Welche Folgen hätte ein Aufweichen der EU-Flottenstandards für die Autoindustrie Europas?
zunehmende Konkurrenz aus China, schärfere Grenzwerte für Pkw in der EU und der Abschied vom Verbrenner setzen die Autoindustrie Europas unter Druck
Bundesregierung bittet die EU, Neuwagen mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 noch neu zuzulassen, um die Autoindustrie Europas zu entlasten
Forschende: kurzfristig könnte es Industrie etwas helfen, langfristig sinkt Verbrennerbedarf aber deutlich – klimaschonender und kostengünstiger Betrieb von Verbrennern unwahrscheinlich, Europa könnte den Anschluss an Entwicklung verlieren
Die Perspektive, auch nach 2035 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen zu dürfen, soll die Zukunft der Autoindustrie in Europa sichern. Nur: Elektroautos haben zumindest in China inzwischen einen so großen Marktanteil erreicht, dass dort die Förderung im kommenden Fünf-Jahres-Plan eingestellt wird [I]. Einige Forscher sehen daher inzwischen einen Kipppunkt in Richtung Elektromobilität überschritten. Wie groß das Marktpotenzial von Pkw mit Verbrennungsmotoren nach 2035 überhaupt noch ist, erscheint daher eine interessante Frage – ebenso wie die, mit welchen – klimaneutralen – Treibstoffen diese betrieben werden sollen. Denn bis 2050 möchte die EU Klimaneutralität erreichen. Das heißt: Das in Verbrennungsmotoren entstehende Kohlendioxid muss entweder aus der Atmosphäre stammen oder später mühsam wieder aus der Atmosphäre entzogen werden. Die Bemühungen um die Wasserstoffwirtschaft zeigen, wie lange es dauern kann, einen neuen Treibstoff zu etablieren.
Wir haben daher Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Disziplinen gefragt, welches Potenzial sie für klimaneutrale Treibstoffe und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sehen, falls die EU Bitten wie der der Bundesregierung [II] folgt und ihre Flottengrenzwerte für 2035 ändert.
Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
„Die Automobilindustrie in Deutschland und Europa befindet sich in einer anspruchsvollen und dynamischen Transformation. Gerade die aktuelle mittlere Phase zwischen 20 und 80 Prozent Marktanteil ist schnell veränderlich und anspruchsvoll, weil in wenigen Jahren das komplette Modellangebot, die Produktion und Teile der Lieferketten umgestellt werden müssen. Die Aufweichung der Flottengrenzwerte 2025 hat der Industrie hier etwas Luft verschafft, auch wenn sie klimapolitisch kontraproduktiv ist.“
„Eine Aufweichung oder Verschiebung des Zieles von Null Gramm CO2 pro Kilometer in den Neuzulassungen in Europa 2035 wäre aber der grundsätzlich falsche Weg. Global sinken seit mehreren Jahren die Absätze von Pkw mir Verbrennungsmotor und die Neuzulassungen von Batteriefahrzeugen steigen schnell an. Mit einer zusätzlichen Verzögerung in Europa würde Europa den Anschluss an relevante Teile des Weltmarkts verlieren und bei der zentralen Zukunftstechnologie im Pkw-Bereich auch weiter technologisch an Anschluss verlieren. Planungssicherheit und Glaubwürdigkeit sind zentrale Elemente langfristiger Industrie- und Klimapolitik und voll durch das 2035-Ziel gegeben.“
„Emissionsreduktion über ‚hocheffiziente Verbrenner‘ anzustreben, ist in etwa wie Abnehmen mit fettarmen Buttercremetorten – man erreicht nur minimale Fortschritte und keine echte Emissionsreduktion.“
Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH)
„Aus deutscher Sicht würden sich kurzfristig positive wirtschaftliche Effekte einstellen. Erstens eine erleichterte Produktions- und Absatzsteuerung: Hersteller können bestehende Fertigungslinien länger wirtschaftlich betreiben und Produktionskapazitäten flexibler nutzen. Das reduziert kurzfristigen Druck auf Beschäftigung und ‚Bänder‘. Und zweitens eine Entlastung für Zulieferer: Teilezulieferer, die stark vom Verbrennungsmotor abhängig sind, können Zeit gewinnen, sich umzustrukturieren oder neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das reduziert akute Arbeitsplatzverluste.“
