europäischen Union (EU), was in Deutschland etwa 2000 Unternehmen betrifft. Die administrativ komplexe Umsetzung dürfte vor allem große Unternehmen mit entsprechenden Ressourcen begünstigen und somit zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“
„Die Kontrolle der Investitionszusagen und der tatsächlichen Beiträge zur Dekarbonisierung ist sowohl organisatorisch als auch rechtlich schwer durchsetzbar – zumindest nicht ohne erheblichen bürokratischen Aufwand. Schließlich ist es höchst unwahrscheinlich, dass geförderte Unternehmen ihre Prozesse innerhalb von drei Jahren so grundlegend transformieren, dass sie anschließend ohne Subventionen wettbewerbsfähig bleiben.“
Relevanz hoher Strompreise
„Hohe Strompreise sind für die deutsche Industrie insgesamt weniger relevant als oft angenommen [2]. Rund 87 Prozent der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe entfallen auf Branchen, deren Energiekostenanteil höchstens fünf Prozent beträgt. Selbst Sektoren mit Anteilen von zehn Prozent oder mehr tragen nur etwa neun Prozent zur Wertschöpfung bei. Im Vergleich zu den Lohnkosten, die im Durchschnitt bei 20 Prozent liegen und in Spitzen über 50 Prozent erreichen können, sind die Energiekosten für die meisten Industriezweige kein dominanter Faktor. Entlastungen bei den Strompreisen, die nur einen Teil der Energiekosten betreffen, können die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie daher nur begrenzt verbessern.“
„Eine detaillierte Analyse administrativer Unternehmensdaten zeigt, dass nur wenige Unternehmen in einigen eng definierten Teilbranchen stark von hohen Strompreisen betroffen sind [3]. Besonders betroffen sind die Industriegasherstellung und die Aluminiumproduktion, bei denen Kostenanstiege von bis zu 40 Prozent der Wertschöpfung möglich sind. In anderen Teilbranchen derselben Sektoren, beispielsweise der Herstellung anorganischer Chemikalien, Düngemittel oder von Roheisen beziehungsweise Stahl, liegen die Belastungen dagegen meist deutlich niedriger – oft unter fünf bis acht Prozent. Auch in der Papier- und Glasindustrie gibt es einzelne Ausreißer nach oben, jedoch keine flächendeckende Betroffenheit. Laut der Analyse würde ein Industriestrompreis diese extremen Belastungen für die stark betroffenen Unternehmen zwar dämpfen, aber nicht vollständig kompensieren.“
Auslaufen der Subventionen nach drei Jahren
„Es wäre äußerst schwierig für die Unternehmen, nach drei Jahren wieder ohne Subventionen auszukommen. In dieser Zeit müssten sie erhebliche Investitionen tätigen, um ihre Energieeffizienz deutlich zu steigern. Das ist jedoch kaum realistisch. Zwar können niedrigere Strompreise kurzfristige Anreize zur Elektrifizierung schaffen, etwa für Prozesse, die bisher auf fossilen Energieträgern basieren, doch dies setzt voraus, dass Strom dauerhaft günstiger ist als fossile Energieträger. Eine dreijährige Subvention reicht dafür nicht aus.“
„Tiefgreifende Produktionsumstellungen erfordern Investitionen mit langen Amortisationszeiten (Zeit, bis Investitionskosten durch Erträge ausgeglichen sind; Anm. d. Red.). In drei Jahren lassen sich allenfalls kleinere Effizienzmaßnahmen umsetzen, nicht aber strukturelle Transformationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Subventionen auch danach noch notwendig sind, ist hoch. Denn alle Prognosen zeigen, dass die Strompreise in Deutschland weder kurzfristig noch mittel- oder langfristig auf das Vorkrisenniveau zurückkehren, sondern volatil und vergleichsweise hoch bleiben werden.“
Reinvestition in Dekarbonisierung