„Gleichzeitig sollten allerdings Maßnahmen ergriffen werden, die eine verzögerte Investition in die Skalierung der Elektrofahrzeug-Produktion und der Batterie-Wertschöpfungsketten verhindert.“
„Des weiteren können die Maßnahmen zu Innovationen bei Hybridfahrzeugen beziehungsweise Fortschritten bei Verbrennungsmotor-Fahrzeugen führen – beispielsweise zu Verbrennern mit deutlich reduziertem Verbrauch oder dem Einsatz synthetischer oder nachhaltiger Kraftstoffe. Diese sind für Exporte in Märkte ohne schnelle Elektrifizierung attraktiv.“
„In Summe erscheint mir eine Aufweichung als sinnvoll, um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhalten. Parallel dazu müssen aber die Rahmenbedingungen für den Standort Deutschland massiv verbessert werden, damit der Aufbau der Wertschöpfungsketten für Batterie und Wasserstoff gelingen kann. Der Fokus sollte auf ‚Geschwindigkeit vor Regulierung‘ liegen. Sowohl die Unternehmen als auch die staatlichen Institutionen haben ein viel zu hohes Maß an Bürokratie aufgebaut und damit die Langsamkeit ‚perfektioniert‘. Die Stärke des Standorts aus der Marktwirtschaft heraus ist das schnelle und skalierte Umsetzen von Innovationen. Dies wird durch Regeln und komplizierte Abläufe erstickt – womit wir die Stärke des Systems ‚Demokratie‘ konterkariert haben.“
Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, Technische Universität München (TUM)
„Falls die EU auch nach 2035 Neuwagen mit Verbrennungsmotor zulässt, hilft das der europäischen Autoindustrie nur kurzfristig. Wenn der Trend langfristig zum Elektroauto geht, hat diese Entscheidung nur aufschiebende Wirkung. Das Problem ist, dass in der EU derzeit die Gesetzgebung, die Planung der Autohersteller und die Kundenwünsche nicht abgestimmt sind. Das muss in Einklang gebracht werden. Das heißt: Lieber etwas langsamer und kontinuierlich die Emissions-Grenzwerte senken – nicht wie bis jetzt in großen Stufen innerhalb weniger Jahre – aber die dann dafür auch so gemeinsam tatsächlich umsetzen, also Gesetzgeber und Hersteller.“
„Ich schätze, dass wir nach 2035 zunächst nur noch etwa 20 Prozent an Neufahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor brauchen, zum Beispiel Wohnmobile, Einsatzfahrzeuge wie Löschzüge der Feuerwehr, komplexe Baustellenfahrzeuge oder ähnliche – also Fahrzeuge, die besonders viel Energie brauchen, selten benutzt werden oder nach einem Einsatz schnell wieder zur Verfügung stehen müssen. Privat kann jeder ja noch nach 2035 einen Verbrenner fahren und auch kaufen: der Gebrauchtwagenmarkt hält noch für mindestens zehn Jahre Verbrenner vor.“
„Eine andere Frage ist, ob für diese Fahrzeuge schon 2035 oder in den Folgejahren klimaneutrale Treibstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen könnten. Ich halte einen Anteil von maximal zehn Prozent Biokraftstoffe am gesamten Treibstoffbedarf für realistisch. E-Fuels dagegen dürften mit einem Preis von drei Euro pro Liter für Pkw wie Transporter zu teuer sein.“
Institute of Climate and Energy Systems – Jülicher Systemanalyse (ICE-2), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
„Antriebe mit Verbrennern werden voraussichtlich mittel- bis langfristig aus dem Massenmarkt verschwinden, da ein weltweiter Abbruch der vollständigen Elektrifizierung von Straßenfahrzeugen sehr unrealistisch erscheint. Der Zeitpunkt, ab dem sich Fahrzeugkäufer nicht mehr für Verbrenner entscheiden, ist spekulativ und hängt nicht nur von der Regulierung ab. Die spezifischen Herstellungskosten und damit die Fahrzeugpreise für Verbrenner steigen bereits durch sinkende Absatzzahlen. Flüssige Kraftstoffe werden durch sinkende Raffinerieauslastung und steigende Kraftstofflogistikkosten ebenfalls teurer.“
„Im Gegensatz zu Markteinsteigern mit reinem Elektrofahrzeugportfolio könnten traditionelle Hersteller kurz- (5 Jahre) bis mittelfristig (10 bis 15 Jahre) vom hohen Entwicklungsstand der Verbrennungstechnologie profitieren. Dies umfasst die jeweils aktuelle Motorengeneration und – je nach ‚Kassenlage‘ der Hersteller – vielleicht noch eine weitere. Hybride und Plug-in Hybride sind darin eingeschlossen, werden jedoch aufgrund ihrer Komplexität hochpreisig bleiben und nur begrenzt zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen. Danach werden sich Neuentwicklungen mit deutlich höherem Wirkungsgrad nicht mehr wirtschaftlich darstellen lassen, wobei eine Definition solcher ‚hocheffizienten Verbrenner‘ bisher nicht existiert.“
„Zeitnah realisierbare Ansätze zur spürbaren Effizienzsteigerung von Verbrennungsmotoren sind derzeit nicht bekannt. Darüber hinaus besagen die inzwischen gut belegten Projektionen zu den Gesamtkosten der Fahrzeugnutzung (Total cost of ownership), dass Elektro-PKW bereits kurz- bis mittelfristig – im Vergleich zu Verbrennern – zu geringeren Nutzerkosten führen [1]. Unseren Analysen zufolge dürfte das für den durchschnittlichen PKW bereits ab 2026 der Fall sein. Insgesamt erscheint es daher auch im Interesse der Hersteller zu sein, ein Portfolio mit wenigen Antriebsvarianten zu pflegen und den Umstieg auf reine Elektrofahrzeuge voranzutreiben.“
Abschätzung des zukünftigen Marktanteils von Verbrennern
„Der Marktanteil rein batterieelektrischer PKW lag im November 2025 bei rund 22 Prozent [2]. Eine im Jahr 2022 in Deutschland und Japan durchgeführte Verbraucherumfrage zeigt für Deutschland ein deutlich anderes Bild: nur rund 19 Prozent würden sich für einen reinen Verbrenner entscheiden, weitere 21 Prozent für einen Plug-in-Hybrid. 60 Prozent der Befragten wählten demnach einen rein elektrischen Antrieb mit Batterie oder Brennstoffzelle. Für Japan wurden vergleichbare Ergebnisse mit einer leicht erhöhten Präferenz für reine Elektroantriebe ermittelt.“
„Trotz der Diskrepanz zwischen angekündigtem und tatsächlichem Kaufverhalten wird erwartet, dass der tatsächliche Anteil rein elektrischer Antriebe bis zum Jahr 2035 stark zunimmt. Für eine erste Abschätzung wird für 2035 zunächst ein Marktanteil von 15 Prozent für Antriebe mit Verbrennern, einschließlich der Hybride und Plug-in Hybride angenommen – vorausgesetzt, es sind keine disruptiven Faktoren zu beachten. Zu solchen Faktoren zählen einerseits deutliche Anstiege der Fahrzeug- und Kraftstoffpreise, die beispielsweise aus sinkender Fahrzeugproduktion und Auslastung im Kraftstoffsektor resultieren. Andererseits können gesellschaftliche Wandlungsprozesse zu deutlich verändertem Verbraucherverhalten führen.“
„Dementsprechend scheint es wahrscheinlicher, dass bereits 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nur noch für sehr spezielle Anwendungen mit Marktanteilen deutlich unter 10 Prozent verkauft werden. Bei einem für 2035 prognostizierten Absatz von drei Millionen Pkw in Deutschland wären das deutlich weniger als 300.000 Fahrzeuge.“
Verfügbarkeit klimaneutraler Kraftstoffe