„Die EU-Vorgabe ist zwar ambitioniert, 50 Prozent der Subventionen in die Dekarbonisierung zu reinvestieren, in der Praxis jedoch problematisch. Investitionszusagen sind nur schwer kontrollierbar und es fehlen bislang klare Mechanismen zur Überprüfung. Es besteht das Risiko, dass Unternehmen Mittel in wenig transformative Projekte lenken, um formale Anforderungen zu erfüllen. Selbst wenn genauere Vorgaben für Investitionen gemacht würden, bliebe die Kontrolle solcher Zusagen und die Sanktionierung bei Nichterfüllung organisatorisch wie rechtlich höchst anspruchsvoll. Die Vorgaben könnten etwa in Form einer klaren Definition förderfähiger Maßnahmen, nachweisbarer CO₂-Minderung anhand von Benchmarks, die sich am EU-ETS orientieren, verpflichtender Transformationspläne mit Meilensteinen, die über die drei Jahre hinausreichen, transparenter Berichtspflichten und unabhängiger Audits erfolgen. Wer die Überwachung übernimmt und wie Verstöße geahndet werden, ist bislang unklar. Angesichts dieser Komplexität erscheint eine effektive Umsetzung unrealistisch.“
Bewertung des geplanten Industriestrompreises
„Ein Industriestrompreis ist keine Transformationsstrategie, sondern lediglich eine teure Atempause. Trotz Investitionspflicht birgt er das Risiko von Lock-in-Effekten, da Unternehmen notwendige Umstellungen hinauszögern könnten. Nachhaltiger wären Instrumente wie Leitmärkte für grüne Produkte oder – wenn auch kostenintensiver – Klimaschutzverträge und Investitionsprämien. Darüber hinaus sollte eine zukunftsfähige Industriepolitik nicht auf nationale Strompreissubventionen, sondern auf EU-weite Projekte zur Förderung neuer, effizienzsteigernder Technologien setzen, beispielsweise im Rahmen der IPCEI-Initiativen (Important Projects of Common European Interest) [2].“
„Langfristig können wettbewerbsfähigere Strompreise nicht durch Subventionen, sondern nur durch strukturelle und effizienzsteigernde Reformen des Strommarktes erreicht werden. Dazu gehört insbesondere die Einführung von marktbasierten Preissignalen, wie nodaler oder zonaler Preise, wie von der Monopolkommission vorgeschlagen [4]. Solche Maßnahmen helfen, die eigentlichen Kostentreiber anzugehen und schaffen damit dauerhaft verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Elektrifizierung und Dekarbonisierung, statt kurzfristig Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen zu erzeugen.“
Leiter des Fachgebiets Sustainable Technology Design, Institut für Thermische Energietechnik, Universität Kassel
Bewertung des geplanten Industriestrompreises
„Für die Bewertung des geplanten Industriestrompreises, muss man zwischen zwei möglichen Zielen unterscheiden:“
„Erstens: die kurzfristige Entlastung von Unternehmen. Der deutschen Industrie geht es aktuell aus verschiedensten Gründen schlecht. Dazu gehören Zölle, die weltweit schwache Konjunktur und vielleicht auch strategische Fehlentscheidungen. Daraus entsteht das Gefühl, die Industrie unterstützen zu müssen – was wahrscheinlich auch richtig ist. Dafür ist der Industriestrompreis allerdings nur bedingt geeignet, denn für viele Unternehmen ist der Strompreis gar nicht so wichtig. Zölle spielen zum Beispiel für die Autoindustrie kurzfristig eine viel größere Rolle. Zu den Branchen, für die der Strompreis sehr relevant ist, zählen die Chlorchemie, die Elektrostahlherstellung aus Schrott sowie die Aluminium- und Kupferherstellung. Wenn man für diese Unternehmen den Strompreis senken kann, hat das einen Effekt. Allerdings profitieren die meisten dieser Unternehmen bereits von der Strompreiskompensation, die die Kosten für den CO2-Gehalt im genutzten Strom ausgleicht.“
„Der zweite Aspekt ist die langfristige Transformation und Dekarbonisierung der Industrie. Die halte ich für sehr wichtig, auch weil man sich dadurch resilienter und geopolitisch unabhängiger macht. Für dieses Ziel sind der Industriestrompreis und die damit einhergehende Investitionsverpflichtung sinnvoll. In Deutschland geht die Elektrifizierung der Industrie zu langsam voran. Das liegt auch daran, dass wir hier ein ungünstiges Verhältnis zwischen Strom- und Gaspreis haben. Wenn der Strom rund dreimal so teuer ist wie Erdgas, lohnt es sich für viele Unternehmen nicht, beispielsweise ihre Prozesswärme zu elektrifizieren. In anderen Ländern ist dieses Verhältnis bereits deutlich günstiger. Der Industriestrompreis kann hier ein zusätzlicher Booster für Unternehmen sein, die ihre Prozesse elektrifizieren wollen. Denn durch den Industriestrompreis wird der Strom immerhin für drei Jahre günstiger. In diesem Zeitraum muss die Regierung dann nachlegen und signalisieren, dass Strom im Verhältnis zu Gas auch mittel- und langfristig günstig bleibt. Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Zum Beispiel sollte man beim Emissionshandel, der das Erdgas verteuert, nicht schwächeln. Außerdem können Industrien mit sogenannten ‚Purchase Power Agreements‘ dabei unterstützt werden, sich langfristig zu stabilen Preisen mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Ebenfalls sollte die Regierung dafür sorgen, dass die Kosten für den Um- und Ausbau der Stromnetze möglichst nicht zu stark steigen oder vorübergehend anderweitig finanziert werden.“
Leiter Globale Strategie & Wirkung, Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP, Universität Stuttgart
Noch unklare Aspekte
„Der EU-Beihilferahmen ‚Clean Industrial Deal State Aid Framework ‘ CISAF setzt zwar Eckpunkte für einen Industriestrompreis, aber im deutschen Kontext ist noch offen, wer am Ende genau als ‚stromintensiv‘ und ‚im internationalen Wettbewerb‘ gilt. Insbesondere ist noch offen, ob auch energieintensive kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erfasst werden, die im heimischen Markt mit Importen aus Ländern mit niedrigeren Energie- und Emissionspreisen konkurrieren, also über jene hinaus, die exportieren. Ein Industriestrompreis, wie er in vielen Ländern existiert, ist aus meiner Sicht grundsätzlich sinnvoll.“
„Bei sektoralen Eingrenzungen ist allerdings große Vorsicht geboten. Denn es gibt in zahlreichen Subsektoren der 27 Sektoren der produzierenden Industrie stromintensive Prozesse – auch über die üblichen Verdächtigen hinaus, und gerade dort, wo Prozesse perspektivisch elektrifiziert werden sollen und die Stromintensität bei ähnlicher Energieintensität stark zunimmt. Unklar ist zudem, wie das neue Instrument mit bestehenden Regelungen wie der Strompreiskompensation verzahnt wird und ob es gelingt, es nach dem Prinzip ‚so wenig zusätzliche Bürokratie wie möglich‘ zu gestalten. Erwartbar wäre aus meiner Sicht ein fokussiertes, administrativ schlankes Instrument für tatsächlich stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Überraschend und problematisch wäre ein breit gestreuter, bürokratisch aufwändiger Ansatz, der energieintensive KMU de facto außen vor lässt.“
Relevanz hoher Strompreise
„Hohe Strompreise sind für viele Unternehmen ein ernstes Thema. Aber sie stehen selten isoliert, sondern wirken zusammen mit anderen Belastungen wie steigenden CO₂-Preisen, volatilen Rohstoffkosten, Fachkräftemangel, langen Genehmigungsprozessen und Bürokratiekosten sowie einer generell hohen Unsicherheit über künftige Rahmenbedingungen. Fehlende Planungssicherheit beim politischen Rahmen verzögert notwendiges Handeln unnötig. Besonders kritisch sind Strompreise dort, wo der Stromanteil an den Gesamtkosten hoch ist und gleichzeitig nur begrenzte Möglichkeiten bestehen, diese Kosten weiterzugeben. Das ist bei klassisch stromintensiven Prozessen der Fall, ebenso wie bei Unternehmen, die im heimischen Markt mit Importen aus Ländern mit niedrigeren Energie- und Emissionspreisen konkurrieren. Das betrifft nicht nur einige ‚übliche Verdächtige‘ in der Grundstoffindustrie, sondern auch energieintensive KMU in verschiedensten Wertschöpfungsketten, die häufig deutlich weniger mobil sind als Großunternehmen. “