„Aktuelle Projekte im Bereich der weltweiten E-Fuel Herstellung belaufen sich laut Agora Verkehrswende auf eine Produktionskapazität von rund 4,3 Millionen Tonnen Kraftstoff pro Jahr [3]. Die bei Agora dokumentierten E-Fuels Projekte befinden sich größtenteils noch in der Planungsphase. Mit der tatsächlichen Produktion könnte demnach in der ersten Hälfte der 2030er Jahre gerechnet werden, wobei angenommen wird, dass weitere Projekte hinzukommen. Die Vermarktung der produzierten Kraftstoffe dürfte allerdings weltweit erfolgen und beispielsweise auch Anwendungen in der Luftfahrt versorgen. Der Anteil von in Deutschland verfügbaren E-Fuels für den Straßenverkehr wird damit deutlich geringer ausfallen. Eine realistische Schätzung ist derzeit kaum möglich. Zum Vergleich: Der gesamte Absatz von Benzin, Diesel, Flüssiggas und Erdgas in Deutschland betrug laut der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe im Jahr 2024 rund 50 Millionen Tonnen.“
„Kostenseitig zeigen eigene Analysen und Studien aus der Literatur, dass die reinen Kraftstoffproduktionskosten um den Faktor zwei bis drei teurer sein werden als heutige fossile Treibstoffe [4]. Darin sind Gewinne, Steuern und Abgaben noch nicht enthalten. Letztere werden aufgrund der Einbeziehung von Haushalten und des Verkehrssektors in den europäischen Emissionshandel (ETS 2) zu weiteren Preissteigerungen führen. Es muss weiterhin beachtet werden, dass selbst bei einem schnellen Markthochlauf rein elektrischer Fahrzeuge auch nach 2035 noch ein erheblicher Bestand an Verbrennern versorgt werden muss. Unsere Projektionen gehen dabei von anfangs 20 bis 30 Millionen Pkw aus. Eine vollständige Deckung des Kraftstoffbedarfs von Bestands- und Neufahrzeugen erscheint daher kaum umsetzbar. Eine Umsetzung der aktuellen Treibhausgasreduktionsziele sollte daher eine möglichst schnelle Umstellung des Fahrzeugbestands auf reine Elektrofahrzeuge zum Ziel haben.“
Leiter der Forschungsgruppe „Hydrogen, electrification and industry transformation“, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
„Seit Jahren gilt: E-Fuels existieren praktisch nicht im Markt. Es gibt zwar einzelne Projekte, diese sind jedoch meist klein, stark subventioniert und dienen vor allem dazu, Erkenntnisse über das Zusammenspiel der erforderlichen Technologien zu gewinnen.“
„Für die Zukunft sind zwar zahlreiche, teils große Projekte angekündigt, doch haben sich viele dieser Vorhaben in den vergangenen Jahren verzögert. Über 90 Prozent der Ankündigungen haben bislang keine endgültige Investitionsentscheidung. Und selbst wenn eine solche Entscheidung getroffen wird, vergehen in der Regel nochmals rund fünf Jahre, bevor ein Projekt überhaupt in Betrieb gehen kann. Aus den vergangenen Jahren wissen wir inzwischen: Bei Wasserstoffprojekten wurden nur etwa fünf Prozent der Ankündigungen tatsächlich realisiert. Ankündigungen sind deshalb mit großer Vorsicht zu bewerten.“
„Dennoch – selbst unter der sehr optimistische Annahme, dass 40 Prozent der weltweit angekündigten E-Fuel-Projekte rechtzeitig umgesetzt werden, ergibt sich ein jährliches Produktionsvolumen von rund 32 Terawattstunden (TWh). Das entspricht lediglich etwa 14 Prozent dessen, was allein der Pkw-Sektor in Deutschland derzeit pro Jahr verbraucht. Dabei vergleichen wir das äußerst unsichere – weltweite – Angebot eines sehr teuren Treibstoffs mit der Nachfrage nur eines einzelnen deutschen Sektors, und zwar des heutigen Pkw-Bestands. Gerade in diesem Bereich existieren mit der Elektromobilität und einer Stärkung des öffentlichen Verkehrs deutlich günstigere Klimaschutzalternativen.“
„Im Luftverkehr, der langfristig auf E-Fuels angewiesen sein wird, gelten auf EU-Ebene verbindliche Beimischungsquoten: 1,2 Prozent bis 2030 und 5 Prozent bis 2035. Die Luftfahrtbranche weist jedoch immer wieder darauf hin, dass diese Ziele kaum erreichbar sein werden, weil das Angebot teurer E-Fuels fehlt. Zur Erfüllung der Quote wären rund 8 TWh E-Fuels pro Jahr im Jahr 2030 und etwa 33 TWh pro Jahr im Jahr 2035 erforderlich. 2035 würde die EU-Quote somit in etwa die gleiche Menge E-Fuels benötigen, die bereits im oben beschriebenen optimistischen Szenario projiziert wurde. Für den Pkw und andere Sektoren bliebe nichts mehr übrig. “