„Daher erachte ich einen rein sektorbezogenen Rahmen als problematisch. Zugleich werden mit zunehmender Elektrifizierung von Prozessen – etwa, wenn bisher fossil bereitgestellte Prozesswärme oder Antriebe elektrifiziert werden – immer mehr Unternehmen strompreissensibel, auch wenn ihre absolute Energieintensität ähnlich bleibt. Welche Pfade der Emissionsminderung – etwa Elektrifizierung oder der Einsatz von Wasserstoff – sinnvoll sind, hängt zudem stark von Standort, Verfügbarkeit und den spezifischen Prozessschritten ab. Hier gibt es selten eine einfache Schwarz-Weiß-Entscheidung.“
Auslaufen der Subventionen nach drei Jahren
„Die drei Jahre sollten nicht nur die vorübergehende Überlebensfähigkeit strategisch wichtiger Branchen sichern. Sondern sie sollten energieintensiven Unternehmen generell die dringliche Verschnaufpause geben, jene Maßnahmen zu identifizieren und zu ergreifen, welche ihre Zukunftsfähigkeit langfristig sichern – ausdrücklich auch bei kleinen und mittleren Unternehmen. Ein Industriestrompreis darf dabei kein dauerhaftes Pflaster sein, das nur akute Schmerzen lindert. Sondern er muss wie eine zeitlich befristete ‚Medizin‘ wirken, die genutzt wird, um strukturelle Ursachen anzugehen und einen kontinuierlichen Prozess transformativer Innovation anzustoßen. Im Kern geht es darum, dass Unternehmen ihre Anfälligkeiten gegenüber Preis- und Versorgungsschocks reduzieren, indem sie insgesamt weniger Energie und Rohstoffe benötigen, problematische oder kritische Materialien wo möglich ersetzen und Prozesse, Produkte, Haltbarkeit und Kreisläufe so gestalten, dass Ressourcen effizient genutzt und im Kreislauf gehalten werden.“
„All dies jedoch nicht um seiner selbst willen, sondern dezidiert mit Blick darauf, was die langfristige Relevanz und Zukunftssicherheit des Unternehmens sichert – also was produziert wird, wie es produziert wird und welche Mittel dafür benötigt werden. Wichtig ist es daher, Schritte zu triggern, die die Umsetzung wirtschaftlicher Dekarbonisierungsmaßnahmen zur Folge haben. Dazu zählen Effizienz, Prozessdekarbonisierung, Eigenerzeugung und zirkuläre Ansätze – die sich nach Ende der Entlastungsphase selbst tragen, auch unter der Annahme weiter steigender Energie- und Emissionspreise und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wettbewerb stärken. Damit Unternehmen diese Schritte tatsächlich gehen, braucht es neben der temporären Entlastung einen möglichst stabilen politischen Rahmen und Planungssicherheit über die drei Jahre hinaus. Nur dann verringert ein Industriestrompreis die Abhängigkeit von Subventionen, statt sie zu verfestigen – im ursprünglichen Sinne von Nachhaltigkeit als adaptivem, ‚enkelfähigem‘ Handeln über Generationen hinweg.“
Reinvestition in Dekarbonisierung
„In die eigene Resilienz – also die Verringerung der Anfälligkeit gegenüber Energie-, Emissions- und Rohstoffkosten sowie deren Verfügbarkeit – zu investieren, ist grundsätzlich wichtig und richtig. Daher ist die Reinvestitionsvorgabe im Kern zu begrüßen. Die erforderlichen investiven Maßnahmen werden aber nur stattfinden, wenn Vertrauen in den Standort Deutschland und ausreichende Planungssicherheit bestehen. In der Praxis ist es oft schwierig, ‚zusätzliche‘ Dekarbonisierungsinvestitionen von normalen Ersatzinvestitionen zu trennen, weil es bei Letzteren meist um die Differenz zwischen einer Standardlösung und einer langfristig wirtschaftlichen, Net-Zero-kompatiblen Lösung geht. klassische Nachweismethoden über Vergleichsangebote würden hier schnell zu massivem administrativem Aufwand auf beiden Seiten führen.“