„Hinzu kommt: Der globale Schiffsverkehr benötigt ungefähr ebenso viele E-Fuels wie der weltweite Flugverkehr. Die chemische Industrie wiederum hätte sogar einen höheren Bedarf als Luft- und Schifffahrt zusammen. Diese Sektoren sind echte ‚Hard-to-Abate‘-Sektoren, in denen E-Fuels großen Wert hätten, weil sie dort notwendig sind.“
„Wenn E-Fuels sinnvoll eingesetzt werden sollen, dürfen sie nicht ineffizient in Bereiche gelenkt werden, in denen es bereits kostengünstigere und verfügbare Klimaschutzoptionen gibt – wie im Pkw-Sektor. In der Breite der Pkw-FahrerInnen gibt es keine Zahlungsbereitschaft für E-Fuels, die etwa 4-mal so viel kosten werden wie Benzin (Vergleich für 2035 im Großmarkt, ohne Steuern und Abgaben). Werden E-Fuels aus öffentlichen Mitteln in den Pkw-Bereich subventioniert, dann stehen sie für die wirklich darauf angewiesenen Sektoren nicht mehr zur Verfügung. “
„Mit E-Fuels im Pkw-Sektor zu planen – insbesondere bei Neuzulassungen – ist daher nicht nur höchst unplausibel, sondern auch ökonomisch ineffizient. Das Argument, E-Fuels in Pkw einzusetzen, weckt falsche Erwartungen, verzögert den dringend notwendigen Hochlauf der Elektromobilität und schwächt die Erreichung von Klimaschutzzielen.“
Direktor am Institut für Fahrzeugtechnik, Inhaber des Lehrstuhls Fahrzeugantriebssysteme,
Transformation zum Elektroauto
„Batterieelektrische Fahrzeuge stellen gegenwärtig die effizienteste Möglichkeit dar, elektrische Energie aus regenerativen Energien für den Individualverkehr zu nutzen und so die CO2-Emissionen dieses Sektors signifikant zu reduzieren. Die europäische Automobilindustrie hat in diesem Zusammenhang signifikante Anstrengungen unternommen, um entsprechende Flotten bereitstellen zu können. Allerdings wird die Steigerung der Marktdurchdringung batterieelektrischer Fahrzeuge in Europa durch Lücken in der Ladeinfrastruktur, hohe Herstellungskosten sowie die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen und die damit verbundene Abhängigkeit in den Lieferketten begrenzt. Es ist von eminenter Wichtigkeit, dass diese und andere Engpässe im Aufbau des Mobilitätökosystems adressiert werden.“
„Gemäß dem Stated Policies Scenario (STEPS) der Internationalen Energieagentur (IEA) [5] wird prognostiziert, dass der Anteil der Neuzulassungen von elektrischen Fahrzeugen bis zum Jahr 2035 global einen Wert von circa 50 Prozent erreichen kann. Dies impliziert, dass in einer Vielzahl globaler Märkte auch nach 2035 eine Nachfrage nach Antrieben mit verbrennungsmotorischen Systemen bestehen wird, wenngleich in Kombination mit einer gewissen Elektrifizierung (Mild-Hybrid, Full-Hybrid, Plug-In-Hybrid).“
„Parallel dazu eröffnet die Nutzung bilanziell CO2-armer synthetischer Kraftstoffe die Möglichkeit, den CO2-Ausstoß von Bestandsfahrzeugen mit Verbrennungsmotor unmittelbar zu reduzieren. Der Bestand in der EU betrug 2024 circa 245 Millionen Fahrzeuge, der Bestand weltweit circa 1,6 Milliarden Fahrzeuge. Infolge der fluktuierenden Verfügbarkeit von erneuerbaren Energiequellen werden im Energiesektor synthetische chemische Energieträger wie Wasserstoff, Ammoniak oder Bio- und E-Fuels eingesetzt, die sich auch für mobile Anwendungen eignen. Für die schwer elektrifizierbaren Transportsektoren sind entsprechende synthetische Kraftstoffe für den Zeitraum bis 2050 aus heutiger Sicht unabdingbar. Die Nutzung dieser oder vergleichbarer Kraftstoffe im Individualverkehr ist grundsätzlich möglich und notwendig, um ökonomisch tragfähige Lösungen zu entwickeln. Die Marktakzeptanz wird in diesem Kontext durch die Faktoren Verfügbarkeit, Preis und gesetzliche Rahmenbedingungen determiniert.“
„Eine ganzheitliche Bilanzierung – sogenanntes Life-Cycle-Assessment – der verschiedenen Antriebsformen wie Batterie-Auto, Hybrid-Auto, Plugin-Hybrid-Auto oder Batterie-Auto mit Range-Extender zeigt laut unseren Studien vergleichbare CO2-Gesamtemissionen in Abhängigkeit des Produktionspfades für Fahrzeug und Energieträger [6]. Für die global agierende Automobilindustrie ergibt sich daraus die Notwendigkeit, auch nach 2035 verbrennungsmotorische Systeme für Fahrzeugantriebstränge für den Weltmarkt bereitstellen zu müssen.“
„Durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe sowie effizienter Hybrid-Antriebstrangtopologien können diese an die Anforderungen einzelner Märkte angepasst werden. Für europäische Hersteller ist es daher von Vorteil, wenn entsprechend hocheffiziente CO2-arme hybride Antriebe für den anspruchsvollen europäischen Markt entwickelt und auch hier angeboten werden können.“
Abschätzung des zukünftigen Marktanteils von Verbrennern
„Im Falle einer Zulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungskraftmaschinen durch die Europäische Union ab dem Jahr 2035 sollten sämtliche Hybridvarianten umfasst sein. Das sind beispielsweise Plug-in-Hybrid-, Mild-/Voll-Hybrid- und Range-Extender-Fahrzeuge (REEV). In diese Kategorie fallen elektrische oder elektrifizierte Fahrzeuge, die einen Verbrennungsmotor aufweisen. Gemäß einer Analyse, die eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt – darunter den Infrastrukturaufbau, das Kundenverhalten, die Regulatorik sowie Wirtschaftsfaktoren – lässt sich ein potenzielles Szenario für die Neuzulassungen ableiten. Gemäß dieser Prognose könnte die Verteilung der Fahrzeuge im Jahr 2035 wie folgt aussehen: Etwa die Hälfte der Fahrzeuge wird batterieelektrisch betrieben, etwa ein Viertel als Plug-in-Hybrid oder REEV, und etwa ein Viertel als Mild- oder Voll-Hybrid. Demnach werden etwa die Hälfte der neu zugelassenen elektrifizierten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ausgestattet sein.“
„Die Zulassung von elektrifizierten Fahrzeugantrieben mit verbrennungsmotorischen Systemen in Europa über 2035 hinaus würde für die Autoindustrie folgenden Nutzen bieten:“
„Eine Technologische Diversifikation ermöglicht Resilienz gegenüber volatilen Energie- und Rohstoffmärkten, Verringerung von Import-Abhängigkeiten, Stärkung vielfältiger Lieferketten und Nutzung vorhandene Infrastruktur.“
„Es ergäben sich Wettbewerbsvorteile in Märkten, die weiter Verbrenner nachfragen. Die Weiterentwicklung von an Hybridtopologien angepasste Verbrennungsmotoren sichert Export und Verringerung der Abhängigkeit von Komponenten für reine batterieelektrische Autos aus China.“
„Es entsteht ein Innovationsraum für synthetische Kraftstoffe und effiziente Hybridtopologien. Im Bestand können wirksame Maßnahmen zur CO2-Absenkung durch Zumischung synthetischer Kraftstoffe geschaffen werden und damit eine Planungsperspektive für die Entwicklung effizienter hybrider Antriebsstränge.“
„Europäische Kernkompetenzen würden gestärkt. Europa ist weltweit führend auf dem Gebiet der Verbrennungsmotoren; eine Fortführung kann Know-how erhalten und ausbauen, das auch für andere Industrien relevant ist. Das sind zum Beispiel stationäre Motoren, der Energie-Sektor, Off-Road, Marine-Anwendungen oder Luftfahrt-Hybridlösungen.“
„Strukturelle Brüche würden abgefedert. Die Transformation kann bis zu 500.000 Arbeitsplätze in Europa kosten: Hybrid-/Verbrennungsmotor-Kontinuität kann den Wandel zeitlich strecken und soziale Verwerfungen und Abhängigkeiten reduzieren [III].“
Verfügbarkeit klimaneutraler Kraftstoffe