„Zentral ist deshalb ein Mechanismus, der administrativ schlank bleibt – eher wie eine stichprobenartige Ticketkontrolle im öffentlichen Verkehr als ein komplexes Antrags- und Prüfregime. Denkbar wären beispielsweise digitale Nachweise der Investitionen mit automatisierter Bearbeitung bis zur Höhe der Entlastung und stichprobenartigen Prüfungen, analog zum Vorgehen bei Steuererklärungen. Damit die Reinvestitionen wirklich wirken, sollten sie zudem in einen konzeptionell passenden Transformationspfad eingebettet sein und nicht nur eine Serie einzelner Maßnahmen bleiben – im Sinne systemischer Effizienz, wie etwa in diesem Bericht beschrieben [5]. Gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren dabei von Unterstützung bei der Entwicklung eines für sie passenden Transformationspfads – nicht als zusätzliche regulatorische Pflicht, sondern als befähigende Flankierung auf dem Weg zu nachhaltiger Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit.“
Bewertung des geplanten Industriestrompreises
„Ein Industriestrompreis kann ein wichtiger Baustein für die Transformation der Industrie sein, wenn er als zeitlich befristetes Transformationsfenster verstanden wird und nicht als dauerhaftes Pflaster für strukturelle Probleme. Er sollte Unternehmen – ausdrücklich auch energieintensiven KMU – die nötige Verschnaufpause geben, um wirtschaftliche Dekarbonisierungs- und Resilienzmaßnahmen umzusetzen. Das sind etwa Effizienz, Prozessdekarbonisierung, Eigenerzeugung, Nachfrageflexibilisierung, zirkuläre beziehungsweise ‚as a service‘-Ansätze und die Reduktion des ‚embedded footprint‘, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auch bei steigenden Energie- und Emissionspreisen stärken und Rohstoffabhängigkeiten senken. “
„Welche technologischen Pfade dabei sinnvoll sind – etwa Elektrifizierung, Wasserstoff oder andere Lösungen – hängt stark von Standort, Verfügbarkeit und spezifischen Prozessanforderungen ab. Hier braucht es Spielräume statt Schwarz-Weiß-Entscheidungen. Problematisch wäre ein Industriestrompreis, der vor allem kurzfristig Kosten senkt, aber fossile oder strukturell ineffiziente Geschäftsmodelle stabilisiert und systemische Effizienz sowie Zirkularität kaum adressiert. Richtig eingebettet – mit Planungssicherheit, schlanken Verfahren und klaren Anreizen für transformative Innovation – kann er dazu beitragen, eine ‚enkelfähige‘, also langfristig anpassungs- und wettbewerbsfähige industrielle Basis in Deutschland zu sichern.“
„Die Entlastung sollte nicht nur dazu dienen, vorübergehend die Überlebensfähigkeit von strategisch wichtigen Branchen zu sichern. Sondern sie sollte energieintensiven Unternehmen generell die dringliche Verschnaufpause geben, jene Maßnahmen zu identifizieren und zu ergreifen, welche ihre Zukunftsfähigkeit langfristig sichern. Und dabei sollte die Entlastung ausdrücklich auch kleine und mittlere Unternehmen im Blick haben, die ebenso häufig energieintensiv sind, international im Wettbewerb stehen und deutlich weniger mobil sind als Großunternehmen [1]. Ein Industriestrompreis sollte nicht nur Pflaster auf die Wunde der Wettbewerbsfähigkeit kleben, sondern Teil einer Medizin für die Gesundung und Enkelfähigkeit der Industrie sein.“
„Bei mir bestehen keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keinen Interessenkonflikt zu melden. Dieses Statement gebe ich als unabhängiger Wissenschaftler ab. Es erfolgt nicht in meiner Funktion als Vorsitzender der Monopolkommission. Die hier geäußerte Einschätzung ist meine persönliche Meinung und stellt keine abgestimmte Position der Monopolkommission dar.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich bin in mehreren nationalen und internationalen Gremien zur Energieeffizienz und industriellen Dekarbonisierung ehrenamtlich tätig, erhalte für dieses Statement keine Vergütung und halte nach bestem Wissen keine finanziellen Beteiligungen an Unternehmen, die direkt von der konkreten Ausgestaltung eines deutschen Industriestrompreises abhängen würden.“
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Universität Stuttgart (2025): Der Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie. Halbjährliche Befragung deutscher Industrieunternehmen. Stand: Sommer 2025.
Der Index für den Winter 2025 wird voraussichtlich Anfang Dezember veröffentlicht.
[2] Duso T et al. (2025): Wettbewerbsorientierte strategische Industriepolitik als Antwort auf den Investitionsstau in Deutschland. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) e.V. Sonderausgabe zur Bundestagswahl 2025.
[3] Bernhardt L et al. (2023): Breiter Industriestrompreis ist kein geeignetes Entlastungsinstrument. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) e.V. DIW Wochenbericht.
[4] Monopolkommission (2025): Energie 2025: Wettbewerb und Effizienz für ein zukunftsfähiges Energiesystem. Zehntes Sektorgutachten.
[5] Group of Experts on Energy Efficiency (29./30.09.2025): The role of innovation and systemic efficiency in industrial transformation. Dokument UNECE GEEE-12/2025/INF.6.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Koalitionsausschuss der Bundesregierung (2025): Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für zukunftsfähige Arbeitsplätze. Ergebnis des Koalitionsausschusses.
Die Redaktion Table Media hat das Dokument veröffentlicht.
[II] Die Bundesregierung (06.11.2025): Stahlindustrie zukunftsfest machen. Pressestatements nach dem Stahldialog im Bundeskanzleramt.
[III] Europäische Kommission (04.07.2025): MITTEILUNG DER KOMMISSION — Rahmen für staatliche Beihilfen zur Unterstützung des Deals für eine saubere Industrie (Beihilferahmen für den Deal für eine saubere Industrie). Dokument 52025XC03602.
[IV] Bundesnetzagentur (2025): Entwicklung der Industriestrompreise. Übersicht und Modellierung. Stand: 11.02.2025.
[V] Deutsche Emissionshandelsstelle (2024): Strompreiskompensation verstehen. Umweltbundesamt. Stand: 04.04.2024.
[VI] Agora Energiewende et al. (2025): Wie schaffen wir einen marktlichen und auf erneuerbaren Energien basierenden Industriestrompreis?
[VII] Bundesnetzagentur (2025): SMARD Benutzerhandbuch.
Dr. Jan George
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Bei mir bestehen keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Tomaso Duso
Abteilungsleiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, und Professor für empirische Industrieökonomie an der Technischen Universität Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keinen Interessenkonflikt zu melden. Dieses Statement gebe ich als unabhängiger Wissenschaftler ab. Es erfolgt nicht in meiner Funktion als Vorsitzender der Monopolkommission. Die hier geäußerte Einschätzung ist meine persönliche Meinung und stellt keine abgestimmte Position der Monopolkommission dar.“
Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer
Leiter des Fachgebiets Sustainable Technology Design, Institut für Thermische Energietechnik, Universität Kassel
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Dr. Stefan M. Büttner
Leiter Globale Strategie & Wirkung, Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP, Universität Stuttgart
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin in mehreren nationalen und internationalen Gremien zur Energieeffizienz und industriellen Dekarbonisierung ehrenamtlich tätig, erhalte für dieses Statement keine Vergütung und halte nach bestem Wissen keine finanziellen Beteiligungen an Unternehmen, die direkt von der konkreten Ausgestaltung eines deutschen Industriestrompreises abhängen würden.“