„Derzeit wird in Europa ein Bedarf von circa 360 Milliarden Litern Benzinäquivalent im gesamten Mobilitätssektor verzeichnet, also im Land-, Schiffs- und Luftverkehr. Prognosen zufolge wird bis 2040 eine Reduktion des Bedarfs auf circa 200 Milliarden Liter Benzinäquivalent erwartet. Dieser Trend ist auf die Elektrifizierung und die Steigerung der Effizienz zurückzuführen. Dies entspricht einer Reduktion des Bedarfs um circa 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 2025.“
„Die EU verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2040 ein Absatzvolumen von circa 50 Milliarden Liter Benzinäquivalent im Bereich der E-Fuels zu erreichen. Das Potenzial der industriellen Kapazitäten wird jedoch auf circa 160 Milliarden Liter Benzinäquivalent im Bereich der E-Fuels geschätzt. Unter der Prämisse, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt werden, könnten somit gut drei Viertel des flüssigen Kraftstoffbedarfs im Jahr 2040 durch E-Fuels abgedeckt werden [7].“
„Gemäß den Ergebnissen weltweiter sowie eigener Studien belaufen sich die Kosten von E-Fuels für eine final ausgebaute Anlage mit aktueller Technologie auf etwa 1,0 bis 1,5 Euro pro Liter. Für die Ermittlung des finalen Preises ist es erforderlich, Gewinn, Steuern, Subventionen und sonstige Faktoren zu berücksichtigen [8].“
„Keine Konflikte.“
„Kein Konflikt“
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Grube,T (2023): E-Cars Will Soon be Cheaper than Combustion Engines. Forschungszentrum Jülich mit weiterführender Literatur.
[2] Agora Verkehrswende: Marktentwicklung von E-Autos. Webseite. Stand: 05.12.2025.
[3] Neuling U et al. (2023): E-Fuels zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Agora Verkehrswende.
[4] Soler, A et al. (2022): E-Fuels: A techno- economic assessment of European domestic production and imports towards 2050.
[5] Internationale Energie Agentur IEA (2025): Stated Policies Scenario (STEPS). Online Erklärung. Ergebnisse siehe: Global Energy and Climate Model. Documentation.
[6] Stoll T et al. (2024): Eine Analyse des Treibhausgaspotenzials aktueller Antriebsstrangtechnologien. 45. Internationales Wiener Motorensymposium. DOI: 10.62626/4o3y-4t7w.
[7] Mauler L et al. (2025): Das Potenzial von eFuels – Zukünftige Marktvolumen und Erfolgsfaktoren in Bestandsflotten. 46. Wiener Motorensymposium. DOI: 10.62626/36dk-wc9y.
[8] Stoll T et al. (2023): Treibhausgas- und Kostenanalyse aktueller E-Kraftstoffe. MTZ, Motortechnische Zeitschrift MTZ 11/2023. DOI: 10.1007/s35146-023-1527-5.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Der Spiegel (02.12.2025): Das Elektroauto trotzt allen Bremsern.
[II] Dr. Friedrich Merz (28.11.2025): Schreiben des Bundeskanzlers an die Präsidentin der Europäischen Kommission vom 28.11.2025.
[III] Verband der Automobilindustrie e. V. VDA (2022): Jahresbericht 2022 Themen und Zahlen zur Entwicklung der deutschen Automobilindustrie. Stand: November 2022.
Prof. Dr. Patrick Plötz
Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine Konflikte.“
Prof. Dr. Achim Kampker
Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH)
Prof. Dr. Markus Lienkamp
Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, Technische Universität München (TUM)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Kein Konflikt“
Dr. Thomas Grube
Institute of Climate and Energy Systems – Jülicher Systemanalyse (ICE-2), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
Dr. Falko Ueckerdt
Leiter der Forschungsgruppe „Hydrogen, electrification and industry transformation“, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
Prof.Dr. André Casal Kulzer
Direktor am Institut für Fahrzeugtechnik, Inhaber des Lehrstuhls Fahrzeugantriebssysteme,
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“